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Das Transkript zur Folge 224 mit Dr. Florian Glass:

Ein Interview über Operationen während der Pandemie mit...

Mein Name ist Florian Glass. Ich bin Chefarzt der Chirurgie in der Maria-Theresia-Klinik in München. Wir sind ein Krankenhaus, ein rein chirurgisches Krankenhaus im Herzen von München.

Kann ich mich während der Pandemie bedenkenlos operieren lassen?

Das ist eine schwierige... oder eine Frage, auf die es keine einheitliche Antwort gibt. Lassen Sie es mich an zwei Extrembeispielen einfach machen. Sie steigen auf die Leiter, fallen runter, es knackt, und Ihr Unterschenkel steht rechtwinklig ab und der Knochen schaut raus. Da müssen Sie sich operieren lassen, das geht ja gar nicht anders.

Ob Sie jetzt aber Ihre Krampfadern, die man seit zehn Jahren immer wieder vor sich herschiebt, die keine besonderen Probleme machen, ob man das jetzt gerade in Pandemiehochzeiten dann versorgen lassen sollte, das steht wieder auf einem anderen Blatt. Das heißt, ich glaube, man kann durchaus nicht-dringende Operationen verschieben.

Das Problem ist ein bisschen... oder das Problem ist, das zu differenzieren und zu unterscheiden. Und da liegt auch die Gefahr. Dass man einfach sagt... der Patient kann das, glaube ich, gar nicht alleine beurteilen. Nehmen Sie zum Beispiel Blut im Stuhl. Natürlich kann das was völlig Harmloses sein und haben vielleicht viele Menschen immer wieder mal von Hämorrhoiden, es kann aber halt auch Darmkrebs sein.

Und wenn Sie da dann anfangen, nicht zum Arzt zu gehen und selber diese Entscheidung treffen, "Kann ich das verschieben, oder kann ich das nicht?", dann wird es wirklich gefährlich. Und das ist mir was ganz, ganz Wichtiges und ein Appell an alle, dass man wirklich, wenn man Probleme hat und wenn man Symptome hat, bitte unbedingt weiter zum Arzt oder ins Krankenhaus kommt, um das abklären zu lassen, weil wir sehen natürlich.. viele, viele Kollateralschäden.

Wir sind zertifiziertes Darmkrebszentrum. Wir sehen fortgeschrittenere Stadien beim Darmkrebs seit der Pandemie, weil einfach die Diagnostik und die Therapie zeitlich verzögert ist. Das ist dann falsche Angst oder falsche Sorge des Patienten, wenn er da nicht zum Arzt geht und sich nicht untersuchen lässt.

Wie werde ich im Krankenhaus vor einer möglichen Covid-19-Infektion geschützt?

Die Sicherheitsvorkehrungen sind in den Kliniken zwischenzeitlich sehr, sehr hoch. Dass wir die Wartebereiche umgebaut haben, dass auf die Station quasi kein ungetesteter Patient mehr kommt.

Wir trennen das natürlich auch. Auf Stationsebene versuchen wir das räumlich zu trennen. Wir machen quasi keine Mehrbettzimmer-Belegung mehr, unsere Dreibettzimmer sind alle auf Zweibettzimmer. Wir versuchen, die Patienten natürlich sogar alleine unterzubringen. Bei uns geht das noch. Wer alleine liegen will, der hat auch ein Einbettzimmer.

Wir testen das gesamte Personal. Wir müssen durchschnittlich wöchentlich, hängt ein bisschen vom Dienstrhythmus ab, durchschnittlich wöchentlich alle zum Test. Ich kann Ihnen nicht mehr sagen, wie oft ich das Staberl oder... schon in der Nase und im Rachen gehabt habe. Ich erkenne inzwischen die einzelnen Testfirmen an ihren Stäben und sage, der ist angenehm, der hat ein angenehmes Staberl und der nicht.

Es ist ein großer Organisationsaufwand, wenn man Patienten und Dings... Das heißt, wir haben eigene Räume, Abstrichräume, eigene Abstrichteams, und sind da sehr engmaschig dran.

Und, ganz aktuell, sind wir jetzt hier, die Klinik, inzwischen geimpft. Das wird immer weiter voranschreiten. Das ist... dauert noch bissel, bis wirklich alle geimpft sind, aber da bin ich froh, dass wir in der ersten Reihe sind, das heißt von uns geht wahrscheinlich keine Ansteckungsgefahr mehr aus.

Aber es trifft auch nicht nur... Man muss da immer sehr genau sein Es trifft nicht nur, sage ich mal, uns Personal und die Patienten, man muss auch das ganze nicht-klinische Personal, was sich in einem Krankenhaus ja mal befindet, von einem Physiotherapeuten, der von draußen reinkommt aber auch von einem Installateur, der die Dusche im Zimmer repariert, weil sie nicht mehr geht, auch die müssen Sie alle testen. Es kommt keiner mehr auf Station, der nicht getestet ist.

Und so, glaube ich haben wir inzwischen Sicherheitsstandards, die so hoch sind, dass das Risiko, sich in einer Klinik wie unserer an Covid anzustecken sehr, sehr gering ist Wahrscheinlich sogar geringer, wie im privaten Bereich oder im öffentlichen Nahverkehr. Also wir treiben da sehr, sehr viel Aufwand.

Darf ich nach einer OP im Krankenhaus Besuch empfangen?

Mich persönlich würde nichts härter treffen, wie wenn sich ein Patient in meiner Klinik an Corona ansteckt, der wegen einem Leistenbruch oder einer Gallenblasenentzündung da war.

Insofern sind wir sehr, sehr vorsichtig, was Besuche betrifft. Einfach weil wir möglichst wenig Kontakte und Personentreffen in der Klinik haben wollen. Ich weiß nicht, ob sich manche an dieses Bild oder an diese Animation mit diesen sich bewegenden Kugeln in einem geschlossenen Raum erinnert. Immer, wenn zwei Kugeln zusammenstoßen, steckt einer einen an.

Das heißt, je weniger man sich bewegt und je weniger Leute da sind, desto geringer ist das Risiko.  Daraus haben wir quasi beschlossen, dass Patienten, die kurz nur im Krankenhaus sind, es gibt ja viele Operationen, wo man nach ein, zwei Tagen wieder nach Hause geht, da ist es uns eigentlich nicht recht, wenn Besuch vorbeikommt.

Was anderes ist es ganz klar für Patienten, die schwer krank sind. Für Darmkrebspatienten, für Patienten, die mehr wie vier, fünf Tage im Krankenhaus sind. Da gibt es natürlich Ausnahmeregelungen, die können besuchen. Auch das müssen Sie organisieren. Alle Besucher werden abgestrichen, bevor sie auf Station kommen, mit einem Schnelltest. Das muss man zeitlich koordinieren, dass die Leute nicht zeitgleich da sind. Aber für diese Patienten gibt es schon Möglichkeiten.

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„Nachgefragt!“ ist ein Videopodcast und befasst sich mit allen Aspekten rund um die Corona-Pandemie: Wir sprechen mit Expert:innen aus Medizin, Wirtschaft und Wissenschaft, aber auch mit Menschen, die von der Corona-Pandemie besonders betroffen sind. Dabei kommt ein breites Spektrum von Menschen in den unterschiedlichsten Positionen zu Wort, von der Soziologin bis zum Labormediziner, vom Hautarzt bis zur pflegenden Angehörigen.

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Nachgefragt! | Der Corona-Video-Podcast

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