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So wie die Morgenröte langsam den Tag beginnen lässt, so kündigt die Aura eine Migräne-Attacke an. Deswegen ist Aurora - die Göttin der Morgenröte - auch die Namenspatin dieses Phänomens.

„Auren entwickeln sich im typischen Fall über 20 bis 30 Minuten etwa eine Stunde vor Beginn der Migräne-Kopfschmerzphase“, sagt Prof. Hartmut Göbel von der Schmerzklinik Kiel. Dann klingt die Aura wieder ab, der Schmerz setzt ein. Nach Angaben der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft sind 15 bis 25 Prozent der Patientinnen und Patienten betroffen.

Wie macht sich eine Aura bemerkbar?

Typisch sind Sehstörungen, oft sind es sogenannte einseitige Gesichtsfeldausfälle. Das heißt: „Im linken oder rechten Teil können zunehmende Flimmer-Erscheinungen auftreten“, sagt Neurologe und Schmerztherapeut Göbel. Betroffene sehen oft Zickzacklinien, die sich immer mehr ausbreiten oder farbige Randzacken ausbilden.

Teilweise gibt es auch Flecken, in denen man nichts sehen kann. Lesen zum Beispiel fällt dann schwer. Betroffene können aber auch den Eindruck haben, nur durch einen Schleier oder durch Schlieren hindurch sehen zu können.

„Grundsätzlich kann vor dem Beginn der Migräneattacke jedes Krankheitszeichen auftreten, das durch eine gestörte elektrische Erregbarkeit der Hirnrinde ausgelöst werden kann“, sagt Hartmut Göbel. Die Hirnrinde ist der äußere Bereich des Gehirns.

Das kann Schwindel sein, Müdigkeit oder ein Kribbeln, etwa in den Händen. Manche Betroffene suchen vergeblich nach Worten oder können sich nicht mehr konzentrieren. Sogar epileptische Anfälle oder Bewusstlosigkeit können auftreten.

Was kann ich tun, wenn ich eine Aura erlebe?

Den Verlauf einer Aura beeinflussen kann man kaum, sagt Charly Gaul, Neurologe am Kopfschmerzzentrum Frankfurt. „Tritt eine Migräneattacke zum ersten Mal auf, ist stark ausgeprägt oder beinhaltet untypische Symptome, ist ein Besuch in der Notaufnahme im Zweifel sinnvoll, um andere Erkrankungen nicht zu übersehen.“

Zum Beispiel ist es nicht immer einfach, zwischen einer Aura und einer transitorischen ischämischen Attacke (TIA) zu unterscheiden. Eine TIA gilt als Vorbote eines Schlaganfalls. „Und Fehler sind sehr schädlich“, sagt Prof. Hartmut Göbel von der Schmerzklinik Kiel. So könne die Fehldiagnose einer TIA als Migräne mit Aura zu einem vermeidbaren Schlaganfall führen. Eine Diagnose kann nur ein Arzt oder eine Ärztin stellen.

Wichtig: Besteht Verdacht auf einen Schlaganfall, ist das ein Fall für den Notruf 112. Denn die erste Zeit nach einem Schlaganfall entscheidet über das Ausmaß der Zellschäden im Gehirn, heißt es von der Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe. Wer sich nicht sicher ist, ob es sich um einen Schlaganfall oder eine Migräne mit Aura handelt, alarmiert lieber einmal zu viel als zu wenig den Rettungsdienst.

Migräne mit Aura oder Schlaganfall?

Wichtig: Eine Diagnose kann nur ein Arzt oder eine Ärztin stellen. Im Zweifel lieber den Rettungsdienst alarmieren, damit kein Schlaganfall übersehen wird.

Wenn mindestens zwei der folgenden Punkte erfüllt sind, spricht das eher für einen Schlaganfall:

  • Alle Symptome treten innerhalb von unter einer Minute mit maximaler Intensität auf und breiten sich nicht allmählich aus.
  • Es bestehen mehrere Symptome, die gleichzeitig auftreten.
  • Alle Symptome sind Defizite wie Sehverlust, Taubheit, Lähmungen. Es bestehen keine sogenannten positiven Symptome wie Zickzacklinien, Kribbeln oder Farbsehen.
  • Die Symptome werden nicht von Kopfschmerz begleitet, es folgt ihnen innerhalb einer Stunde auch kein Kopfschmerz nach (so lange aber bitte nicht abwarten, sondern bei Verdacht auf einen Schlaganfall sofort den Rettungsdienst rufen).

Eher für eine Migräne-Aura sprechen diese Punkte:

  • Die Symptome treten langsam über 15 bis 30 Minuten zunehmend auf.
  • Wenn mehrere Symptome auftreten, treten sie sukzessive, also eines nach den anderen, auf.
  • Es bestehen sogenannte positive Symptome wie Zickzacklinien, Kribbeln, Farbsehen.
  • Nach spätestens einer Stunde folgen diesen Symptomen Kopfschmerzen.

Bei Betroffenen, die ihre Auren kennen, stelle sich die Frage, eine Notaufnahme zu besuchen, aber selten. „Letztlich zwingt eine ausgeprägte Aura die Betroffenen eher dazu, ihre Aktivitäten wie Autofahren zu unterbrechen. Stattdessen muss man warten, bis die Symptome wieder abklingen.“

Um eine Aura leichter zu überstehen, muss der Patient oder die Patientin lernen, mit Migräne-Attacken umzugehen. „Häufig sorgen sich Patienten, es könne eine Hirnerkrankung dahinterstecken oder sich ein Schlaganfall ankündigen“, sagt Charly Gaul. „Die beste Strategie hier ist, sich über die Aura zu informieren.“

Insgesamt ist das Risiko für vaskuläre Erkrankungen wie einen Schlaganfall oder Herzinfarkt leicht erhöht. Die Ursache ist unklar. „Das Risiko besteht jedoch nicht im Moment der Aura selbst“, betont Gaul. „Es ist insgesamt erhöht. Möglicherweise spielen genetische Faktoren eine Rolle.“ Deshalb empfiehlt er einen gesunden Lebensstil, der das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen senkt.

Gibt es Medikamente gegen die Aura?

„Zur akuten Behandlung sind keine Medikamente oder Hausmittel verfügbar“, sagt Charly Gaul. Aber: Es gibt Medikamente, die Patientinnen und Patienten vorbeugend einnehmen können, um die Migränehäufigkeit - und damit auch die der Auren - zu verringern.

Und was ist mit Triptanen - einer Gruppe von Wirkstoffen, die Migräne akut lindern können? Oft heißt es, man solle sie erst nehmen, wenn die Aura abklingt.

„Ursprünglich dachte man, dass sich ihr Wirkmechanismus über eine Gefäßverengung im Gehirn ableitet“, erklärt Gaul. Deswegen steht im Beipackzettel, dass Triptane nicht während der Aura eingenommen werden sollten. „Tatsächlich wirken diese Medikamente jedoch vor allem auf die Ausschüttung von Botenstoffen. Die damit verbundenen Veränderungen der Gefäßweite sind eher eine mittelbare Folge.“

Einige Studien weisen laut Gaul allerdings darauf hin, dass Triptane während der Aura eingenommen möglicherweise nicht optimal auf die Migräneattacke wirken. „Ganz geklärt sind diese Fragen aber nicht.“

Außerdem müsse berücksichtigt werden, dass das Medikament erst aufgenommen werden muss, bevor es seine Wirkung entfaltet. „Und bis dahin ist die Aura häufig bereits vorüber.“ Wann und welche Schmerzmittel im Falle einer Migräne mit oder ohne Aura eingenommen werden sollen, darüber sollte sich jeder und jede Betroffene unbedingt individuell von ihrem oder seinem behandelnden Arzt oder der Ärztin beraten lassen.

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