Migräne-Attacken verhindern
Niedrig dosiert: Antidepressiva
Bestimmte Mittel gegen Depression, sogenannte trizyklische Antidepressiva, werden schon lange zur Vorbeugung von Migräne eingesetzt. „Wir kennen diese Medikamente schon seit Jahrzehnten und wissen, dass sie sehr sicher sind“, sagt Dagny Holle-Lee.
Sie helfen auch bei Schlafstörungen und anderen Schmerzerkrankungen. Der Unterschied zur Therapie von Depressionen: In der Migräne-Prophylaxe werden die Mittel sehr viel niedriger dosiert eingesetzt.
Krampflösend: Antiepileptika
Diese Wirkstoffe kommen aus der Epilepsie-Behandlung. Auch sie werden schon seit Längerem zur Vorbeugung von Migräne verschrieben und sind auch für Menschen mit Herz-Kreislauf- oder Lungenerkrankungen gut verträglich.
Wichtig: Frauen, die Antiepileptika einnehmen, müssen sicher verhüten. Denn während einer Schwangerschaft können die Mittel zu Fehlbildungen beim Ungeborenen führen.
Beruhigend: Betablocker
Die Blutdrucksenker werden hauptsächlich bei Herz- und Kreislauferkrankungen angewandt. Ihre vorbeugende Wirkung bei Migräne war ein Zufallsfund. Unter den Herzmedikamenten kommen außerdem Kalziumantagonisten bei der Migräne-Prophylaxe zum Einsatz.
Nur bei chronischer Migräne: Botox
Das Nervengift Botulinumtoxin (kurz: Botox) wird in die Muskulatur von Stirn, Kopf und Nacken gespritzt und hemmt dort die Schmerzweiterleitung. Zugelassen ist es seit 2011 nur zur Prophylaxe der chronischen Migräne – bei mehr als 15 Kopfschmerztagen im Monat. Die Behandlung muss alle drei Monate wiederholt werden.
Wenn sonst nichts hilft: Antikörpertherapie
Bei einer Migräne-Attacke wird das Eiweiß CGRP in großen Mengen an den Hirnnerven ausgeschüttet. Die Antikörper-Prophylaxe wurde gezielt für diesen Mechanismus entwickelt: Sogenannte monoklonale Antikörper blockieren entweder die Stelle am Hirnnerv, an die das Eiweiß andocken will, oder machen es unschädlich. „So konnte auch bewiesen werden, dass es sich bei Migräne um eine neurologische, keine im Ursprung psychosomatische Erkrankung handelt“, sagt Robert Fleischmann von der Universität Greifswald.
Wie funktioniert diese Prophylaxe?
Antikörper werden im Abstand von vier Wochen unter die Haut gespritzt oder als Infusion verabreicht. Vier verschiedene Wirkstoffe sind derzeit im Einsatz. Ihr Vorteil: Sie wirken gezielt gegen die Migräne, die Abbruchraten unter den Betroffenen sind geringer als bei anderen medikamentösen Prophylaxen.
Aber: Bei bis zu einem Drittel der stark Betroffenen wirken sie nicht ausreichend. Viele Patientinnen und Patienten profitieren zudem von den bewährten Prophylaxen. Die gesetzlichen Kassen übernehmen die Kosten für die teure Antikörper-Therapie nur, wenn Migräne-Betroffene es vorher mit allen anderen Prophylaxen versucht haben.
Was hat sich bei den Antikörpern geändert?
Neuere Studien zeigen, dass Antikörper genauso wirksam und verträglich sind wie bewährte Prophylaxen – oder sogar besser abschneiden können. So ist der Antikörper Erenumab dem Wirkstoff Topiramat, einem Antiepileptikum, überlegen. Das hat eine Bewertung des Gemeinsamen Bundesausschusses gezeigt. Für Patientinnen und Patienten ergibt sich mit Erenumab eine zusätzliche Prophylaxe-Möglichkeit. Ob diese für Sie infrage kommt, kann Ihre Neurologin oder Ihr Neurologe beantworten.
Nichtmedikamentöse Maßnahmen
- Schmerztage verringern mit Sport: Studien zeigen, dass regelmäßiger, moderater Ausdauersport wie Walken, Joggen oder Radfahren die Häufig keit der Schmerztage verringern kann. Daher: Sport genauso wichtig nehmen wie einen Arzttermin oder die medikamentöse Prophylaxe.
- Attacken vorbeugen durch Entspannung: Methoden wie Yoga, Meditation oder Progressive Muskelentspannung können helfen, Attacken zu verhindern.
- Schmerzen kontrollieren mittels Biofeedback: Bei der Biofeedback-Therapie lernen Patienten, Körperfunktionen zu beeinflussen – etwa gezielt Muskeln zu entspannen oder ein durch die Attacke geweitetes Gefäß zu verengen.
Quellen:
- Gemeinsamer Bundesausschuss: Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses über eine Änderung der Arzneimittel-Richtlinie: Anlage XII – Nutzenbewertung von Arzneimitteln mit neuen Wirkstoffen nach § 35a SGB V Erenumab (Neubewertung aufgrund neuer Wissenschaftlicher Erkenntnisse (Migräne-Prophylaxe)). Online: https://www.g-ba.de/... (Abgerufen am 09.12.2022)
- Gemeinsamer Bundesausschuss: Fremanezumab. Online: https://www.g-ba.de/... (Abgerufen am 09.12.2022)
- Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft: Ein PACAP-Rezeptorantikörper zur Prophylaxe der Migräne. In: Online: 04.02.2021, https://doi.org/...
- Diener, Holle-Lee, Gaul: Migräneprophylaxe: Neue Antikörper – wann und wie einsetzen?. Ärzteblatt: https://www.aerzteblatt.de/... (Abgerufen am 09.12.2022)
- Großrau, G. et al: Konsensusstatement der Migräne- und Kopfschmerz- gesellschaften (DMKG, ÖKSG & SKG) zur Therapiedauer der medikamentösen Migräneprophylaxe. In: Online: 23.08.2022, https://doi.org/...
- Overath, C et al: Does an aerobic endurance programme have an influence on information processing in migraineurs?. Online: https://link.springer.com/... (Abgerufen am 09.12.2022)
- Jackson, J et al: Beta-blockers for the prevention of headache in adults, a systematic review and meta-analysis. In: Online: 20.03.2019, https://doi.org/...
- Ruscheweyh, R et al: Therapie der chronischen Migräne mit Botulinumneurotoxin A. In: Online: 08.06.2018, https://doi.org/...