Welche Impfungen für Eltern wichtig sind
Können Sie sich erinnern, wann Sie das letzte Mal Ihren Impfpass in der Hand hielten? Oder geht es Ihnen wie den Männern und Frauen in der Werbekampagne "Deutschland sucht den Impfpass"? Dann haben Sie gar keine Ahnung, wo Sie das kleine gelbe Heftchen überhaupt aufbewahren, und liegen damit im Trend. Einem zweifelhaften jedoch. "Die Impflücken bei den Erwachsenen hierzulande sind groß", sagt Susanne Glasmacher, Biologin und Pressesprecherin des Robert Koch-Instituts (RKI) in Berlin. Für den niedergelassenen Allgemeinarzt Dr. med. Dietmar Reinartz in Haigerloch sind die Gründe dafür naheliegend: "Erwachsene in dem Alter sind sehr beschäftigt mit Beruf und Familie und gehen in der Regel selten zum Arzt."

Susanne Glasmacher ist Pressesprecherin des Robert Koch-Instituts (RKI) in Berlin
© /Robert-Koch-Institut
Viele Kinderkrankheiten auch für Erwachsene gefährlich
Dabei lohnt sich der Blick in den Impfpass. Denn Kinderkrankheiten wie Masern oder Röteln sowie Krankheiten wie Keuchhusten (Pertussis) können auch Erwachsenen gefährlich werden. Die Erreger der Krankheiten sind hoch ansteckend, vor allem die Masern lösen teilweise schwere und lebensbedrohende Verläufe aus. Immer wenn Epidemien auftreten, stecken sich daher auch Erwachsene an, die nicht oder unzureichend geimpft sind. "Meldedaten zeigen, dass in den letzten Jahren zunehmend Erwachsene an Masern erkrankt sind", sagt Glasmacher. Daher empfiehlt die Ständige Impfkommission für alle nach 1970 Geborenen, die Masern-Impfung nachzuholen, wenn keine oder nur eine Impfung im Impfausweis vermerkt ist.
Im Jahr 2017 registrierte das Robert Koch-Institut (RKI) zudem 25.580 Fälle von Keuchhusten. Das sind mit Abstand die meisten seit dem Beginn der bundesweiten Meldepflicht im Jahr 2013. Damals waren es rund 12.600 Patienten pro Jahr, 2018 rund 20.000. In den ostdeutschen Bundesländern ist Keuchhusten seit 2001 meldepflichtig. "Die längerfristige Auswertung zeigt, dass es offenbar alle paar Jahre eine Häufung von Keuchhustenfällen gibt", sagt Glasmacher "Langfristig gesehen gibt es aber keinen Trend nach oben."

Dr. Dietmar Reinartz ist niedergelassener Allgemeinmediziner in Haigerloch
© W&B/Thomas Rathay
Ungeimpfte Eltern gefährden ihre Babys
Das Beispiel Keuchhusten zeigt, welche Folgen ein unzureichender Impfschutz von Erwachsenen haben kann. Ungeimpfte riskieren nicht nur, womöglich Wochen oder gar Monate krank zu sein, sondern gefährden auch Babys. Eltern können die Krankheit zum Beispiel auf ihr Kleines übertragen. Denn die Jüngsten haben bis zu einem Alter von sechs Monaten keine ausreichende eigene Immunkompetenz. "Für Säuglinge kann eine Infektion mit den Pertussis-Erregern tödlich werden, denn die starken Hustenattacken können bei ihnen leicht zu einem Erstickungsanfall führen", erklärt Mediziner Reinartz. Schätzungen gehen davon aus, dass sich etwa ein Drittel bis die Hälfte aller Säuglinge, die Keuchhusten bekommen, bei Mutter, Vater, Oma, Opa, Tante oder Onkel angesteckt hat. Diese bemerken oft gar nicht, dass sie selbst Keuchhusten haben, denn nicht immer bricht die Krankheit erkennbar aus und wird leicht mit einem hartnäckigen Husten verwechselt. 2016 starben in Deutschland drei Babys an der Infektion – das sind untypisch viele.
Die Ständige Impfkommission am RKI empfiehlt deshalb seit Mai 2020 die Impfung in den letzten drei Monaten der Schwangerschaft. Sie kann vorgezogen werden, wenn es Hinweise auf eine mögliche Frühgeburt gibt. Die Impfung soll auf jeden Fall und in jeder Schwangerschaft durchgeführt werden, auch wenn die Schwangere bereits vorher geimpft wurde. Schon seit 2009 gilt eine Empfehlung für alle Erwachsenen, sich bei der nächsten Tetanus- und Diphtherie-Auffrischung auch gegen Pertussis impfen zu lassen.
Diese Impfungen sollten Eltern haben:
– Tetanus (Wundstarrkrampf) und Diphtherie: alle zehn Jahre auffrischen lassen
– Pertussis (Keuchhusten): bei der nächsten Auffrischung von Tetanus und Diphtherie mitimpfen lassen
– Masern: einmalige Impfung aller nach 1970 Geborenen, die entweder einen unklaren Impfstatus haben oder als Kind nur einmal geimpft wurden
– Poliomyelitis (Kinderlähmung): einmalige Impfung für alle nicht beziehungsweise unvollständig Geimpften
– Röteln: Frauen mit Kinderwunsch, die nicht geimpft sind
– Windpocken: Frauen mit Kinderwunsch, die nicht immun sind
Impfstatus regelmäßig überprüfen
Doch weshalb braucht es überhaupt eine Auffrischung? "Die Antikörper, die der Körper nach einer Impfung bildet, bleiben nur im Immungedächtnis, wenn die Krankheitserreger über einen gewissen Zeitraum präsentiert werden", erklärt Reinartz. Da dieses Gedächtnis bei vielen Erkrankungen mit den Jahren nachlässt, braucht es immer wieder eine Erinnerung, also eine Auffrischungsimpfung. Alle zehn Jahre sollten Erwachsene daher ihren Impfstatus überprüfen. Manchmal machen neue Lebensumstände wie etwa eine chronische Krankheit, ein Jobwechsel, zum Beispiel in einen Erziehungs- oder Pflegeberuf, oder Kinderwunsch einen früheren Check nötig. "Sprechen Sie Ihren Hausarzt gezielt darauf an", empfiehlt Susanne Glasmacher.
Wichtigstes Dokument dabei ist der Impfausweis. In ihm werden die vorgenommenen Impfungen eingetragen und können so vom behandelnden Arzt nachvollzogen werden. "Wer sein Impfbuch nicht mehr findet und bei früheren Ärzten keine näheren Informationen über erfolgte Impfungen bekommen kann, gilt als nicht geimpft", erklärt die RKI-Mitarbeiterin. Mediziner empfehlen dann, alle relevanten Impfungen nachzuholen. Von einer sogenannten Titerbestimmung, bei der im Blut die Menge der Antikörper gegen die Krankheiten geprüft wird, raten sie ab. Sie gilt nicht immer als aussagekräftig. Und sie kostet zwischen 30 und 40 Euro, die der Patient aus eigener Tasche bezahlen muss. Die beiden Experten sind sich einig: "Lieber einmal zu viel als einmal zu wenig impfen." Ein Überimpfen sei meist nicht möglich, da der Körper zusätzliche Impfdosen in der Regel einfach abbaut. Die Krankenkassen bezahlen alle von der Ständigen Impfkommission empfohlenen Impfungen.
Keine Angst vor Impfreaktion: Impfstoffe sind gut verträglich
Die Angst vor einer Impfreaktion ist in den Augen des Mediziners unbegründet. "Eine Reaktion des Körpers ist erwünscht, er soll ja Antikörper bilden. Jede Impfung kann daher leichtes Fieber, Abgeschlagenheit sowie Kopf- oder Gliederschmerzen zur Folge haben", erklärt Dietmar Reinartz. Manchmal rötet sich die Einstichstelle oder schwillt etwas an – eine harmlose Reaktion, die meist schnell vorübergeht. "Moderne Impfstoffe sind gut verträglich, was in Studien getestet und regelmäßig überwacht wird", betont auch Susanne Glasmacher. Schwere Nebenwirkungen oder allergische Reaktionen auf Bestandteile der Impfstoffe kommen sehr selten vor. Das Risiko eines schweren Krankheitsverlaufes, zum Beispiel bei einer Maserninfektion, ist deutlich höher. "Impfungen sind ein medizinischer Fortschritt", sagt Reinartz. Den kann man für sich nutzen.