Ileus (Darmverschluss, Darmlähmung)
Was versteht man unter einem Ileus?
Bei einem Ileus kommt es zum Stopp der Darmpassage mit einem Aufstau des Speisebreis. Das geschieht entweder durch einen Darmverschluss (mechanischer Ileus) oder eine Darmlähmung (paralytischer Ileus). Durch beide Formen kann der Darminhalt nicht weitertransportiert werden. Der mechanische Ileus ist die häufigste Form des Darmverschlusses (circa 60 Prozent) und kann ein akut lebensbedrohliches Krankheitsbild darstellen.
Ist der Verschluss nicht vollständig, besteht also noch eine Restpassage von Nahrungsbrei, spricht man von Subileus.
Ursachen: Wie kommt es zu einem Ileus?
Zu einer Passagestörung kann es aufgrund eines mechanischen Hindernisses (mechanischer Ileus) oder aufgrund von einer Störung der Darmperistaltik (siehe oben, paralytischer Ileus) kommen.
Mechanischer Ileus (Darmverschluss): Ein mechanisch bedingter Ileus (Verschluss-Ileus) kann mit oder ohne Störung der Blutzirkulation einhergehen. Es gibt viele verschiedene Ursachen für einen mechanischen Ileus, gemeinsam ist ihnen ein Stopp der Darmpassage aufgrund eines Hindernisses. Dieses kann beispielsweise den Darm direkt verstopfen, wie beispielsweise ein Tumor oder Kotballen. Oder der Darm wird von außen eingeschnürt, zum Beispiel durch bindegewebige Verwachsungen (Briden) nach einer Darmoperation, durch Vernarbungen nach entzündlichen Darmerkrankungen oder ausgeheilter Bauchfellentzündung (Peritonitis). Bei folgenden Formen kommt es zu einer zusätzlichen Störung der Blutversorgung (Strangulations-Ileus):
- Inkarzeration. Unter Inkazeration versteht man eine Einklemmung von Darmschlingen. Diese können sich in Bruchlücken, wie beispielsweise einem Leistenbruch (Hernie) oder auch zwischen bindegewebigen Strängen (Briden) einklemmen. Dadurch ist die Darmpassage nicht mehr möglich.
- Invagination. Unter einer Invagination versteht man das einstülpen eines Darmstückes in ein dahinter liegendes Darmstück. Der Darm schiebt sich sozusagen "in den Darm".
- Volvulus. Ein Volvulus beschreibt eine Verdrehung des Darms und seiner dazugehörigen Sturkturen (Mesenterium, enthält Nerven und Blutgefäße).
Paralytischer Ileus (Darmlähmung): Beim paralytischen Ileus ist die Muskulatur der Darmwand gelähmt, so dass der Darminhalt nicht mehr durch rhythmische Bewegungen der Darmwand weitertransportiert wird. Ein Darmlähmung kann viele Ursachen haben:
- Im Rahmen von Entzündungen des Bauchraums (entzündlich-toxisch): Eine Entzündung des Bauchfells (akute Peritonitis) kann sich beispielsweise durch eine Durchbruch der Magen- oder Dünndarmschleimhaut (Perforation) entwickeln. Weitere mögliche entzündliche Prozesse im Bauchraum können eine Bauchspeicheldrüsenentzündung, eine Blinddarm- oder eine Gallenblasenentzündung sein.
- Nach Operationen im Bauchraum oder an der Wirbelsäule (reflektorisch): Auch nach operative Eingriffe im Bauchraum oder an der Wirbelsäule kann sich ein paralytischer Ileus entwickeln. Dieser ist allerdings nicht immer eindeutig von der "normalen" Darmträgheit nach Operationen (postoperativen Darmatonie) zu trennen.
- Medikamentös: Bestimmte Medikamente, zum Beispiel Opioide, können eine Darmlähmung auslösen.
- Stoffwechselstörungen (metabolisch): Insbesondere Störungen des Salzhaushaltes (Elektrolytstörungen) können zu einer Lähmung der Darmmuskulatur führen. Ursächlich für die Elektrolytstörung kann ein schwere Störung der Nierenfunktion (Niereninsuffizienz) sein. Aber auch ein Mangel an Vitamin B, Thyroxin, Eiweiß oder eine Diabetes mellitus (Azidose) kann eine Darmlähmung auslösen.
- Verschluss eines Blutgefäßes (vaskulär): Der akute Verschluss eines die Darmwand ernährenden Blutgefäßes kann ebenfalls Ursache eines paralytischen Ileus sein.
Symptome: Welche Beschwerden bereitet ein Ileus?
Die Beschwerden richten sich einerseits nach der betroffenen Stelle des Darms. Bei einem Dünndarmileus kommt es oft schnell zu Übelkeit und Erbrechen, einem aufgeblähten Bauch sowie im späteren Verlauf auch zu Stuhl- und Windverhalt. Bei einem Dickdarmileus sind die Beschwerden meist weniger stark ausgeprägt und entwickeln sich etwas langsamer, es kommt zu einem aufgeblähten Bauch, Bauchkrämpfen sowie Stuhl- und Windverhalt.
Andererseits können die Beschwerden auch nach der Ursache unterschiedlich sein. Bei einem mechanischen Ileus können plötzlich heftige kolikartige Bauchschmerzen einsetzen. Bei einem paralytischen Ileus sind die Schmerzen weniger ausgeprägt, der Bauch ist jedoch stark gebläht.
Blässe, kalter Schweiß und ein beschleunigter Puls kündigen ein drohendes Kreislaufversagen an.
Diagnose: Wie wird ein Ileus festgestellt?
Die Vorgeschichte (Anamnese) und die ärztliche Untersuchung, vor allem das Abhorchen des Bauchraums mit dem Stethoskop, geben wichtige Informationen. Klingende, metallische Darmgeräusche sprechen für einen mechanischen Ileus, da der Darm vor dem Hindernis vermehrt arbeitet (Hyperperistaltik). Bei einer Darmlähmung (paralytischer Ileus) hingegen fehlende Darmgeräusche ("Totenstille").
Zur weiteren Diagnostik gehört eine Ultraschalluntersuchung des Bauches. Hierbei können gegebenenfalls erweiterte Darmschlingen gesehen werden. Auch die Darmbeweglichkeit und eventuell vorhandene sogenannte "freie Flüssigkeit" kann beurteilt werden. In einer Röntgenaufnahme des Bauches (im Stehen, wenn dies nicht möglich ist in Linksseitenlage) können Flüssigkeitsansammlungen im Darmlumen (Spiegelbildung) auf einen Ileus hinweisen. Auch freie Luft im Bauchraum, außerhalb des Darmes, ist in der Röntgenaufnahme ersichtlich. Sie kann auf einen Darmdurchbruch hindeuten. In größeren Kliniken gehört mittlerweile eine Computertomografie zur Diagnose bei eine Ileus dazu. In ihr kann man Tumore erkennen, die die Passage behindern, manchmal sind auch Verwachsungsstränge sichtbar oder wenn Dramschlingen sich "verdreht" haben. Die Blutuntersuchung gehört ebenfalls zur Routine bei einem Ileus und gibt Aufschluss über Entzündungswerte, Nierenwerte oder Elektrolytwerte.
Therapie: Wie wird ein Ileus behandelt?
Prinzipiell kann man zwischen einer konservativen und einer operativen Therapie unterscheiden. Konservativ heißt: ohne Operation. In den allermeisten Fällen, und dabei ist es unabhängig davon, ob es sich um einen paralystischen oder mechanischen Ileus handelt, wird der Ileus konservativ behandelt. Daher wird meistes zuerst ein konservativer Therapieversuch gestartet. Eine Operation ist immer dann nötig, wenn dieser scheitert, oder wenn ein Absterben des Darmes (bei Verdrehung, Druchblutungsstörungen, Briden) droht oder bereits ein Durchbruch (Perforation) vorliegt.
- Konservative Behandlung
Im Vordergrund steht hierbei, die durch den Ileus verursachten Flüssigkeits- und Salzverschiebungen wieder auszugleichen (Substitutionstherapie) und den stark geblähten Darm zu entlasten. Das Legen einer Magensonde - ein dünner Schlauch, welcher über die Nase in den Rachen und von dort aus über die Speiseröhre in den Magen eingeführt wird - ist zwar unangenehm, aber vor allem bei bestehender Übelkeit oder Erbrechen wichtig. Durch die Sonde kann die Flüssigkeit aus dem Darm in einen Beutel abfließen, die Muskulatur entspannt sich und nimmt dann im besten Falle ihre Arbeit wieder auf. Auch eine Nahrungskarenz ist nötig, damit es zu keiner weiteren Belastung und Dehnung des Darms kommt. Bei einem paralytischen Ileus können Medikamente helfen, die Darmtätigkeit wieder in Gang zu bringen. Auch werden Schmerzmittel und - falls nötig - Antibiotika gegeben. Sowohl Flüssigkeit, als auch Medikamente werden über einen venösen Zugang direkt ins Blutgefäßsystem verabreicht.
- Operative Behandlung
Wenn ein konservativer Therapieversuch scheitert, kann eine Operation notwendig werden. Häufig sind Verwachsungen die Ursache des Verschlusses. Sind diese gelöst, kann der Darm nach einiger Erholung wieder normal arbeiten. Bei einem akuten Darmverschluss mit Darmdurchbruch oder Durchblutungsstörung ist eine möglichst rasche Operation nötig, um das Passagehindernis und gegebenenfalls den geschädigten Darmabschnitt zu entfernen. Welches Operationsverfahren zum Einsatz kommt, hängt von der Ursache des Darmverschlusses ab. Wichtig ist es, wieder eine Darmpassage zu ermöglichen und bestehende Durchblutungsstörungen, beispielsweise bei Verdrehungen, zu beseitigen. Denn wenn ein Darmabschnitt nicht durchblutet wird, stirbt dieser ab (Nekrose). Meist erfolgt die Operationen bei Ileus über einen größeren, mittigen Bauchschnitt (sogenannte Laparotomie). Dies ist aber eine individuelle Entscheidung von Operateur oder Operateurin und ist auch unter anderem abhängig von Alter und Vorerkrankungen der Behandelten.
Je nach Ursache kann direkt eine operative Therapie erfolgen. So können zum Beispiel Verdrehungen, Einschiebungen oder bindegewebige Stränge (Briden) nur mit einer Operation aufgelöst werden. Erkrankte Darmabschnitte, die sich nicht während der Operation erholen, werden gleich entfernt. Die gesunden Darmenden werden dann entweder direkt aneinander genäht, oder seitlich miteinander verbunden. Auch ein entzündeter Blinddarm oder der Verschluss eines Blutgefäßes (Arterie) kann operativ entfernt werden. Ganz muss bei diesen Operationen der Darm für längere Zeit entlastet und geschont werden, da er sich sonst nicht mehr erholen würde. Dann wird eine künstliche Verbindung zwischen noch gesundem Darmabschnitt und der Bauchdecke nach außen geschaffen (Stoma-Anlage), der Abschnitt hinter dem Stoma hat dann Zeit, sich zu erholen. In den allermeisten Fällen ist diese Stoma-Anlage nur kurzfristig und der künstliche Darmausgang wird noch der Ausheilung des Ileus in einem erneuten Eingriff zurückgelegt.
Komplikationen: Was können die Folgen eines Ileus sein?
Sowohl beim mechanischen wie auch beim paralytischen Ileus kommt es zu einer vermehrten Ansammlung von Flüssigkeit und Gasen, was zu einer Ausdehnung und Überblähung des betroffenen Darmabschnittes führt. Dieser Druckanstieg hat einen negativen Einfluss auf die Blutversorgung des betroffenen Bereiches (Mikrozirkulationsstörung). Das kann in Folge wiederum zu einer Störung der Barrierefunktion der Darmwand kommt. Das bedeutet diese wird durchlässiger, so dass viel Flüssigkeit in den Darm strömt. Folge kann ein deutlicher Volumenmangel (Hypovolämie) im Blutkreislauf sein. Auch Bakterien können leichter durch die Darmwand wandern und damit eine schwere Entzündung des Bauchraums (Durchwanderungsperitonits) sowie eine Blutvergiftung (Sepsis) verursachen.
Unser beratender Experte:
Prof. Dr. med. Yakup Kulu arbeitet als Oberarzt in der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie am Universitätsklinikum Heidelberg. Er ist stellvertretender Sektionsleiter der Sektion Minimal Invasive und Roboter-assistierte Chirurgie.
Wichtiger Hinweis: Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder –behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen. Die Beantwortung individueller Fragen durch unsere Experten ist leider nicht möglich.