Ersatz für kaputte Zellen

Beta-Zellen in der Bauchspeicheldrüse produzieren das blutzuckersenkende Hormon Insulin. Menschen mit Typ-1-Diabetes haben wenige oder keine dieser lebenswichtigen insulinbildenden Zellen mehr. Neue wissenschaftliche Methoden bringen Hoffnung.
© Science Photo Library/Alvin Telser
Egal wie viel Mühe sie sich geben: Bei manchen Menschen mit Diabetes Typ 1 schwankt der Blutzucker extrem. Dazu gehören jene, die keine insulinproduzierenden Zellen mehr haben. Sie müssen ihre Insulinzufuhr komplett selbst steuern. Menschen mit Diabetes-Typ-1, denen ein paar Zellen geblieben sind, haben stabilere Werte. Zwar gibt es heute Pumpen, die mit einem Glukosesensor kommunizieren und die Insulindosis halbautomatisch an den Bedarf anpassen. Doch keine Therapie kann den Blutzucker so präzise regeln wie der Körper. Forscher suchen daher nach Möglichkeiten, die insulinproduzierenden Zellen zu ersetzen. Oder wenigstens einen Teil davon. „Gelänge dies, ließen sich starke Zuckerschwankungen vermeiden und Folgeschäden ausbremsen“, sagt Dr. Barbara Ludwig vom Klinikum Carl Gustav Carus der technischen Uni Dresden.
Die Inselzell-Transplantation
Eine Methode, mit der das bereits funktioniert, gibt es schon länger: die Inselzell-Transplantation. Dabei erhalten die Empfänger Inselzellen aus Bauchspeicheldrüsen verstorbener Organspender. Inselzellen produzieren je nach Typ Insulin oder dessen Gegenspieler Glukagon. Spenderorgane sind rar. Die Empfänger brauchen lebenslang Medikamente, die verhindern, dass das Immunsystem die Zellen zerstört. Solche Immunsuppressiva können starke Nebenwirkungen haben. Beides Gründe, weshalb weltweit nur wenige tausend Menschen so behandelt wurden. „Das Verfahren kommt nur für ausgewählte Patienten infrage, die etwa immer wieder lebensbedrohlich unterzuckern“, sagt Ludwig.
Implantante, die Insulin produzieren
Die Forscherin arbeitet mit ihrem Team seit einigen Jahren an einer Alternative zur Inselzell-Transplantation. Dabei werden Inselzellen von Schweinen in einen kleinen Behälter gepackt und auf das Bauchfell gepflanzt. Durch die Verpackung der Zellen brauchen die Patienten keine Immunsuppressiva. Schweinezellen gibt es genügend. Bislang wurde der Behälter nur an diabetischen Affen getestet. Deren Insulinbedarf halbierte sich und der Blutzucker normalisierte sich. „Schon länger wollen wir mit Studien an Menschen starten, doch die Corona-Pandemie verzögert derzeit den Beginn“, sagt Ludwig.
Zellen aus Stammzellen
Andere Forscher setzen bei der Therapie des Typ-1-Diabetes auf Stammzellen. Daraus entwickeln sich alle Zellen des Körpers. „Stammzellen lassen sich im Labor etwa in Inselzellen umwandeln“, sagt Professor Heiko Lickert vom Institut für Diabetes- und Regenerationsforschung am Helmholtz Zentrum München. Hoffnung machen Ende 2021 veröffentlichte Studiendaten: Forscher in den USA und Kanada haben aus Stammzellen hergestellte Zellen der Bauchspeicheldrüse in Kapseln verpackt und 32 Typ-1-Diabetikern unter die Haut gesetzt. Im Körper produzierten die Zellen blutzuckerabhängig Insulin. Bei manchen Patienten so viel, dass sie weniger Insulin spritzen mussten.
Inselzellen per Infusion in die Leber
Sensationelles berichtete ebenfalls Ende 2021 eine US-Firma: Ein 64-Jähriger mit Typ-1-Diabetes erhielt aus Stammzellen gewonnene Inselzellen per Infusion in die Leber. Nach 90 Tagen produzierten die Zellen so viel Insulin, dass der Mann statt 34 nur noch 2,9 Einheiten pro Tag spritzen musste. Seine unkontrollierbaren Zuckerwerte normalisierten sich. „Unklar ist, was auf Dauer mit den Zellen im Körper passiert“, sagt Lickert. Bei beiden Verfahren brauchen die Empfänger Immunsuppressiva. Die Forscher testen auch Kapseln, die Immunzellen abhalten. Und gentechnisch veränderte Inselzellen, die das Immunsystem nicht angreift. In Entwicklung sind zudem Therapien, welche die Zerstörung der insulinproduzierenden Zellen von Anfang an verhindern oder ausbremsen sollen. Und vielleicht kommt er ja irgendwann: der Tag, an dem Typ-1-Diabetes geheilt werden kann.