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Ein gutes Bauchgefühl, das kennt Angela B. (59) nicht. Nach mehreren Operationen an der Gebärmutter leidet sie unter chronischen Schmerzen. Der Grund: innere Verwachsungen. "Nach jedem Eingriff bildeten sich bei mir stets neue", erzählt Angela.

Mittlerweile ist das Gewebe zwischen den Organen in ihrem Bauchraum schon so verklebt, dass die Muskeltätigkeit des Darms eingeschränkt und die Verdauung gestört ist. Ein Stück Darm musste sogar bereits entfernt werden.

Nach jedem chirurgischen Eingriff am Bauchraum – etwa bei der Entfernung des Blinddarms oder einem Kaiserschnitt – bleibt nicht nur eine Hautnarbe. Es entsteht auch inneres Narbengewebe. Und dabei kann es passieren, dass Organe miteinander, mit dem Darm oder mit der Bauchdecke verwachsen.

Heilungsprozess außer Kontrolle

"Nach dem Bauchschnitt setzt ein natürlicher Reparaturmechanismus ein. Das ist zunächst eine ganz normale Reaktion des Körpers", erklärt Dr. Jörn Gröne, Chefarzt für Allgemein- und Viszeralchirurgie am St. Joseph Krankenhaus in Berlin.

Dabei wird Fibrin gebildet, das sich wie eine Schicht über die Wunde legt, damit sie darunter heilen kann. Fibrin ist ein Eiweiß, das sich vernetzt und dafür sorgt, dass das Blut gerinnt.

"Normalerweise wird es nach wenigen Tagen abgebaut. Bei manchen Patienten wird aber zu viel davon produziert, es bildet sich nicht komplett zurück", so Chirurg Gröne. Schließlich wandern Bindegewebszellen in die Schicht ein, es entstehen flächige Verklebungen und Verwachsungsstränge, sogenannte Adhäsionen.

Rund zwei Drittel aller Menschen mit einer Bauch-OP entwickeln wahrscheinlich Verwachsungen, genaue Zahlen dazu liegen aber nicht vor. Auch Entzündungen oder eine Endometriose können zu inneren Narben führen. "Die Diagnose ist oft schwierig", sagt Gröne.

Bedenkliche Folgen

Mit bildgebenden Verfahren ließen sich Verwachsungen nicht sicher nachweisen. Die Folgen für Patienten sind unterschiedlich. Die einen merken nichts, andere wiederum quälen unerklär­liche Bauchschmerzen. Verwachsungen bleiben für immer, können sich mit der Zeit sogar verändern, verkürzen oder straffer werden.

Eine seltene, aber gefürchtete Komplikation von Adhäsionen: eine Darmlähmung Jahre nach einer Bauch-OP – aufgrund innerer Narben, die man vorher kaum gespürt hat. Gerade die frei beweglichen Dünndarmschlingen können sich verklemmen, verdrehen und anschwellen (siehe Grafik). Akute heftige Schmerzen, ein harter Bauch bis hin zu Koterbrechen[45633] sind die Symptome. Bei einem lebensbedrohlichen Darmverschluss hilft dann nur eine Notoperation.

"Doch wie soll man etwas mit ­einer Methode heilen, die das Problem erst verursacht hat?", fragt Professor Rudy Leon De Wilde, ärztlicher Direktor im Pius- Hospital Oldenburg, der sich seit Jahrzehnten mit dem Thema befasst.

"Viele Patienten haben bei einer Operation Angst vor der Narkose oder vor einer Infektion. Doch über Verwach­sungen redet kaum jemand", bedauert der Gynäkologe. Dabei könnten diese bei jeder Operation an jedem Körperteil entstehen, zum Beispiel auch am Herzen oder am Auge.

Verwachsungen vorbeugen

Der Mediziner will seine Kollegen sensibilisieren, um das Risiko für Adhäsionen bereits im Vorfeld eines chirurgischen Eingriffs zu minimieren. "Teilweise sind Verwachsungen genetisch veranlagt. Wer bei Hautwunden zu wulstigem Narbengewebe neigt, entwickelt eher innere Verwachsungen", erläutert De Wilde. Wer das Problem von sich kennt, kann den operierenden Arzt informieren.

Zudem plädiert De Wilde für weniger große Bauchschnitte und mehr minimal-­invasive Operationen. "Je stärker das Bauchfell traumatisiert wurde, umso höher ist das Verwachsungsrisiko."

Verwachsungen unter der Bauchdecke: Mit bildgebenden Verfahren lassen sich Adhäsionen nicht erkennen. Darmlähmungen und -verschlüsse sind gefürchtete Folgen

Verwachsungen unter der Bauchdecke: Mit bildgebenden Verfahren lassen sich Adhäsionen nicht erkennen. Darmlähmungen und -verschlüsse sind gefürchtete Folgen

Der Gynäkologe berät weltweit seine Kollegen über weitere einfache Standards, die Verwachsungen verhindern: "Bei einer Operation sollte zum Beispiel das Bauchfell keinesfalls austrocknen, außerdem sind dünne statt dicke Fäden zum Verschließen der Operationswunde vorteilhafter."

Mit anderen Medizinern forscht De Wilde an einer Substanz, mit der sich die Stammzellen beeinflussen lassen, die Adhäsionen auslösen. Als körper­­eigener Hilfsstoff könnte diese irgendwann den optimalen Heilungsprozess fördern und das klebrige Fibrin in Schach halten.

Doch woher wissen Patienten, ob Verwachsungen hinter ihren Bauchschmerzen stecken? Dauerhaften Beschwerden kann nur ein Arzt auf den Grund gehen. Steht die Diagnose, können Patienten auch selbst einiges tun.

Auf dem Weg der Besserung

"Ich achte sehr auf meine Ernährung", berichtet Angela. Schwer Verdauliches und blähende Speisen bereiten ihr oft große Schmerzen. Eine Ernährungsberatung kann daher eine gute Anlaufstelle sein. Zudem raten Ärzte zu einer multimodalen Schmerztherapie, die verschiedene Verfahren kombiniert, darunter Wärme, Akupunktur, Physio- und Psychotherapie, damit die Patienten mit den chronischen Schmerzen besser umgehen können.

Viele nutzen auch alternative Medizinformen wie Osteopathie, Massagen, tägliche Atemübungen, Qigong oder Meditation. Gesetzliche Krankenkassen übernehmen oft nicht die Kosten.

Angela B. hat das Schröpfen und eine spezielle Physiotherapie für sich entdeckt, um die Verhärtungen in ihrem Bauch zu lockern oder zumindest erträglicher zu machen. Auch der Austausch mit anderen Betroffenen hilft der Bremerin, die eine Selbsthilfegruppe gegründet hat, die bundesweit aktiv ist (www.verwachsungsbauch-shg.de).

Sie ist überzeugt: "Verwachsungen werden unterschätzt. Es müsste viel mehr Aufklärung geben."

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