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Um welche Hormone geht es?

Bei Wechseljahresbschwerden spielen Östrogen und Gestagen eine zentrale Rolle. Ihre Produktion wird ziemlich durcheinandergewirbelt, weil die Eierstöcke, die Hormon­fabriken, langsam die Arbeit einstellen. Begegnen Ihnen also Präparate mit „17-ß-Östradiol“, „Östriol“, „Östron“ oder „Progesteron“ – das sind alles erst einmal Hormone.

Was bedeutet bioidentisch?

Dr. Maria Beckermann, Gynäkologin und Psychotherapeutin in Köln: „Die meisten Hormone werden auf Basis von Yamswurzeln hergestellt, Östro­gene wie auch Progesteron, also Gestagene.“ Ein bestimmter Inhaltsstoff, das Diosgenin, ist Grundlage für diese Hormone. Das muss chemisch noch ein wenig umgebaut werden – dann stimmt es zu 100 Prozent mit dem menschlichen Hormon überein. Der Körper kann nicht unterscheiden, ob die Hormone aus der ­Apotheke oder dem Eierstock kommen. Beckermann: „Ihre Verwendung ist ­keineswegs neu, sondern so alt wie die Hormontherapie selbst.“ Sie „bioidentisch“ zu nennen, sei vor allem „gutes Marketing“, so die Medizinerin.

So hilft Ihnen Ihre Apotheke vor Ort

Hormonpräparate sind rezeptpflichtig und werden von der Frauenärztin oder dem Gynäkologen verschrieben. In der Apo­theke werden gerne Fragen zu Dosierung und Anwendung beantwortet. Auch kann das Personal über pflanzliche Mittel gegen Wechseljahres­beschwerden informieren (wie die Traubensilberkerze) oder zu sogenannten ­Phytohormonen – beide sind frei verkäuflich. Allerdings ist die Datenlage zur ­Wirkung dieser Mittel recht dünn.

Haben sie weniger Nebenwirkungen?

Eine Hormontherapie (HT) ohne Risiken gibt es nicht. Bioidentisch hin oder her. Insbesondere das Brustkrebsrisiko ist nach wie vor ernst zu nehmen. Manche Risiken wie Thrombose-Embolie und Schlaganfall oder Gebärmutterschleimhautkrebs lassen sich Studien zufolge möglicherweise durch die Anwendungsart (auf die Haut geben statt einnehmen), -dauer und Dosierung sowie über kombinierte
Gaben verringern: Fragen Sie Ihre Frauenärztin oder Ihren Arzt und bitten Sie um Beratung.

Beugen sie tatsächlich anderen Krankheiten vor?

Früher dachte man, eine HT schütze vor Herz- und Gefäßkrankheitenim Alter. Das hat sich nicht bestätigt. Im Gegenteil: Die Risiken für Schlagan­fälle und Lungenembolie steigen. Auch Gallenwegserkrankungen und Inkontinenz nehmen zu. Nur bei drei Krankheiten senkt eine Hormontherapie das Risiko: Darmkrebs, Diabetes und Osteoporose. Das sind aber noch keine Gründe für eine HT. ­Haben Sie in der Menopause keine Beschwerden, wird Ihnen niemand raten, Hormone einzunehmen.

Was ist mit individuellen Präparaten?

Maria Beckermann warnt vor solchen sogenannten Magistralrezepturen, die „keiner systematischen Qualitätskontrolle“ unterlägen. „Auf enthaltene Hormonmengen und ihre Deklaration ist kein Verlass.“ Diese Präparate sind zudem teuer und werden nicht immer von den Krankenkassen erstattet. Beckermanns Empfehlung: Fertigarzneimittel. Sie sind zuverlässig, weil stärker kontrolliert.

Hormontherapie: Ja oder Nein?

Eine Hormontherapie bleibt eine persönliche Entscheidung. Jede Frau sollte so gut aufgeklärt werden, dass sie Leidensdruck gegen Risiken abwägen kann. Stark belastete Frauen, so die Hamburger Hormonspezialistin Dr. Katrin Schaudig, könne eine zeitlich ­begrenzte, gut überwachte HT wieder lebens- und arbeitsfähig machen. Es sei jedoch, ergänzt Beckermann, der Datenlage nicht angemessen, deren Risiken zu leugnen oder zu verharmlosen.


Quellen:

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