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Das Transkript zur Folge 291 mit Privatdozentin Dr. Simone Dohle:

Ein Interview über den Umgang mit neuen Freiheiten mit...

Simone Dohle, ich bin Gesundheits- und Sozialpsychologin. Und ich befasse mich in meiner Forschung mit Selbstregulation und Verhaltensänderungen im gesundheitlichen Kontext.

 Warum verhalten wir uns in der Pandemie, wie wir uns verhalten?

Es gibt eine Reihe an Faktoren, die wichtig sind.

Das eine, was wir auch in unseren Studien gefunden haben, sind zum Beispiel demografische Faktoren. Zum Beispiel Alter und Geschlecht. Wir haben festgestellt, dass Frauen und ältere Menschen eine höhere Akzeptanz haben, was die Maßnahmen betrifft und diese auch eher umsetzen. Und gerade bei älteren Menschen kann man das natürlich auch verstehen, weil hier das Risiko zu erkranken ja auch höher ist.

Aus theoretischer Sicht gibt es auch Ansatzpunkte, zu erklären, warum sich manche eher an die Maßnahmen halten als andere. Es gibt zum Beispiel in der Psychologie die Theorie der Schutzmotivation. Und da würde man davon ausgehen, dass zwei Faktoren ganz entscheidend sind.

Das eine ist die Bedrohungseinschätzung. Also habe ich das Gefühl, es liegt überhaupt eine Gefahr für mich vor? Und hier muss man auch ein bisschen aufpassen. Denn es ist nicht unbedingt so, dass Menschen, wenn sie sich mehr bedroht fühlen, dann unbedingt sich stärker an solche Maßnahmen halten.  Sondern es kann auch irgendwann kippen.  Dass wenn halt die Bedrohung zu stark wird, man dann irgendwann die Gefahr abwehrt oder sogar verleugnet.  Das heißt, hier ist so ein Mittelmaß immer auch entscheidend für die Umsetzung der Maßnahmen.

Und das Zweite, was auch ganz entscheidend ist, ist die Bewältigungseinschätzung. Also die Frage, habe ich überhaupt die Möglichkeit, mit dieser Gefahr umzugehen?

Und hier spielt insbesondere eine Rolle, ob Handlungswirksamkeit vorliegt. Also dass man auch das Gefühl hat, diese Maßnahmen, die da jetzt propagiert werden von der Regierung, sind auch wirklich wirksam, um diese Gefahr des Virus einzudämmen. Und das Zweite ist auch die Selbstwirksamkeit. Traue ich es mir selber zu, das auch umzusetzen und auch in schwierigen Situationen umzusetzen.

Und in unserer eigenen Forschung können wir zeigen, dass insbesondere diese Bewältigungseinschätzung der Gefahr, also Handlungswirksamkeit, Selbstwirksamkeit, ganz entscheidend sind, um dann wirklich auch die Maßnahmen, wie Abstand halten, Maske tragen und so weiter, dann auch wirklich umgesetzt werden.

 Wie leicht können wir  nach der  Pandemie Verhaltensweisen ablegen?

Das ist natürlich auch die Frage, ob das wünschenswert ist.  Weil natürlich diese Regeln auch mit einem bestimmten Grund ja durchgeführt werden sollten.

Wenn jetzt zum Beispiel die Inzidenz irgendwann auf einem sehr geringen Niveau ist, ist es natürlich auch wichtig, dass man da auch wieder zum Normalzustand zurückkommt. Weil ja nun auch die Regeln auch beinhalten, dass letztlich unsere Grundrechte damit auch beeinflusst werden.

 Aber ich denke schon, was bleibt, ist, dass man natürlich auch weiterhin vorsichtig bleibt. Gerade wenn man jetzt in großen Menschenansammlungen ist oder im Flugzeug sitzt, dass man da lieber vorsichtshalber weiter die Maske trägt. Und das ist ja sicherlich auch gut, solange es weiter Fallzahlen gibt.

Aber ich denke, es wird dann wahrscheinlich schon auch relativ schnell so gehen, dass eben Kontakte gesucht werden. Eben das Abstandhalten nicht mehr so eingehalten wird. Weil es natürlich auch in der Natur des Menschen liegt, gerade in Krisenzeiten diesen Kontakt zu suchen und aufzubauen.

Deswegen wäre meine Prognose, wenn jetzt eben die Fallzahlen weiter sehr gering sind, dass das relativ schnell geht, dass man dann auch eher zum Zustand vor der Pandemie zurückkommt.

 Können wir uns einfach an die neue alte Realität gewöhnen?

Und jeder hat da ja auch eine andere Risikowahrnehmung. Das merkt man ja auch, wenn man sich so im privaten Umfeld austauscht. Die einen, die wollen schon direkt zurück zu Zeiten vor der Pandemie. Manche sind da ein bisschen vorsichtiger und wollen erst abwarten.

Ich finde, das ist wichtig, dass man das auch im Gespräch akzeptiert und sich darüber austauscht. Und ähm, ja. Es gibt sicherlich auch Situationen, wo einem das am Anfang erst mal vielleicht auch ein bisschen ungewohnt scheint, jetzt eben wieder diese Nähe zu haben.

Ich glaube, da ist es dann eben wichtig, gerade weil es ja auch darum geht, dieses negative Gefühl abzubauen, dass man diese Situationen dann auch nicht meidet.

Sondern wenn eben die Situation dann auch so ist, dass eben es keinen Grund zur Sorge mehr gibt,  dass man eben jetzt auch nicht sagt, man versucht, aus der Situation herauszugehen. Sondern man muss ja vielleicht auch erst mal wieder lernen, dass es sicher ist, auch irgendwo dann ohne Maske zu sein und im sozialen Kontakt. Man sollte dann idealerweise diese Situationen auch aufsuchen.

 Achten wir nach der Pandemie mehr auf unsere Gesundheit?

Gute Frage. Das kann ich mir schon vorstellen. Gerade was auch das Thema übertragbare Krankheiten betrifft.

Ich glaube, ich spreche da für viele aus meiner Generation. Das kennt man auch gar nicht mehr so, wie es eben auch die Impfungen gibt.

Ja, und eben auch gerade in der Prävention im Moment natürlich auch eigentlich mehr Wert darauf gelegt wird, eben zum Beispiel auch Prävention und Gesundheitsvorsorge im Bereich nichtübertragbarer Krankheiten eigentlich voranzubringen. Wie zum Beispiel Herz-Kreislauf-Erkrankungen usw.

Das ist natürlich eigentlich sonst so das Thema auch in der Forschung. Ich glaube schon, dass das auch was macht. Weil natürlich das für die meisten auch zum ersten Mal so eine Situation war, so eine konkrete Gesundheitsbedrohung, auch damit konfrontiert zu sein. Nicht nur, was ja auch für einen selbst dann irgendwo hätte eintreten können oder eingetreten ist, Sondern eben auch für Angehörige oder Freunde.

Und natürlich macht man sich dann auch viel mehr Gedanken über das Thema Gesundheit. Ich glaube schon, dass das auch noch nachhallt. Also dass das jetzt nicht nur ein Moment war, sondern für viele auch vielleicht ein Anlass ist, um über die eigene Gesundheit nachzudenken.

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„Nachgefragt!“ ist ein Videopodcast und befasst sich mit allen Aspekten rund um die Corona-Pandemie: Wir sprechen mit Expert:innen aus Medizin, Wirtschaft und Wissenschaft, aber auch mit Menschen, die von der Corona-Pandemie besonders betroffen sind. Dabei kommt ein breites Spektrum von Menschen in den unterschiedlichsten Positionen zu Wort, von der Soziologin bis zum Labormediziner, vom Hautarzt bis zur pflegenden Angehörigen.

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