Logo der Apotheken Umschau

Wenn das Kind vor Schmerzen bitterlich weint, Fieber hat und schlechter hört, kann eine Mittelohrentzündung dahinterstecken. Selten ist die akute Otitis media bei Babys und kleinen Kindern nicht – im Gegenteil: Laut dem Berufsverband der Hals-Nasen-Ohren-Ärzte hat hochgerechnet jedes Kind bis zum siebten Lebensjahr mindestens eine Mittel­ohrentzündung. Los geht es oft mit einer Erkältung: Die Erreger gelangen vom Rachen durch die Ohrtrompete in das Mittelohr. Dieser Hohlraum wird Paukenhöhle genannt. Die Schleimhäute schwellen an, Sekret kann nicht mehr abfließen: Die Verbindung zum Rachen ist dicht und auf der anderen Seite verschließt das Trommelfell das Ohr. Erreger können sich sehr schnell vermehren. Bleibt die Ohrtrompete dicht, vermehren sie sich weiter. Die Folge: eine schmerzhafte Mittelohrentzündung.

Bei Kindern passiert das leicht, denn die Verbindung zwischen Rachen und Ohr ist kürzer als bei Erwachsenen und der Winkel dieser Verbindung flacher. Dadurch dringen Keime leichter in das Mittelohr. Außerdem haben Kinder häufiger vergrößerte Rachenmandeln, sogenannte Polypen. Sie können die Ohrtrompete verengen und die Belüftung des Mittel­ohrs behindern. „Nach dem zweiten Lebensjahr nimmt die Häufigkeit von Mittelohr­entzündungen ­etwas ab“, sagt Prof. Dr. Hans-J. Welkoborsky, Chefarzt der HNO-Heilkunde am Kinder- und Jugendkrankenhaus Auf der Bult in Hannover. Mit etwa zwölf Jahren kommen Mittelohr­entzündungen deutlich seltener vor, erklärt der Experte.

Die gute Nachricht für jüngere Kinder: Meist heilt eine Mittelohrentzündung nach zwei, drei Tagen von selbst und ohne Folgen. Zäpfchen oder Saft je nach Alter und Dosierungsanleitung können Schmerzen lindern. „Damit das Sekret ablaufen kann, sollten Eltern abschwellende Nasentropfen geben“, rät der Düsseldorfer Kinder- und Jugendarzt Dr. Hermann Josef Kahl. Auch Kochsalzlösung kann helfen: Etwa fünf- bis siebenmal täglich als Tropfen angewendet, spült es die Nase und verflüssigt den Schleim.

Komplikationen durch Mittelohrentzündung?

Manche Kinder bekommen immer wieder eine Mittelohrentzündung, bei anderen sind gleich beide Ohren betroffen, bei manchen Kindern ist die Mittelohrentzündung eitrig. „Solche Komplikationen sind nicht ganz ungefährlich“, warnt Welkoborsky, der auch ehemaliger Präsident der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-­Ohren-Heilkunde ist. Denn wenn kleine Kinder über einen längeren Zeitraum schlechter hören, kann die Sprachentwicklung leiden. Außerdem kann die Entzündung sich auf andere Bereiche ausbreiten – zum Beispiel auf den Knochen hinter dem Ohr oder die Hirnhaut. Bei einigen der Komplikationen muss operiert werden. Auch der Gleichgewichtssinn und das Hörvermögen können dauerhaft beeinträchtigt werden.

Damit das nicht passiert, behalten Eltern gemeinsam mit Kinder- oder HNO-Ärztin oder -Arzt die Mittelohrentzündung gut im Blick. Ein großes Thema dabei: Antibiotikum – ja oder nein? Grundsätzlich wirken Antibiotika nur bei bakteriell bedingten Mittelohrentzündungen. Ärztinnen und Ärzte können allerdings nicht ­allein durch Schauen unterscheiden, ob Viren oder Bakterien die Entzündung auslösen. „Bei eitrigen oder beidseitigen Mittelohrentzündungen sowie bei hohem Fieber werden in der Regel Antibiotika verschrieben“, so Welkoborsky.

Röhrchen im Ohr

Bleibt nach der Heilung Sekret im Hohlraum des Mittelohrs, ist von einem chronischen Paukenhöhlen­erguss die Rede. Häufig wird dann ein kleiner Schnitt ins Trommelfell gemacht und der Erguss abgesaugt. Wenn das Sekret sehr zäh ist, Kinder immer wieder betroffen sind oder schlecht hören, kommen sogenannte Paukenröhrchen infrage. Dafür wird, ebenfalls über ­einen kleinen Schnitt ins Trommelfell, ein winziges Röhrchen eingesetzt. Der Eingriff erfolgt meist ambulant und unter Vollnarkose. Durch ihn soll das Sekret aus der Paukenhöhle abfließen können und diese wieder belüftet werden.

Die Röhrchen bleiben meist etwa zwischen sechs Wochen und zwölf Monate dort, bis sie abgestoßen werden. Halten sie nicht bis zur Heilung, gibt es Langzeitröhrchen, die operativ wieder entfernt werden müssen. Kinder können in der Regel mit ihren Röhrchen schwimmen. Beim Haarewaschen sollten Eltern darauf achten, dass keine Seife ins Ohr gelangt – das kann Entzündungen begünstigen. Nachteile habe das Kind durch die Röhrchen nicht, sagt Welkoborsky: „Es bleiben in der Regel keine Narben, das Ohr heilt komplett aus.“