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Wie wäre es mit einer Runde Joggen? Im Frühling immer gern, da macht das Training unter freiem Himmel Spaß. Im kalten, verregneten Winter dagegen bleiben viele doch lieber zu Hause. Denn wenn keine unmittel­baren Erfolgserlebnisse oder Glücksgefühle einzufahren sind, fällt es den Menschen schwerer, sich zu motivieren.

Das Belohnungsprinzip

Der Trend zur Selbstvermessung stemmt sich dem entgegen. Das Versprechen: die Motivationslücke zu füllen. Denn wenn der Schrittzähler abends einen grünen Haken zeigt oder die Smartwatch virtuelle Medaillen verleiht, weil man sich tagsüber genügend bewegt hat, gibt das einfach ein gutes Gefühl. Und wenn ein rotes Kreuz erscheint oder die Medaillen ausbleiben, soll sich der Mensch umso mehr motiviert fühlen, sich am nächsten Tag wieder alle virtuellen Auszeichnungen zu verdienen.

Trainieren wir motivierter?

Nur: Was macht das mit uns? Was passiert, wenn digitale Helfer uns Leistungsdaten und Vitalwerte permanent vor Augen halten? Steigert das sogenannte Self-Tracking tatsächlich die Motivation? Bringt es diejenigen, die sonst auf dem Sofa sitzen bleiben würden, dauerhaft in Bewegung? Oder sehen Psychologen und Psychologinnen womöglich auch Gefahren in der permanenten Selbstüberwachung?

„Zunächst einmal ist das Konzept, das hinter den sogenannten Wearables steht, nicht grundlegend neu: Es geht darum, die eigene Leistung einzuschätzen und sich Ziele zu setzen“, sagt die Psychologin Dr. Vivien Suchert, die zum Thema das Buch „Das vermessene Ich: Von Selbstkontrolle, Optimierungswahn und digitalen Doppelgängern“ verfasst hat. Gerade in der Gesundheitsförderung werde dieses Werkzeug der Selbstkontrolle seit Langem eingesetzt, etwa bei der Umsetzung von Diäten. „Mit Apps wie Schrittzählern werden das Setzen von Zielen und die Selbstkontrolle jetzt noch viel leichter“, sagt Suchert.

Leben wir gesünder?

Und tatsächlich, das zeigen Studien, ist anfangs die Motivation in der Regel recht hoch. „Zunächst sind die Wearables oft ein Anstoß, sich mit der eigenen Gesundheit zu beschäftigen Wenn die Uhr drei Tage hintereinander anzeigt, dass die Schlafqualität zu gering ist und man tagsüber zu wenige Schritte geht, dann kann das ein positiver Impuls sein, etwas zu verändern“, sagt Professor Dr. Lars Donath vom Institut für Trainingswissenschaft und Sportinformatik an der Deutschen Sporthochschule Köln.

Erfolg wird greifbar

Und wenn die Veränderung dann auch noch sichtbar gemacht wird – etwa in Form von verlorenen Kilos auf der Waage –, kann das weiter motivieren. Mehr noch: „Die Menschen bekommen das Gefühl, dass sie eine gewisse Selbstwirksamkeit haben, dass sie die Dinge in der Hand haben. Das ist erst einmal eine sehr positive Entwicklung in Richtung Eigenverantwortung.“ Auch die soziale Vergleichsmöglichkeit könne motivieren, dabeizubleiben. „Wenn man seine Laufstrecke in sozialen Netzwerken posten kann, dann ist das für viele Menschen eine zusätzliche Motivation“, so Suchert.

Gefährlich: wenn negativer Druck ensteht

Doch genau dieser soziale Aspekt kann auch demotivieren und frustrieren. Wenn man ständig vor Augen geführt bekommt, dass andere viel erfolgreicher sind als man selbst, entsteht negativer Druck. „Der Mensch macht sich meist ein etwas besseres Bild von sich selbst, als es der Realität entspricht. Und das ist normalerweise in gewisser Hinsicht auch gesund und hat eine gewisse Schutzfunktion. Wenn jetzt jemand durch Self-Tracking erfährt, dass sie oder er eigentlich keine besondere Ausdauer hat, dann kann das durchaus relevant am Selbstwert nagen“, sagt Suchert.

Trügerische Exaktheit

Und natürlich ist auch die vermeintliche Exaktheit der Selbstvermessung trügerisch, denn in der Realität handelt es sich oft um eher ungenaue Hochrechnungen, etwa beim Kalorienverbrauch. Aber selbst wenn die Zahlen weitgehend korrekt sind, so bergen sie laut Suchert doch eine weitere Gefahr: „Man hört dann mehr auf die Zahlen als auf den eigenen Körper, das kann im schlimmsten Fall zu einer Entfremdung vom eigenen Körper führen: Man weiß nicht mehr, was einem guttut und was nicht.“

Die Dosis macht`s

Trotz alldem, der anfängliche Impuls, den die Wearables setzen können, ist in aller Regel positiv. Doch damit ist die Sache noch kein Selbstläufer: „Häufig verfliegt nach spätestens einem halben Jahr die Anfangseuphorie. Daher müssen individuelle Faktoren berücksichtigt werden: Welcher berufliche Kontext, welche Präferenzen, welche Hindernisse und welcher Support begleiten das Ziel, fitter und aktiver zu werden – diese Infos können dann intelligent mit Bewegungsdaten verknüpft werden“, sagt Donath. Dabei kommt es auch darauf an, die Menge und Intensität an Self-Tracking anzupassen, in vielen Fällen ist eine etwas losere Begleitung – also beispielsweise Wochen- oder Monatsziele statt Tagesziele setzen – empfehlenswert. Es gilt also auch beim Self-Tracking: Die Dosis macht’s!

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