Was tun, wenn die Pflege zu Hause nicht mehr möglich ist
Für so manchen älteren Menschen kommt ein Umzug aus der gewohnten Umgebung ins Pflegeheim nicht in Frage – auch wenn die Betreuung zu Hause nicht mehr möglich ist. Zu groß ist die Sorge, die eigene Selbständigkeit zu verlieren. Fachleute erklären hier, wie Angehörige mit einer solchen Situation umgehen sollten, unter welchen Bedingungen es möglich ist, die betroffene Person unter Betreuung zu stellen und welche Alternativen es zum Heim gibt.
Die Sichtweise der Älteren verstehen
Andreas Winkler, Gerontopsychologe aus Leipzig: „Wenn die Mutter immer wieder vergisst, den Herd auszumachen, oder der Vater häufig hinfällt, dann machen sich Angehörige große Sorgen. Doch ein Gespräch darüber – unmöglich! Das Umfeld nimmt altersbedingte Defizite früher und objektiver wahr als die Betroffenen selbst.
Das bedeutet aber nicht, dass der Hilfebedürftige die Augen vor der Wirklichkeit verschließt. Ältere spüren meist sehr wohl, dass die Situation zunehmend schwierig wird. Das, was Außenstehende vielleicht als „Altersstarrsinn“ empfinden, ist aus Sicht des Seniors eine Bewältigungsstrategie. Jedem älteren Menschen ist bewusst, was der Umzug in ein Pflegeheim bedeutet.
Senioren haben oft große Angst davor, ihre Selbstständigkeit zu verlieren. Ich rate Angehörigen, sich mal bewusst in die Lage des Seniors hineinzuversetzen und sich zu fragen: Wie würde ich es finden, wenn ich in dieser Situation wäre? Je besser es Angehörigen gelingt, auch die Sichtweise des Seniors zu verstehen, desto leichter kommt man ins Gespräch.“
Falsche Entscheidungen rechtfertigen noch keine Betreuung
Dr. Ann-Kathrin Hirschmüller, Fachanwältin für Medizinrecht aus Hannover: „Solange jemand geistig klar ist, bestimmt er selbst, wann er seine Wohnung oder sein Haus aufgibt und in ein Pflegeheim oder eine andere Wohnform umzieht. Nur wenn ein Mensch geistig verwirrt ist, kann er unter Betreuung gestellt werden – und erst dann dürfen andere über ihn entscheiden.
Die Einrichtung einer Betreuung kann jeder anregen, also etwa Angehörige, Freunde und Nachbarn. Ein Gericht prüft den Antrag. Der zuständige Richter führt auch ein persönliches Gespräch mit dem Betreffenden. Es ist rechtlich nicht möglich, dass jemand ohne sein Wissen unter Betreuung gestellt wird. Die Hürden für eine Betreuung sind hoch.
Auch wenn der Senior Dinge tut, die Angehörige falsch finden, rechtfertigt das nicht automatisch eine Betreuung. Ist der Hilfebedürftige geistig klar, wird die Betreuung vom Gericht abgelehnt und der Senior entscheidet weiterhin selbst. Auch wenn jemand tatsächlich verwirrt sein sollte, bedeutet das nicht, dass er keinerlei Entscheidungen mehr treffen darf. Eine Betreuung wird oft nur für bestimmte Teilbereiche ausgesprochen, etwa für finanzielle oder medizinische Entscheidungen.“
Über Wohnangebote in der Region informieren
Martin Franke, Pflegeberater in Bad Dürkheim: „In unserem Pflegestützpunkt machen wir oft die Erfahrung, dass Betroffene nicht ausreichend über Wohnangebote in der Region informiert sind. Nicht immer ist ein Heim die einzige Alternative. Bei der Tagespflege etwa wird ein Mensch bis zu acht Stunden in einer Einrichtung betreut. Oft stehen Aktivitäten auf dem Programm wie Kochen, Gedächtnistraining, Gymnastik. Mitarbeiter unterstützen bei der Einnahme von Arzneien, beim Toilettengang. Es gibt mehrere Mahlzeiten.
In Pflegewohngruppen leben mehrere Hilfebedürftige zusammen, jeder hat sein eigenes Zimmer, es gibt Räume, wo gemeinsam gekocht und gespielt wird. Durch eine Präsenzkraft ist eine Betreuung rund um die Uhr sichergestellt. Es ist oft familiärer als in einem großen Heim.
Je besser man solche Möglichkeiten kennt, desto leichter fällt die Entscheidung. Ich empfehle, gemeinsam so früh wie möglich zur Beratung zu kommen, um weitere Schritte zu planen, vor allem bei fortschreitenden Erkrankungen wie Demenz oder Parkinson. Auch sollte man sich über die Finanzierung erkundigen, denn da gibt es viele Irrtümer.“
Quellen:
- Bundesministerium für Gesundheit: Pflege im Heim. Online: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/... (Abgerufen am 21.02.2024)
- Verbraucherzentrale NRW, Düsseldorf: Kurzzeitpflege: Wenn die Pflege zuhause vorübergehend nicht möglich ist. Online: https://www.verbraucherzentrale.de/... (Abgerufen am 21.02.2024)