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Ab wann gilt man als langzeitkrank?

Eine genaue Definition, ab wann eine Langzeiterkrankung vorliegt, gibt es nicht. Viele verwenden den Begriff "langzeitkrank“, wenn man länger als sechs Wochen erkrankt ist, da dann die normale Lohnfortzahlung des Arbeitgebers endet.

Wie viele Menschen in Deutschland sind betroffen?

Den Krankenkassen zufolge sind Langzeiterkrankungen relativ selten. Laut dem AOK-Fehlzeitenreport 2022 machten Erkrankungen, die mehr als sechs Wochen andauerten, im Jahr 2021 nur rund fünf Prozent der Fälle von Arbeitsunfähigkeit aus.[1] Gleichzeitig schlagen sie allein aufgrund ihrer Länge ordentlich zu Buche: Insgesamt verursachten sie fast die Hälfte aller Ausfalltage.

Das neue Krankheitsbild Long Covid scheint dabei die Anzahl Betroffener nicht erhöht zu haben. Auf Anfrage der Apotheken Umschau berichtet etwa die Barmer Krankenkasse, dass bei ihr rund 300.000 Menschen pro Jahr Krankengeld im Zuge einer Langzeiterkrankung beziehen. Diese Zahl habe sich in den vergangenen Jahren kaum verändert.

Bei der AOK heißt es auf Nachfrage zwar, die Zahl der abgeschlossenen Krankengeldfälle je 100 krankengeldberechtigte Mitglieder sei von 7,1 im Jahr 2021 auf den vorläufigen Wert von 7,5 im Jahr 2022 gestiegen. Allerdings hätten vor allem psychische Erkrankungen und Erkrankungen des Muskel- und Skelettsystems für längere Ausfallzeiten gesorgt. Die Zahl der Long-Covid-Fälle sei gering, wenngleich mit langen Ausfallzeiten verbunden.

Wie lange zahlt der Arbeitgeber das Gehalt?

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die arbeitsunfähig und ärztlich krankgeschrieben sind, bekommen bis zur Dauer von sechs Wochen ihr volles Nettogehalt weiter ausgezahlt. Vorausgesetzt, das Arbeitsverhältnis besteht seit mindestens vier Wochen.

Wann erhalten Arbeitnehmer Krankengeld?

Dauert eine Krankheit länger als sechs Wochen an, hat die betroffene Person Anspruch auf Krankengeld. „Grundsätzlich bekommt jeder Arbeitnehmer Krankengeld, wenn er gegen Entgelt beschäftigt ist“, erklärt Claudia Raasch-Schulz, Fachreferentin für Krankengeld bei der Barmer Krankenkasse. Dies gelte jedoch nicht, wenn es sich um eine geringfügige Beschäftigung handle. Außerdem braucht es eine ärztliche Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit.[2] Selbst beantragen müssten Erkrankte das Krankengeld übrigens nicht, erklärt Raasch-Schulz. Sobald die Entgeltfortzahlung ende, melde sich die Krankenkasse.

Krankengeld: Was gilt für Selbstständige?

Auch für Selbständige gibt es gesetzlich eine Möglichkeit, Krankengeld zu bekommen. Sie müssen dafür aber aktiv eine Wahlerklärung abgeben. Das erhöht allerdings die Beiträge zur Krankenversicherung. Hat der Betreffende sich entschieden, kann er je nach Krankenkasse verschiedene Tarife wählen. Eine Möglichkeit ist das gesetzliche Krankengeld, das man nach Ablauf von sechs Wochen bekommt.

Wie hoch ist das Krankengeld?

Die Höhe des Krankengeldes richtet sich nach dem Gehalt. Es beträgt 70 Prozent des Bruttoeinkommens, aber maximal 90 Prozent des letzten Nettoeinkommens. Zur Verdeutlichung hier zwei Zahlenbeispiele:

Beispiel 1 (70 Prozent des Bruttoentgelts)

Bruttoentgelt:

4.200 € / 30 Tage

= 140 € x 70%

= 98 €

Nettoentgelt:

3.300 € / 30 Tage

= 110 € x 90%

= 99 €

Tägliches Bruttokrankengeld:

= 98 €

Beispiel 2 (90 Prozent des Nettoentgelts)

Bruttoentgelt:

3.000 € / 30 Tage

= 100 € x 70%

= 70 €

Nettoentgelt:

2.100 € / 30 Tage

= 70 € x 90%

= 63 €

Tägliches Bruttokrankengeld:

= 63 €

Das errechnete Bruttokrankengeld wird jedoch nicht in voller Höhe ausgezahlt. „Davon abgezogen werden noch Beiträge zur Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung“, erklärt Claudia Raasch-Schulz. Krankenversicherungsbeiträge müssen jedoch in der Regel nicht bezahlt werden.[3] Um schnell herauszufinden, wie viel Krankengeld einem genau zusteht, sind zum Beispiel Krankengeldrechner im Internet hilfreich.

Wie lange bekommt man Krankengeld?

Der Anspruch auf Krankengeld besteht so lange, wie der Arzt oder die Ärztin die Arbeitsunfähigkeit bescheinigt. Wichtig: Um durchgängig Krankengeld zu beziehen, muss die ärztliche Bescheinigung lückenlos sein. Es gibt jedoch eine zeitliche Grenze: Das Krankengeld läuft maximal 78 Wochen innerhalb von drei Jahren. Darin berücksichtigt ist bereits die Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber. Nach sechs Wochen Entgeltfortzahlung erhält man also maximal 72 weitere Wochen Krankengeld.[4]

Läuft der Arbeitsvertrag während der Krankengeldzeit weiter?

Ja. “Der Arbeitgeber kann dem Betroffenen nicht einfach kündigen“, erklärt Katharina Lorenz vom Sozialverband Deutschland in Niedersachsen. Bei Menschen mit einer befristeteten Beschäftigung sei die Lage hingegen schwieriger: „Dauert die Erkrankung über diese Frist hinaus an, kann es zu einer Beendigung des Vertrags in diesem Moment kommen“, sagt Lorenz.

Wie sollte man reagieren, wenn die Krankenkasse anruft und sich nach dem Gesundheitszustand erkundigt?

Laut Katharina Lorenz bekommen die Mitglieder ihres Sozialverbands während der Zeit des Krankgengelds häufig Anrufe von ihrer Krankenkasse. Es werde etwa nachgefragt, wie lange man voraussichtlich noch krank sei, ob es einem nicht schon besser gehe und ob sie einem weiterhelfen könnten. Vor allem Menschen, die wegen einer psychischen Störung krankgeschrieben seien, fühlten sich dadurch schnell unter Druck gesetzt, berichtet Lorenz. „Sie glauben dann, möglichst schnell wieder Leistung bringen zu müssen.“

Die Expertin rät in solchen Fällen, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Krankenkassen darauf hinzuweisen, dass man ja noch arbeitsunfähig geschrieben sei, man demnächst wieder beim Arzt vorstellig werde und der Arzt oder die Ärztin die Entscheidung darüber treffe, ob man arbeitsunfähig sei oder nicht. Der Verbraucherzentrale Hamburg zufolge dürfen die Krankenkassen zwar fragen, ob eine Wiederaufnahme der Arbeit absehbar ist und zu welchem Zeitpunkt dies voraussichtlich geschieht. Sie dürfen aber die Betroffenen nicht mehr bitten, ihr Befinden selbst einzuschätzen.[5]

Unter welchen Umständen kann das Krankengeld wegfallen?

Die Krankenkassen können nach Paragraph 51 des Sozialgesetzbuchs Fünftes Buch (SGB V) langzeitkranke Mitgliederinnen und Mitglieder dazu auffordern, einen Antrag auf Rehamaßnahmen oder Rente zu stellen.[6] „Das gilt besonders, wenn jemand schon mehrere Monate erkrankt ist“, sagt Katharina Lorenz. Manchmal meldeten sich die Krankenkassen aber auch schon deutlich früher. „Sie fordern einen dann dazu auf, entsprechende Anträge innerhalb von zehn Wochen zu stellen“, erzählt Lorenz. Komme man dem nicht nach, könne die Krankenkasse die Zahlung des Krankengelds einstellen.

Was kommt nach dem Krankengeld?

Besteht die Erkrankung länger als 78 Wochen, sollte man sich an die Agentur für Arbeit wenden. Und das am besten schon ein paar Monate bevor das Krankengeld ausläuft, rät Stiftung Warentest. In der Regel geben die Krankenkassen ihren Versicherten per Brief Bescheid, dass sie die Zahlung demnächst einstellen. Mit diesem Brief sollten Betroffene zur Arbeitsagentur gehen und einen Antrag auf Arbeitslosengeld stellen. Dabei bleibt das Angestelltenverhältnis auch weiterhin bestehen. Allerdings sei der Wechsel vom Kranken- zum Arbeitslosengeld nicht ganz unkompliziert, schreibt der SoVD Landesverband Schleswig-Holstein. Er empfiehlt daher, sich vorher persönlich etwa bei einem Sozialverband beraten zu lassen. Generell Anspruch auf Arbeitslosengeld haben Menschen, die mindestens zwölf Monate versicherungsungspflichtig angestellt waren.

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Wann greift die Erwerbsminderungsrente?

Wer langfristig krank ist, hat als gesetzlich Rentenversicherter Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente. Um den vollen Betrag zu bekommen, muss man weniger als drei Stunden täglich einer Arbeit nachgehen können. Reichen die Einkünfte bei voller Erwerbsminderung nicht aus, um den Lebensunterhalt zu bestreiten, können die Betroffenen Grundsicherung beantragen. Wichtig: Mit dem Antrag auf Grundsicherung muss man sich an das Sozialamt wenden, nicht an den Träger der gesetzlichen Rentenversicherung.

Wie kann man vorsorgen?

Eine Erwerbsminderungsrente fällt meist nicht besonders üppig aus. Um gar nicht erst in die Lage zu kommen, diese in Anspruch nehmen zu müssen, kann man mit einer privaten Berufsunfähigkeitsversicherung vorsorgen.[7] Diese greift dann, wenn man länger oder dauerhaft aus gesundheitlichen Gründen den zuletzt ausgeübten Beruf nicht mehr zu über 50 Prozent ausüben kann.[8] Ob man eine Berufsunfähigkeitsversicherung abschließen möchte, ist eine individuelle Entscheidung. Je älter man ist, desto höher sind die Beiträge. Ebenso ist der Beitrag erhöht, wenn man einen risikoreichen Beruf ausübt.


Quellen:

  • [1] Wissenschaftliches Institut der AOK: Krankheitsbedingte Fehlzeiten in der deutschen Wirtschaft im Jahr 2021. https://www.wido.de/... (Abgerufen am 11.04.2023)
  • [2] Sozialverband VdK Deutschland: Krankengeld: Die wichtigsten Regeln. https://www.vdk.de/... (Abgerufen am 31.07.2020)
  • [3] Verbraucherzentrale: Krankengeld: Ab wann Sie es bekommen und wie Sie es beantragen. https://www.verbraucherzentrale.de/... (Abgerufen am 11.04.2023)
  • [4] Sozialverband Deutschland Landesverband Schleswig-Holstein: Ausgesteuert – so verhalten Sie sich beim Arbeitsamt richtig. https://www.sovd-sh.de/... (Abgerufen am 11.04.2023)
  • [5] Verbraucherzentrale Hamburg: Krankengeld: Viele Fragen Ihrer Kasse müssen Sie nicht beantworten. https://www.vzhh.de/... (Abgerufen am 11.04.2023)
  • [6] Bundesministerium für Justiz: Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477), § 51 Wegfall des Krankengeldes, Antrag auf Leistungen zur Teilhabe. https://www.gesetze-im-internet.de/... (Abgerufen am 11.04.2023)
  • [7] Stiftung Warentest: Erwerbsminderungsrente: Anspruch, Antrag, Rentenhöhe . https://www.test.de/... (Abgerufen am 11.04.2023)
  • [8] Stiftung Warentest: Berufs­unfähigkeits­versicherung im Vergleich: Existenz absichern – hier finden Sie die beste Police. https://www.test.de/... (Abgerufen am 11.04.2023)