Logo der Apotheken Umschau

Frau Küstner, Sie haben lange Menschen gecoacht, die kürzlich die Diagnose Diabetes bekommen haben. Wie erleben Patientinnen und Patienten diese Zeit?

Das hängt stark davon ab, ob sie Typ 1 oder Typ 2 haben. Bei Typ 2 ist es oft eine Zufallsdiagnose ohne große Beschwerden im Vorfeld. Menschen mit Typ 1 geht es vor der Diagnose häufig gesundheitlich schlecht. Wenn sie dann Insulin bekommen, geht es ihnen zwar schnell besser. Doch die Krankheit verlangt lebenslange Aufmerksamkeit. Das zu verarbeiten ist nicht immer einfach.

Das kann sicher einschüchtern, oder?

Natürlich. Jeder, der eine Diabetes-Neudiagnose bekommt, darf traurig oder erschrocken sein. Das ist verständlich und gehört zur Bewältigung dazu. Aber aus dem Schreck entsteht oft Motivation. Weil man Angst hat, wird einem deutlich, dass man sich in Zukunft besser um seine Gesundheit kümmern muss. Menschen mit Typ 1 brauchen nach der Diagnose daher ganz viel Aufmerksamkeit und Zeit, sich mit der Krankheit auseinanderzusetzen. Sie müssen viel lernen und haben viele Fragen. Bei Typ 2 sind die Herausforderungen anders. Hier kommen oft Blutdruck- und Fettstoffwechselstörungen dazu. Die Patienten müssen mit mehreren Baustellen umgehen lernen. Und das ist gar nicht so leicht.

Eva Küstner ist Fachpsychologin für Diabetes in Gau-Bischofsheim.

Eva Küstner ist Fachpsychologin für Diabetes in Gau-Bischofsheim.

Wer hilft nach der Diagnose?

Wichtig ist das Team in einer Diabetes-Klinik oder -Praxis, gerade bei Typ 1. Ganz wichtig sind auch Angehörige und Freunde. Der Vater, der seiner Tochter vermittelt: „Wir schaffen das.“ Oder der Ehemann, der seine Frau motiviert. Das ist eine enorme Erleichterung. Vielen Patientinnen und Patienten hilft es auch, mit Freunden über die Diagnose, die eigenen Ängste und Sorgen sprechen zu können.

Welche Rolle spielen Schuldgefühle nach der Diagnose?

Gerade bei Menschen mit Typ-2-Diabetes erlebe ich sie sehr häufig. Das wird oft sogar durch Ärzte verstärkt mit Aussagen wie: „Jetzt müssen Sie aber wirklich abnehmen!“ Die Patienten müssen unterstützt werden. Alle wissen, dass es schwerfällt abzunehmen und dass es Zeit braucht, die eigenen Gewohnheiten langsam zu verändern. Ganz wichtig ist die Diabetesberaterin, die auf persönliche Fragen eingeht und für Sorgen ansprechbar ist.

Wie lange dauert es, bis Patientinnen und Patienten Routinen im Umgang mit der Erkrankung entwickeln?

Menschen mit Diabetes brauchen etwa zwölf Monate. Sie haben dann einen Jahreszyklus mit der eigenen Diabeteserkrankung mitgemacht. Da ist Weihnachten mit viel Süßigkeiten und deftigem Essen. Dann stehen Geburtstagseinladungen an, der Urlaub und viele andere Situationen, in denen Menschen mit Diabetes ein wenig Übung brauchen, wie sie diese Situationen am besten meistern.

Lesen Sie auch: