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Was ist das Argument der Hersteller?

LED-Bildschirme sind heutzutage allgegenwärtig: Viele Menschen sitzen bei ihrer Arbeit den ganzen Tag vor einem Computer. Und auch in der Freizeit starren sie gebannt auf den Bildschirm von Smartphones, Laptops und Tablets. Das mache die Augen müde, schade sogar der Netzhaut und bringe den Schlaf durcheinander. So heißt es immer wieder von Seiten der Brillenindustrie. Schuld daran sei der Anteil an energiereichem blauem Licht, der von den digitalen Bildschirmen ausgesendet wird. Und Brillenhersteller warten auch gleich mit einer Lösung auf: Brillen mit Blaulichtfilter.

Was sollen Brillen mit Blaulichtfilter bringen?

Wie der Name schon nahelegt, reduzieren sie den Anteil von blauem Licht. Auf diesem Weg sollen sie für entspanntere Augen, einem Schutz der Netzhaut und einen besseren Schlaf sorgen. Den Blaulichtfilter kann man in verschiedenen Varianten kaufen: als Zusatz für reguläre Brillengläser oder ohne Korrektur der Sehstärke als spezielle Filter-Brillen.

Die Blaulichtfilter reduzieren unterschiedlich stark blaues Licht. "Manche haben eine Beschichtung, die die Anteile an Blaulicht vom Auge weg reflektieren“, sagt Josefine Dolata, Dozentin im Fachgebiet Augenoptik/Optometrie an der Ernst-Abbe-Hochschule Jena. „Diese Brillengläser reduzieren nur zehn bis 20 Prozent des Blaulichts.“ Andere Gläser wirken kombiniert über Filter und Beschichtung und reduzieren den Blaulichtanteil immerhin um 40 Prozent. Doch was bringen die speziellen Brillen wirklich für die Gesundheit der Augen und für einen guten Schlummer?

Macht Bildschirm-Blaulicht die Augen wirklich müde?

Zunächst einmal: Zwar bekommen Nutzer durch das künstliche Licht der digitalen Bildschirme eine zusätzliche Dosis an Blaulicht ab. Doch im Normalfall macht das nur einen Bruchteil dessen aus, was über natürliches Tageslicht in die Augen dringt. Insofern ist eine schädliche Wirkung wissenschaftlich umstritten.

In einer kürzlich veröffentlichten Untersuchung machte der renommierte Forschungsverbund Cochrane den Faktencheck. Die beteiligten Forscher werteten dafür diverse Studien zu dem Thema aus. Die Ergebnisse fielen ernüchternd aus. Zumindest kurzfristig verringerten Brillengläser mit Blaulichtfilter bei der Nutzung von Bildschirmen offenbar nicht die Ermüdung der Augen.

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„Es gibt zwar einzelne Patienten mit trockenen Augen in meiner Praxis, die sich mit solchen Brillen etwas wohler fühlen“, sagt die Berliner Augenärztin Andrea Lietz-Partzsch. Bisher gebe es aber kaum eindeutige Belege, dass sie vor einer Ermüdung der Augen schützten, bestätigt die Augenärztin.

Warum ist lange Bildschirmarbeit für die Augen belastend?

Grundsätzlich ist es zwar eine Belastung für die Augen, wenn man viel Zeit vor dem Bildschirm verbringt. Das liegt aber nicht am blauen Licht. Das Starren auf Displays sorgt vielmehr dafür, dass man weniger blinzelt und die Augen dadurch austrocknen.

Um der Ermüdung der Augen etwa bei der Bildschirmarbeit vorzubeugen, sollte man daher immer wieder zwischendurch blinzeln und die Augen immer mal wieder aus dem Fenster in die Ferne richten. Das entlastetet die Augen. Außerdem sollte man einen guten Bildschirm sowie den richtigen Abstand zum Bildschirm haben. Besonders wenn man bereits leseweitsichtig ist, sei es wichtig, die richtige Brille mit der richtigen Stärke zu haben, sagt Andrea Lietz-Partzsch. „Das kann beispielsweise eine Gleitsichtbrille sein oder eine Computerbrille.“ Wenn die Stärke falsch sei, könnten die Augen schneller ermüden, es könne sogar zur Nackenschmerzen und Kopfschmerzen führen.

Schützen Brillen mit Blaulichtfiltern wirklich die Netzhaut?

Es gibt also bessere Möglichkeiten, um die Augen vor Ermüdung zu bewahren als Blaulichtfilter-Brillen. Doch wie sieht es mit der Schutzwirkung auf die Netzhaut aus? Auch hier machte die Cochrane-Studie den Faktencheck. Die Forscher konnten allerdings auf Grund der derzeit dürftigen Datenlage keine Schutzwirkung der speziellen Brillen für die Netzhaut belegen. Diese ist vermutlich auch gar nicht nötig. „Bei den digitalen Endgeräten gibt es verschiedene Folien und Filter über den Leuchtdioden“, erklärt Josefine Dolata. Dadurch sei am Ende die Strahlendichte so gering, dass eher keine Gefahr von diesen Geräten für die Netzhaut ausgehe.

Helfen Brillen mit Blaulicht-Filter, dass man besser schläft?

Bleibt noch das Thema Schlafqualität. Können die Brillen mit Blaulichtfilter wenigstens den nächtlichen Schlummer verbessern? Die Idee dahinter: Künstliches blaues Licht von den LED-Bildschirmen hemmt die Ausschüttung des Schlafhormons Melatonin und kann damit den Schlaf stören. Die Brillen wiederum sollen diese unerwünschte Nebenwirkung von künstlichem blauem Licht unterbinden. So zumindest das Versprechen. Doch auch hier fehlen derzeit echte Belege, so die Cochrane-Studie.

Josefine Dolata geht dennoch von einer gewissen Schutzwirkung aus. „Wir nutzen Geräte wie Smartphones ja häufig auch abends.“ Und das könne den Schlaf durcheinanderbringen. Auch nur kurz Blaulicht ausgesetzt zu sein, könne die Pulsrate erhöhen und den Körper auf Wachsein einstellen. „Deshalb finde ich in Abendstunden Brillen mit Blaulichtfilter durchaus sinnvoll.“ Statt eine solche Brille zu kaufen, könne man aber auch die Einstellungen an dem jeweiligen elektronischen Gerät ändern, beispielsweise den Nachtmodus einstellen oder die Helligkeit herunterfahren.

Fazit: Was bedeutet das für mich?

Gründe, bei der nächsten Brille auf einen Blaulichtfilter zu achten, gibt es aus wissenschaftlicher Sicht kaum. Die Cochrane-Forschenden betonen jedoch, dass die bisherigen Studien keine Langzeitwirkungen untersucht haben.