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Zunächst eine lange Ausbildung oder Studium durchlaufen, Auslandserfahrung sammeln, im Beruf ankommen, den richtigen Mann finden, ein gemeinsames Nest bauen: Oftmals verfliegen die Jahre nur so, bis eine Frau für sich den richtigen Zeitpunkt findet, um Mutter zu werden. "Ungefähr jede vierte der von mir betreuten Schwangeren ist bereits über 35 Jahre alt", schätzt Gynäkologin Dr. Barbara Eberhardt aus Landshut. Sie erlebt ältere Schwangere aufgrund von deren Lebenserfahrung oft als entspannter und weniger überfordert. Außerdem verfügten die Frauen meist über ein stabiles finanzielles Fundament und seien gesellschaftlich etabliert. "Sie sind in der Regel gut informiert, stellen viele Fragen und haben einen hohen Gesprächsbedarf." Und sie machen sich viele Gedanken über das Wohlergehen des heranwachsenden Kindes. "Denn sie sehen die Schwangerschaft oft als die letzte Möglichkeit, noch ein Kind zu bekommen", sagt Eberhardt.

Meistens Wunschkinder

Die Kinder seien häufiger Wunschkinder – unter anderem, weil Frauen über 35 im Durchschnitt nicht mehr so fruchtbar sind, wie ihre jüngeren Geschlechtsgenossinnen. "Denn es wächst nicht mehr bei jedem Zyklus eine Eizelle heran", erklärt Eberhardt. Auch der Anteil der künstlichen Befruchtungen sei bei älteren Schwangeren höher. Diese sogenannte In-vitro-Befruchtung kann Mehrlingsschwangerschaften zur Folge haben. In anderen Ländern können Frauen auf die in Deutschland verbotenen Eizellenspenden zurückgreifen, sodass auch Schwangerschaften mit Anfang 50 vorkommen.

Intensive Betreuung in der Schwangerschaft

Im Mutterpass gelten werdende Mütter ab 35 Jahren als risikoschwanger. "Das bedeutet einfach, dass sie noch engmaschiger untersucht werden", sagt Eberhardt. Die Schwangeren sollten unbedingt die von den Frauenärzten vorgegebenen Untersuchungstermine einhalten. Nötig sei das, weil manche Erkrankungen während der Schwangerschaft ab einem gewissen Alter häufiger vorkommen. Dazu zählen Schwangerschaftsdiabetes und erhöhter Blutdruck bis hin zu Präeklampsie. "Und je älter die Frauen sind, desto eher können natürlich auch unabhängig von der Schwangerschaft bereits chronische Erkrankungen vorliegen, zum Beispiel eine unerkannte Zuckerkrankheit", sagt Eberhardt, um anschließend zu beschwichtigen: "Dennoch können die Frauen im Normalfall die Zeit ihrer Schwangerschaft unbeschwert genießen." Eine gesunde Lebensführung mit Verzicht auf Alkohol und Nikotin, mit viel körperlicher Bewegung und einer ausgeglichenen Ernährung, reduziere diese Risiken außerdem deutlich.

Pränatale Diagnostik?

Für das heranwachsende Kind steigt mit dem Alter der Mutter das wenn auch geringe Risiko einer Chromosomenanomalie, zum Beispiel einer Trisomie 21. Deshalb stelle sich besonders späten Müttern die Frage nach der sogenannten pränatalen Diagnostik, sagt Eberhardt. Früher sei Frauen ab 35 meist zu einer Fruchtwasserpunktion geraten worden. Inzwischen würden zunächst weniger invasive Verfahren wie das Ersttrimester-Screening mit Nackenfaltenmessung oder spezielle Bluttests – die sogenannten nichtinvasiven Pränataltests (NIPT) – angewendet, um den Verdacht auf eine Chromosomenanomalie auszuräumen. Bisher werden Screeening und Bluttests nicht standardmäßig von den gesetzlichen Krankenkassen erstattet – den Bluttest zahlt die Kasse mittlerweile aber Schwangeren mit besonderen Risiken. "Und bevor eine werdende Mutter sich diesen Untersuchungen aussetzt, sollte sie sich auch überlegen, wie sie mit dem Untersuchungsergebnis umgeht", erläutert Eberhardt.

Um sich die Möglichkeit, noch spät Mutter zu werden, zu erhalten und dabei unter anderem auch das Risiko einer Chromosomenanomalie zu minimieren, ist vor einiger Zeit die Kryokonservierung von Eizellen unter dem Stichwort "Social Freezing" in der Öffentlichkeit diskutiert worden. Dabei lassen sich Frauen in jungen Jahren Eizellen entnehmen, um sie zu einem späteren Zeitpunkt befruchten und einsetzen zu lassen. "Diese Möglichkeit reduziert aber nicht die Gefahr für andere Erkrankungen einer älteren Mutter während der Schwangerschaft", stellt Eberhardt klar. Außerdem ist die Methode mit hohen Kosten und Hormonbehandlungen verbunden.

Wenn sich die Geburt verzögert

Wird der berechnete Geburtstermin überschritten, empfehlen Ärzte mit zunehmendem Alter der Schwangeren gegebenenfalls bereits früher eine Geburtseinleitung. Es besteht hier nämlich ein höheres Risiko für eine zunehmende Mangelversorgung des Kindes über den Mutterkuchen.

Manche Mütter wünschen auch einen Kaiserschnitt. "Einen Kaiserschnitt wählen späte Mütter eher aus den Erwägungen heraus, was für ihr Kind sicherer ist", sagt Eberhardt. Bei jüngeren Müttern spiele hingegen öfter die Angst vor den Schmerzen bei der Geburt eine Rolle. Experten sehen einen Kaiserschnitt auf Wunsch oft kritisch.

Gelassenheit nach der Geburt

Ist das Kind dann geboren, entdeckt Eberhardt bei späten Müttern wieder die aus der Lebenserfahrung erwachsene Gelassenheit: "Weil sie sich meist schon ausgelebt haben, leiden sie weniger unter dem Gefühl, sie könnten wegen des Kindes etwas verpassen." Jüngere Mütter hätten eher den Drang, trotz Kind noch möglichst bald in der Karriere durchzustarten. "Oder das gleichaltrige Umfeld ist vielleicht noch stark auf Weggehen und Nachtleben fixiert, und die junge Mutter hat das Gefühl, nicht mithalten zu können." Allerdings seien bei jungen Müttern öfter noch die eigenen Eltern in einem Alter, in dem sie tatkräftig beim Aufziehen des Nachwuchses helfen können.

Vielen Schwangeren und Müttern mit kleinen Kindern hilft es, sich mit Frauen in einer ähnlichen Lebenssituation auszutauschen und Kontakte zu knüpfen – zum Beispiel im Geburtsvorbereitungskurs oder einer Mutter-Kind-Gruppe.