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Ulcus cruris bedeutet übersetzt in etwa Unterschenkel-Geschwür. Der Fachausdruck beschreibt eine schlecht heilende Wunde, meistens im Bereich des Innenknöchels. Umgangssprachlich wird das Ulcus cruris häufig "offenes Bein" genannt.

Offene Beine sind zu etwa 80 Prozent durch eine Venenschwäche bedingt oder zumindest mitbedingt.

Die Ursache der übrigen 20 Prozent sind zur einen Hälfte arterielle Durchblutungsstörungen und zur anderen vielfältige andere Erkrankungen, wie zum Beispiel rheumatische Erkrankungen, Stoffwechselstörungen, Tumoren und Infektionen. Zudem gibt es Mischformen, bei denen sowohl arterielle Durchblutungsstörungen als auch eine Venenschwäche als Ursachen zusammenspielen.

Im Folgenden lesen sie mehr zu Ursachen, Diagnose und Behandlung der häufigen, durch eine Venenschwäche bedingten Form des offenen Beines:

Wer ist von einem Ulcus cruris betroffen?

Nach Untersuchungen der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie ist davon auszugehen, dass bei etwa drei Prozent der erwachsenen Bevölkerung eine relevante Venenschwäche vorhanden ist. Fachausdrücke für diese Erkrankung sind auch "chronisch venöse Insuffizienz" oder "postthrombotisches Syndrom", wenn eine Thrombose vorausging. Bis zu acht Prozent dieser Menschen mit Venenschwäche haben oder hatten schon einmal mit einem offenen Bein zu tun. Besonders häufig ist das Ulcus cruris jenseits des siebzigsten Lebensjahres.

Wie kommt es zu einer Venenschwäche?

Die häufigste Ursache für eine Venenschwäche sind Störungen der Venenklappen. Genaueres dazu lesen sie in den Beiträgen zu Krampfadern und zur Venenschwäche. Die zweite – seltenere – Ursache sind Thrombosen der Beinvenen. Mehr zu Ursachen und Risikofaktoren lesen Sie im Ratgeber Thrombose. Vor allem bei wiederholten Thrombosen kann eine ererbte Thromboseneigung vorliegen.

Warum kann eine Venenschwäche zu offenen Wunden führen?

Normalerweise transportieren die Beinvenen das Blut aus den Beinen Richtung Herz. Bei einer Venenschwäche funktioniert das nicht mehr richtig. Das Blut staut sich in die Beinvenen zurück, so dass die betroffenen Blutgefäße übervoll sind – so ähnlich wie ein elastischer Schlauch, der prall mit Flüssigkeit gefüllt wird.

Dieser ständige Rückstau schädigt vor allem die kleinsten Blutgefäße, die Kapillaren. Folge: Sie können das Gewebe nur noch mangelhaft mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgen beziehungsweise Stoffwechselabbauprodukte nicht mehr ausreichend abtransportieren. Diese Mangelversorgung zeigt sich irgendwann an der Haut – betrifft aber auch das Gewebe darunter.

Haut und Unterhaut werden zunächst unelastisch und empfindlich. Schreitet die Erkrankung fort, geht die Haut an manchen Stellen zugrunde, schließlich entsteht eine offene Wunde. Besonders häufig passiert das oberhalb des Innenknöchels.

Solche bräunlichen Hautveränderungen am Knöchel können einem offenen Bein voraus gehen

Solche bräunlichen Hautveränderungen am Knöchel können einem offenen Bein voraus gehen

Wie entwickeln sich die Symptome?

Die offenen Beine stehen am Ende einer Reihe von Symptomen, die sich allmählich über mehrere Jahre entwickeln.

Die ersten Anzeichen einer Venenschwäche sind häufig schwere, "müde" Beine und Schwellungen der Beine am Ende eines langen Tages.

Mit der Zeit entwickelt sich eine spürbare Verhärtung von Haut und Unterhautfettgewebe. Sie ist ein Zeichen dafür, dass schon bleibende Schäden an diesen Geweben entstanden sind.

Sichtbare Hinweise auf die Erkrankung ist eine verstärkte Pigmentierung der Haut, also braune Flecken in den betroffenen Bereichen (siehe Foto links). Typische spinngewebsartige Gefäßzeichnungen am inneren Fußrand sowie am Innenknöchel (die Corona phlebectatica) sprechen für eine länger bestehende, fortgeschrittene Erkrankung.

Auf dem Boden des geschädigten Gewebes können sich dann, als schwerste Form einer Venenschwäche, geschwürartige und schlecht heilende Wunden entwickeln, die oft sehr schmerzhaft sind.

Wie stellt der Arzt die Diagnose "Ulcus cruris"?

Wichtigste Hinweise für den Arzt sind die Beschwerden des Patienten und das Aussehen des betroffenen Beines.

Der Arzt fragt nach einem bekannten Venenleiden und ob zusätzliche Erkrankungen, wie eine Zuckerkrankheit oder eine Herzschwäche bestehen, die ebenfalls schlecht heilende Wunden an den Beinen begünstigen können. Ebenso wird er nach bekannten Hauterkrankungen oder rheumatischen Erkrankungen fragen. Insbesondere Allergien auf Salben oder Pflaster können zu Beschwerden führen oder zumindest dazu beitragen.

Entscheidend für die Diagnose sind dann verschiedene technische Untersuchungen. Sie dienen dazu, sowohl die Funktion der Schlagadern (Arterien) als auch der Venen des betroffenen Beines zu beurteilen. Meistens sind in erster Linie schlecht funktionierende Venenklappen für die Erkrankung verantwortlich. Es gibt aber auch Mischformen von Venenschwäche und "Arterienverkalkung" (Arteriosklerose), die dann unter Umständen eine andere Behandlung erfordern.

Wichtigstes Verfahren ist ein Ultraschall der Blutgefäße. Damit kann der Arzt die Struktur der Gefäße und den Blutfluss darin beurteilen (Farbdoppler-Sonografie). Manchmal sind auch Röntgenuntersuchungen der Venen mit Kontrastmittel (Phlebografie) erforderlich. Bei entsprechenden Verdachtsmomenten ist es sinnvoll, mit Hilfe einer Blutuntersuchung nach ererbten Formen einer Thromoboseneigung zu suchen.

Vor allem dann, wenn ein Geschwür lange besteht und länger als drei Monate nach Beginn einer angemessenen Behandlung keine Zeichen einer Abheilung zu erkennen sind, wird der Arzt eine Gewebeprobe veranlassen. Sie ist wichtig, um andere, seltenere Ursachen eines Geschwürs wie zum Beispiel ein Tumorleiden zu erkennen. Außerdem wird der Arzt weitere Spezialisten aus anderen Fachbereichen, wie zum Beispiel Hautärzte oder Rheumatologen mit zu Rate ziehen, wenn ein Geschwür nicht auf eine angemessene Behandlung anspricht.

Basisbehandlung bei einer Venenschwäche: Kompressionsstrümpfe

Basisbehandlung bei einer Venenschwäche: Kompressionsstrümpfe

Behandlung eines Ulcus cruris

Die wichtigste Behandlung bei einem Ulcus cruris auf dem Boden einer Venenschwäche ist die Kompressionstherapie mit Bandagen oder mit medizinischen Kompressionsstrümpfen. Die zweite wichtige Säule ist Bewegung. Das bedeutet zumindest regelmäßiges Gehen. Beim Gehen "pumpen" die Wadenmuskeln das Blut sozusagen aus den Beinen nach oben in Richtung Herz. Kompressionsbehandlung und Muskelarbeit können also wirksam die Ursache der Erkrankung, nämlich das "zu viel an Blut in den Beinen" beheben. Unter dieser Behandlung kann ein Ulcus abheilen. Außerdem sinkt unter dieser Therapie das Risiko für ein Wiederauftreten.

In manchen Fällen ist eine Kompressionsbehandlung allerdings nicht geeignet: So kann sie zum Beispiel bei einer fortgeschrittenen Arteriosklerose der Beingefäße oder einer entgleisten Herzschwäche unter Umständen schädlich sein. Der Arzt wird dann die Vorteile und die Nachteile der Behandlung sorgfältig abwägen, um das bestmögliche Ergebnis zu erreichen.

Wirkt eine normale Kompressionsbehandlung nicht ausreichend, ist eventuell eine intensivere Therapie, eine sogenannte intermittierende pneumatische Kompression nötig. Dabei werden die Beine des Patienten in spezielle Manschetten gelegt. Diese werden mit Hilfe einer Maschine wie ein Luftballon aufgeblasen und wieder abgelassen. Bei sehr starken Schwellungen kann auch eine Lymphdrainage helfen.

Zusätzlich zur Kompressionsbehandlung kann es nötig sein, bestimmte Venen, die einen besonders starken Rückstau des Blutes verursachen, zu entfernen (Stripping), mit Laserstrahlen oder Radiowellen zu verschließen oder mit Hilfe bestimmter Wirkstoffe vor Ort zu veröden.

Behandlung mit Medikamenten

Wichtig ist eine angemessene Schmerzbehandlung. Dann fällt es den Betroffenen meist auch leichter, mehr Bewegung in den Alltag einzubauen, zum Beispiel häufiger spazieren zu gehen.

Unter Umständen ist eine begleitende Blutverdünnung notwendig, zum Beispiel dann, wenn wiederholte Thrombosen die Ursache der Venenschwäche sind oder eine bekannte Thromboseneigung besteht.

Hormonpräparate wie zum Beispiel die Pille können das Risiko für ein Blutgerinnsel erhöhen und dadurch zum Fortschreiten der Erkrankung beitragen. Patienten lassen sich daher am besten vom Arzt beraten, ob es im individuellen Fall Alternativen dazu gibt.

Wie sieht die Wundbehandlung aus?

Wichtig: Ein Ulcus cruris muss unbedingt fachgerecht behandelt werden. Auf keinen Fall sollten Betroffene in Eigenregie irgendwelche Cremes oder Salben ausprobieren. Das könnte die Heilung verzögern oder sogar schaden – unter anderem, weil enthaltene Zusatzstoffe oder Farbstoffe Unverträglichkeiten oder allergische Reaktionen auslösen können.

Wie die Wunde versorgt werden muss, sollte deshalb genau mit dem Arzt abgespochen werden. Offene Wunden müssen regelmäßig gereinigt werden, zum Beispiel mit sterlier Kochsalzlösung. Abgestorbenes Gewebe und Beläge entfernt in der Regel der Arzt, wenn er die Wunde kontrolliert. Zink-Paste schützt die Umgebung des Geschwürs davor, dass sie mit angegriffen wird.

Bestimmte, sogenannte "hydroaktive" Wundauflagen zeichnen sich dadurch aus, dass sie nicht eintrocknen und mit einer offenen Wunde verkleben können. Sie sind für die Behandlung von großflächigen oder nässenden Wunden besser geeignet als normale Kompressen und Verbände. Beispiele sind Hydrokolloide, Alginate, Hydrogele oder Polyurethanschaum. Experten halten alle diese Verbandsmittel für gleich gut geeignet. Der Arzt wird bei der Auswahl beraten.

Grundsätzlich gilt die Empfehlung, die Verbände so selten wie möglich zu wechseln. Wie oft das ist und in welchen Abständen der Arzt die Wunde kontrollieren möchte entscheidet er abhängig von der Situation des Einzelnen.

Es ist nicht notwendig, das betroffene Bein ruhig zu stellen. Im Gegenteil, regelmäßige moderate Bewegung fördert die Wundheilung.

Hartnäckige Geschwüre, die trotz optimaler Behandlung nicht abheilen, muss unter Umständen ein Chirurg in einer Operation ausschneiden und mit einer Hautverpflanzung bedecken. Dieses Verfahren heißt Shave-OP.

Spezialisierte Wundzentren helfen Betroffenen und pflegenden Angehörigen

In vielen deutschen Städten gibt es mittlerweile spezialisierte Wundzentren, in denen Ärzte aus verschiedenen Fachbereichen zusammen mit spezialisierten Pflegekräften Menschen mit chronischen Wunden betreuen. Unter anderem bieten sie auch Informationen und Schulungen für Patienten und pflegende Angehörige an.

Beratender Experte: Dr. med. Norbert Frings

Beratender Experte: Dr. med. Norbert Frings

Beratender Experte: Dr. med. Norbert Frings

Dr. med. Norbert Frings leitet seit 1988 als Chefarzt und Ärztlicher  Direktor die Capio Mosel-Eifel-Klinik, Fachklinik für Venenerkrankungen,  Bad Bertrich. Er ist Chirurg, Gefäßchirurg und Phlebologe. Dr. Frings  fungiert als Wissenschaftlicher Berater der Deutschen Venen-Liga,  Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie, der Deutschen  Gesellschaft für Gefäßchirurgie und der Deutschen Gesellschaft für  Phlebologie. Außerdem ist Dr. Frings Chairman der Internationalen  Saphenofemoral Recurrence Research Group (SRRG) zur Erforschung des  Krampfader-Rezidivs sowie Wissenschaftlicher Beirat im Internationalen  Forum für Minichirurgie. 2010 erhielt Dr. Frings die Verdienstmedaille  des Landes Rheinland-Pfalz.

Quellen:

Diagnostik und Therapie des Ulcus cruris venosum, Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie, AWMF Register-Nummer 037/009, Stand August 2008, Gültigkeit abgelaufen, Leitlinie wird derzeit überprüft. Online: http://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/037-009.html (Abgerufen am 28.03.2014)

Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Gefäßchirurgie zur Diagnostik und Therapie des postthrombotischen Syndroms (einschließlich Ulcus cruris), Gültigkeit abgelaufen, Leitlinie wird derzeit überprüft. Online: www.gefaesschirurgie.de/fileadmin/websites/dgg/download/LL_Postthrombotisches-Syndrom_2011_01.pdf (Abgerufen am 28.03.014)

Salzmann G. Ulcus cruris in: Noppeney T, Nüllen H. Varikose – Diagnostik - Therapie - Begutachtung. Heidelberg: Springer, 2010

Rabe E, Pannier-Fischer E, Bromen K Et al., Bonner Venenstudie der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie, Phlebologie 2003; 32: 1-14, online: http://www.eurocom-info.de/fileadmin/user_upload/Dokumente_eurocom/pdf_Dokumente_eurocom/Bonner_Venenstudie.pdf, abgerufen am 28.03.2014

Hach W. Spezielle Syndrome in: Hach W, Mumme A, Hach-Wunderle. Venenchirurgie Operative, interventionelle und konservative Aspekte, Stuttgart, New York, Schattauer 2013

Wichtiger Hinweis:

Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder –behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen. Die Beantwortung individueller Fragen durch unsere Experten ist leider nicht möglich.