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Ich freue mich heute, einen außergewöhnlichen Gast begrüßen zu dürfen. Für Ihren Job brauchen Sie bestimmt eine dicke Haut.

Was wollen Sie damit sagen?

Wie soll ich es ausdrücken? Sie sind ja schon in sehr intimen Momenten zugegen. Und das als nicht ganz unbeteiligter Dritter. Das
ist sicher keine einfache Aufgabe.

Man versicherte mir, dass es in diesem Interview um Medizinisches gehen soll. Und jetzt wollen Sie doch nur wieder auf das eine hinaus. Ich könnte fast platzen – vor Wut. Nicht das, was Sie schon wieder denken. Vielleicht sollten wir unser Gespräch an dieser Stelle beenden.

Bitte nicht! Ich weiß natürlich, dass Sie eine wichtige Aufgabe erfüllen: Meines Wissens waren Sie der Erste, der Liebesnächte ohne ­Folgen möglich machte.

Liebe ohne Folgen – als ob es das je gegeben hätte! Wenn Sie aber darauf hinauswollen, dass ich unliebsame Konsequenzen der Liebe verhindere, haben Sie recht. Allerdings nicht nur die, an die Sie offenbar denken. Bereits der berühmte venezianische Frauenheld Gia­como Casanova hatte nicht nur unerwünschten Nachwuchs im Sinne, wenn er sich unserer Kompetenz bediente. Denn damals raubte eine neue Seuche vielen die Freude an der Lust. Die Syphilis ging um, ­eine scheuß­liche Krankheit. Und Casanova hoffte, sich mit unserer Hilfe davor zu schützen.

Casanova lebte im 18. Jahrhundert – und nutzte schon Kondome?

Er war bei Weitem nicht der Erste. Meine Vorfahren bestanden zum Beispiel aus Hammeldärmen. Ich will ­ihre Verdienste nicht schmälern. Doch es dürfte öfter mal zu Sicherheitslecks gekommen sein. Schon dichter hielten meine Ahnen aus Kautschuk, die 1870 in Serie gingen. Sie hatten aber noch eine Naht. Wir Latex-Kondome sind indes nahtlos – und geprüfte Fachleute in Sachen Sicherheit.

Eine Kompetenz, die Ihnen in den 1980ern ein Comeback bescherte. Damals lautete das Motto: Safer Sex. Die Angst vor Aids ging um.

Meine Kollegen haben damals viele Leben gerettet. Leider sind die Menschen inzwischen wieder sorgloser geworden – und glauben immer öfter, auf uns verzichten zu können. Die Erreger freut das. Selbst die Ängste, die Casanova einst umtrieben, sind wieder aktuell. Doch nicht nur die Syphilis tritt wieder häufiger auf.

Syphilis, HIV – was gibt es noch?

Eine Menge. Wenn sich Menschen sehr nahekommen, nutzen das einige Krankheitserreger als Chance, von einem Opfer zum nächsten zu wechseln. Zum Beispiel Hepatitis-B-Viren, Chlamydien und Trichomonaden oder die Erreger der Gonorrhö, die Sie vielleicht als Tripper kennen. Und glauben Sie mir: Nicht nur die Namen der Erkrankungen klingen wenig reizvoll.

Ich will gar nicht daran denken. Dennoch: Haben Sie nicht Sorge, dass Ihre Anwesenheit intime Momente stören könnte?

Ich finde die Angst vor Ansteckung viel störender. Natürlich ist bei unserem Job Einfühlungsvermögen gefragt. Aber das bringen wir heute mit. Um auf Ihre unangemessene Bemerkung vom Anfang zurückzukommen: Eine dicke Haut haben wir schon lange nicht mehr. Mit 0,06 Millimetern ist sie so zart, dass Sie un­sere Anwesenheit kaum bemerken.

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Quellen:

  • gesund.bund.de: Sexuell übertragbare Infektionen, Wie man sich schützen kann . Online: https://gesund.bund.de/... (Abgerufen am 28.09.2022)