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Nachgefragt! Folge 248 mit Dr. Thomas Cegla

Das Transkript zur Folge 248 mit Dr. Thomas Cegla:

Ein Interview über die Auswirkungen der Pandemie auf Schmerzpatienten mit...

Mein Name ist Thomas Cegla. Ich bin Chefarzt der Schmerzklinik am Helios-Universitätsklinikum in Wuppertal. Ich bin Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Schmerzmedizin. In der Ausbildung bin ich Anästhesist, aber seit Jahren schon in der Schmerzmedizin, sowohl ambulant als auch stationär erfahren.

Wer gilt als Schmerzpatient?

Akuten Schmerz kennen wir sicherlich alle. Das ist ein Schmerz, der uns warnt, und das ist auch gut und richtig so. Denn er hilft dabei, weitere Schäden zu verhindern. Wenn ein Schmerz aber nicht weggeht, wenn er immer vorhanden ist, dann setzt ein Chronifizierungsprozess ein, der nach drei bis sechs Monaten abgeschlossen ist, und dann hat dieser Schmerz einen eigenständigen Charakter und ist eine eigenständige Erkrankung geworden. Und dann reden wir auch von einem Patienten, der chronische Schmerzen hat.

Welche Auswirkungen hat die Pandemie auf Schmerzpatienten?

In der Schmerzmedizin ist eine grundlegende Behandlung die nach einem sogenannten biopsychosozialen Krankheitsmodell. Das ist so, weil Schmerz, wie viele andere Erkrankungen, und besonders chronische Erkrankungen, nicht nur körperlich was verändern, sondern sie machen auch etwas mit der Seele, sie machen auch etwas mit dem sozialen Umfeld.

Und andersherum kann das soziale Umfeld Erkrankungen begünstigen und auch die Psyche verändern. Das ist ein ganz wichtiges Modell, und deshalb ist in der Schmerzmedizin ja auch so eine interdisziplinäre Vorgehensweise wichtig und richtig. In der Pandemie werden ja durch die Maßnahmen, aufgrund der Pandemie, diese unterschiedlichen Bereiche alle mit beeinträchtigt. Das haben wir selbst in meiner Klinik untersucht.

Maßnahmen, die durch die Pandemie bedingt sind, beinhalten ja, dass unsere Mobilität eingeschränkt ist. Bei Schmerzpatienten ist es zusätzlich so, dass Bewegungsangebote oder geplante Behandlungen nicht stattfinden können. Das können die Bewegungsbäder sein, das kann der Reha-Sport sein. Das hat Auswirkungen auf die Mobilität, auf die Stimmung und dann natürlich auf den Schmerz.

Des Weiteren wird die Versorgung als anders erlebt. Wir haben jetzt schon einige Zeit Erfahrung mit der Corona-Situation, aber schon in diesem ersten Lockdown vor einem Jahr war es so, dass Patienten sich nicht getraut haben, den Arzt aufzusuchen, dass wir zum Teil Probleme hatten, was die Medikamentenlieferung angeht. Da war die Versorgung allgemein schlechter und wurde auch so erlebt.

Welche Folgen hat das für die Schmerzpatienten?

Wir haben es ja in unseren Einrichtungen, den Praxen, den Ambulanzen und auch der Klinik, erlebt. Wir konnten nicht so arbeiten, wie wir das gewohnt sind und haben auch diesem Grund auch unsere Patienten befragt. Und eine Schmerzzunahme bei vorher gut eingestellten Patienten war schon bei der Hälfte der Patienten zu beobachten.

Und die Stimmungsverschlechterung, die lag sogar bei siebzig Prozent. Die veränderte Versorgungssituation wurde bei vierzig Prozent schon in dieser ersten Pandemiewelle als verschlechtert erlebt und wahrgenommen.

Wie kann die Situation der Schmerzpatienten verbessert werden?

Was vorher nicht gut war, wird durch so eine besondere Situation ja nicht besser, sonders da demaskiert sich ein Versorgungsmangel. Wir haben in der Schmerzmedizin das Problem, dass wir sehr gut spezialisierte Kliniken und Schmerzzentren haben, dass diese aber bei Weitem nicht ausreichen, um die Zahl der Schmerzpatienten gut zu versorgen.

Ein Patient, der in einer Klinik war, vielleicht gut eingestellt worden ist dort, der Programme mitbekommen hat, hat häufig das Problem, dieses dann ambulant weiter durchzuführen. Das heißt, einen Psychologen zu finden, der ihn mitbetreut, den richtigen Bewegungstherapeuten und auch den Schmerztherapeuten. Da mangelt es sicherlich. Das mangelt jetzt, aber das hat besonders zu Zeiten, wo hier Engpässe da waren, gezeigt, dass da unsere Patienten schon irgendwo durch ein Raster fallen.

Denn auch, wenn wir eine besondere Situation haben, Krankheit ist nicht nur immer Corona. Wir haben chronische Kranke, die müssen wir versorgen. Da müssen wir Versorgungsmöglichkeiten entwickeln. Und das trifft insbesondere für Schmerzpatienten zu.

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