Blinddarmentzündung: Wie merkt man, dass der Blinddarm raus muss?
Wie erkennt man eine Blinddarmentzündung?
Morgens hat Moritz noch fröhlich gespielt. Mittags ist der Zweijährige wie ausgewechselt: Er mag nichts essen, ist weinerlich und legt sich freiwillig hin. Seiner Mutter ist das nicht geheuer, sie sucht am selben Tag den Kinderarzt auf. Dem gefällt der Bauch nicht, er vermutet, dass Moritz eine Blinddarmentzündung hat. Daher überweist er ihn an die Klinik für Kinderchirurgie.
Eine Appendizitis, so der Fachausdruck, kann in jedem Alter vorkommen. Am häufigsten tritt sie zwischen dem sechsten und zwölften Lebensjahr auf, mit einer zweiten Spitze in der Pubertät.
Welche Schmerzen sind typisch?
"Auch heute noch kann eine Blinddarmentzündung gefährlich sein, wenn sie zu spät erkannt oder behandelt wird", erklärt Dr. Hermann Josef Kahl vom Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte aus Düsseldorf. Unterschätzen sollten Eltern Bauchschmerzen bei Kindern deshalb nicht, vor allem, wenn noch Symptome wie Fieber, Übelkeit und Erbrechen dazukommen.
Eine Blinddarmentzündung ist oft schwierig zu erkennen. Bei etwa der Hälfte der Betroffenen beginnen die Schmerzen – häufig kolikartig – im Mittelbauch um den Nabel herum und wandern innerhalb von Stunden in den rechten Unterbauch. Beim Umherlaufen oder Husten verschlechtern sie sich. Das Kind kann nur gekrümmt stehen, will auf den Arm oder liegt mit angezogenen Beinen im Bett. Die Bauchdecke fühlt sich prall und gespannt an. Dazu kommen oft Übelkeit, gelegentlich Erbrechen sowie leichtes Fieber.
Blinddarmentzündung bei Kindern erkennen
Dr. Tobias Schuster von der Deutschen Gesellschaft für Kinderchirurgie hat regelmäßig kleine Patienten mit einem perforierten Blinddarm, die noch nicht sprechen und weder Ort noch Art ihrer Schmerzen benennen können. "Eltern sollten lieber einmal mehr als weniger mit ihrem Kind zum Arzt", rät Schuster, der auch Chefarzt der Klinik für Kinderchirurgie am Klinikum Augsburg ist.
Für Bauchschmerzen bei Kindern gibt es viele mögliche Ursachen wie ein Magen-Darm-Infekt, Harnstau, Verstopfung, Hodentorsion oder ein verdrehter Eierstock, Nahrungsmittel-Unverträglichkeiten oder seelische Probleme. Umso wichtiger ist eine gründliche körperliche Untersuchung und die Befragung von Kind und Eltern durch den Arzt. "Je kleiner das Kind, desto schwieriger ist die Beurteilung des Bauches, um eine Appendizitis auszuschließen", sagt Tobias Schuster.
Der Arzt untersucht das Kleine, indem er den Bauch abtastet, eventuell auch einen Ultraschall oder eine Blutanalyse macht. Betroffen ist übrigens nicht der Blinddarm am Übergang vom Dünn- in den Dickdarm, sondern sein etwa fingergroßes Anhängsel, der Wurmfortsatz. Er hat ein blindes Ende, bildet folglich eine Sackgasse. Bleibt zum Beispiel ein Obstkern oder ein verhärtetes Stückchen Stuhl darin hängen, können sich Bakterien festsetzen und eine eitrige Entzündung auslösen.
Wie wird eine Blinddarmentzündung behandelt?
Zeigt sich im Ultraschall, dass die Wand des Wurmfortsatzes verdickt und das Gewebe darum herum geschwollen ist, muss er in der Regel raus. Entschieden wird aber immer im Zusammenhang mit den anderen Symptomen. Oft sind diese aber nicht so eindeutig – und die Ursache bleibt zunächst unklar. Dann wird der kleine Patient erst einmal stationär aufgenommen und mehrere Stunden beobachtet, bevor die Ärzte sich für oder gegen einen Eingriff entscheiden. Die Kunst sei, nicht unnötigerweise zu operieren, ohne eine fortschreitende Appendizitis zu übersehen, sagt Tobias Schuster.
Unter Umständen muss schnell operiert werden, um einen Blinddarmdurchbruch zu vermeiden: Dabei platzt das vereiterte Gewebe, Keime und Stuhl ergießen sich in den Bauchraum, die Entzündung breitet sich dort aus. Das passiert oft bereits 24 bis 48 Stunden nach den ersten Symptomen. Beim Blinddarmdurchbruch lassen die Schmerzen eventuell zuerst nach, kehren aber einige Zeit später schlimmer als zuvor wieder zurück. Der Allgemeinzustand kann sich sichtlich verschlechtern.
Blinddarm-OP: Meist ohne offene Operation
Heute operieren Ärzte schonender als früher. In drei von vier Fällen erfolgt der Eingriff durch eine Schlüsselloch-OP (Laparoskopie). Durch zwei kleine Schnitte in der Bauchdecke kann der Chirurg über dünne Rohre mit speziellen Instrumenten in der Bauchhöhle operieren. Dabei hat das OP-Team mittels einer Kamera über einen dritten Zugang Sicht in das Bauchinnere und auf die Instrumente. Nach 30 bis 60 Minuten ist alles vorbei. Die Kinder können drei bis fünf Tage nach der OP nach Hause gehen. Vorausgesetzt, sie haben kein Fieber, die Wunde verheilt gut und sie haben wieder Appetit und Stuhlgang.
Ob Komplikationen wie Wundheilungsstörungen oder Abszessbildung auftreten, hängt von der Schwere der Entzündung ab. Nur sehr selten muss das Kind noch einmal stationär in die Klinik.