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Säuglinge mit Ess- und Trinkschwierigkeiten, Kinder mit Problemen beim Spracherwerb, Menschen, die nach einem Schlaganfall das Sprechen wieder lernen müssen – das Spektrum der Patienten, die von einer logopädischen Behandlung profitieren, ist breit gefächert. Und es erstreckt sich über alle Altersgruppen. Gut 10.000 Logopädinnen und Logopäden arbeiten derzeit in Deutschland – in Krankenhäusern, Reha-Kliniken, bei niedergelassenen Ärzten, in Schulen für sprach- und hörgeschädigte Kinder oder in ihrer eigenen Praxis. Etwa die Hälfte arbeitet angestellt, die andere Hälfte selbstständig. Der überwiegende Anteil sind Frauen.

Geschichte der Logopädie

Logopädie bedeutet wörtlich übersetzt Sprecherziehung. Emil Fröschels führte den Begriff 1924 offiziell in den medizinischen Fachjargon ein und rief im gleichen Jahr die internationale Gesellschaft für Logopädie und Phoniatrie ins Leben. Der Wiener Arzt gilt als einer der Gründer der "Sprachheilkunde", wie man bis dato sagte. Schon damals forderte Fröschels, Logopädie als eigenständige Ausbildung mit akademischer Abschlussprüfung einzuführen. Doch erst 56 Jahre später, am 1. Oktober 1980, wurde eine Ausbildungs- und Prüfungsordnung per Gesetz verabschiedet – und der Beruf der Logopädin bzw. des Logopäden somit auch offiziell eingeführt.

Was ist Logopädie?

Die Logopädie ist ein medizinisch-therapeutisches Fachgebiet, das sich mit Funktionen und Funktionseinschränkungen von Sprache und Sprechen im weitesten Sinne befasst. Das beinhaltet in erster Linie die Therapie von Menschen, die unter einer der vielen verschiedenen Formen von Sprach-, Sprech-, Stimm- und Hörstörungen leiden, und dadurch in ihrer Kommunikationsfähigkeit eingeschränkt sind. Darüber hinaus behandeln Logopäden auch Patienten mit Schluckstörungen.

Ebenso vielfältig wie die Störungsbilder sind die Behandlungsmethoden, um die Kommunikationsfähigkeit und das Schluckvermögen zu verbessern. Dabei arbeiten Logopäden aber nicht mit Medikamenten. Sie verwenden stattdessen beispielsweise Übungen zur Verbesserung der Artikulation, der Atmung und Stimmgebung und des Sprechflusses. Außerdem führen sie Wortschatz-, Wortfindungs- und Grammatikübungen sowie Dialogübungen durch. Ebenfalls vermitteln sie Kommunikationstechniken, und sie benutzen Biofeedback-techniken und Computerprogramme.

Darüber hinaus beraten sie Eltern und andere Angehörige, und sie nehmen logopädische Präventionsmaßnahmen vor.

Schlucken ist ein komplexer Vorgang. Nach einem Schlaganfall ist er oft gestört

Schlucken ist ein komplexer Vorgang. Nach einem Schlaganfall ist er oft gestört

Welche Anwendungsgebiete hat die Logopädie bei Erwachsenen?

Sprach-, Sprech-, Stimm- und Schluckstörungen sind bei Erwachsenen oft durch Schädigungen des Gehirns bedingt. Also durch einen Schlaganfall, ein Schädel-Hirn-Trauma, einen Tumor oder degenerative Erkrankungen wie Parkinson und Multiple Sklerose. Darüber hinaus gibt es aber noch viele andere Krankheiten, die das Sprach- und Sprechvermögen beeinträchtigen können. Zu den wichtigsten und häufigsten logopädisch behandelten Störungsbildern gehören:

  • Aphasie: Bei der Aphasie handelt es sich um eine durch Hirnschäden verursachte, so genannte zentrale Sprachstörung. Charakteristisch ist, dass alle Bereiche der Sprache betroffen sind, wenn auch in unterschiedlichen Ausmaß: Sprechen, Sprachverständnis, der Abruf von Worten, die Grammatik, das Lesen und das Schreiben.
  • Sprechapraxie: Wie die Aphasie ist Sprechapraxie ebenfalls neurologisch bedingt und tritt auch oft mit ihr gemeinsam auf. Bei den betroffenen Patienten ist die Planung der zum Sprechen notwendigen Bewegungsmuster gestört. Deshalb lassen sie Laute aus, fügen welche hinzu oder sagen sie in der falschen Reihenfolge. Zudem sind Sprechmelodie und -rhythmus verändert, so dass die Aussprache oftmals nur schwer verständlich ist.
  • Dysarthrien (Sprechstörungen): Patienten mit einer Dysarthrie sprechen gepresst, undeutlich und verwaschen – bis hin zur Unverständlichkeit. Ursache ist eine gestörte Sprechmotorik, entweder in Folge von Krankheiten wie dem Morbus Parkinson oder bedingt durch Verletzungen der fürs Sprechen zuständigen Nerven und Muskeln. Wenn zudem noch die Atmung und die Stimmbildung im Kehlkopf beeinträchtigt sind – was häufig vorkommt – sprechen Fachleute von einer Dysarthrophonie.
  • Dysphonien (Stimmstörungen): Heiserkeit und Räusperzwang sind die typischen Anzeichen einer funktionellen Dysphonie. Die Symptome entstehen, weil die Betroffenen ihre Atmung und ihren stimmbildenden Kehlkopf beim Sprechen falsch oder zumindest nicht ökonomisch genug einsetzen. Aber auch Entzündungen, Lähmungen und bösartige Tumoren können dazu führen, dass die Stimmgebungsorgane nicht mehr richtig funktionieren, bis hin zum Ausfall der Stimme. In diesem Fall handelt es sich um eine organische Dysphonie.
  • Dysphagie (Schluckstörung): Besonders häufig ist der Schluckakt nach einem Schlaganfall behindert. Weitere mögliche Auslöser einer Dysphagie sind Operationen und Bestrahlungen von bösartigen Tumoren im Bereich des Halses und des Mundes. Je nach Ausmaß erschweren Schluckstörungen die Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme oder machen sie sogar ganz unmöglich.
Auch Hörstörungen bei Kindern können eine logopädische Behandlung nötig machen

Auch Hörstörungen bei Kindern können eine logopädische Behandlung nötig machen

Welche Anwendungsgebiete hat die Logopädie bei Kindern und Jugendlichen?

Wenn Kinder und Jugendliche eine logopädische Behandlung benötigen, kann das genau wie bei Erwachsenen viele verschiedene Gründe haben. Dazu gehören beispielsweise:

  • Sprachentwicklungsstörungen: Erst einzelne Wörter, dann kurze Sätze, mit drei bis vier Jahren die Grundprinzipien der Grammatik begreifen – Sprechen und Sprachverständnis entwickeln sich bei Kindern nach einem bestimmten Schema. Die einzelnen Schritte sollten dabei innerhalb einer gewissen Zeitspanne vollzogen sein. Dieser Prozess läuft bei einer Sprachentwicklungsstörung verzögert ab. Außerdem haben Kinder mit Sprachentwicklungsstörungen ein erhöhtes Risiko, eine Lese-Rechtschreib-Schwäche zu entwickeln.
  • Artikulationsstörung: Bekanntestes Beispiel für eine Artikulationsstörung ist das Lispeln. Dabei haben die Kinder Schwierigkeiten, das S auszusprechen. Die für eine Artikulationsstörung charakteristischen Lautfehlbildungen können aber auch andere Laute betreffen. Lispeln geht häufig mit einer Schwäche der Muskulatur im Mundbereich einher (sogenannte myofunktionelle Schwäche). Deshalb tritt es öfter gemeinsam mit einem abweichenden Schluckmuster bei den Kindern auf.
  • Stimmstörungen: Wie bei Erwachsenen erstrecken sich die Symptome, unter denen Kinder mit einer Stimmstörung leiden, über eine heisere, raue Stimme bis hin zum Stimmausfall.
  • Hörstörungen: Wenn Kinder schlecht oder gar nicht hören können, verzögert das sehr oft die Sprachentwicklung: Sowohl die Fähigkeit zu Sprechen, als auch die Konzeptbildung und das Sprachverstehen sind häufig betroffen. Da die Probleme als Folge einer anderen Erkrankung – in diesem Fall einer Hörstörung – entstehen, spricht man im Fachjargon dann von einer sekundären Sprach- und Sprechstörung.
  • Funktionsstörungen im Mund- und Gesichtsbereich: Betroffen sind zum Beispiel Kinder mit angeborenen Fehlbildungen wie einer Lippen-Kiefer-Gaumenspalte. Darüber hinaus beeinträchtigen auch Fehlfunktionen der am Sprechvorgang beteiligten Muskeln – bedingt etwa durch Zahnfehlstellungen oder Kieferanomalien – die Aussprache.
  • Störungen des Redeflusses: Störungen des Redeflusses machen sich durch Laut-, Silben- und Wortwiederholungen bemerkbar. Bekanntestes Beispiel ist das Stottern, unter dem nicht selten auch Erwachsene leiden.
Singen kann ebenfalls im Rahmen einer logopädischen Behandlung nützlich sein

Singen kann ebenfalls im Rahmen einer logopädischen Behandlung nützlich sein

Wie läuft eine logopädische Behandlung ab?

Am Anfang einer logopädischen Behandlung – sei es im Krankenhaus, der Reha-Klinik oder ambulant in einer Praxis – steht immer eine ausführliche Diagnostik. Mit verschiedenen Tests untersucht der Logopäde, welcher Bereich der Sprache beeinträchtigt ist und in welchem Ausmaß. Zusammen mit dem ärztlichen Befund und den Ergebnissen von Voruntersuchungen bilden die Tests die Grundlage für das Therapiekonzept, das der Logopäde für jeden Patienten individuell erarbeitet.

Dabei greifen Logopäden auf ein breites Spektrum von Behandlungsmethoden zurück. Es reicht von spezifischen Sprachübungen, Erarbeitung bestimmter Sprech-, Stimm- und Schlucktechniken, Atemübungen, motorischen Techniken und Bewegungstherapien, über das Nachsingen von Tönen und Liedern bis hin zur Arbeit mit speziellen Computerprogrammen. Ein wesentlicher Bestandteil der logopädischen Behandlung ist, Patienten und Angehörige eingehend zu beraten – sowohl über Ursachen und Auswirkungen ihrer Störung als auch über die notwendigen therapeutischen Maßnahmen – und wenn möglich auch eine Anleitung zum Eigentraining zu geben.

Das ist nicht zuletzt deshalb wichtig, weil eine logopädische Behandlung oft lange Zeit dauert und vom Patienten und seinen Angehörigen viel Geduld und Eigeninitiative erfordert. Wie schnell der gewünschte Behandlungserfolg erreicht ist, hängt von mehreren Faktoren ab: Beispielsweise von den therapeutischen Zielen, Art und Schweregrad der Störung und der  Mitarbeit des Patienten. Doch auch wenn es länger dauert, mit der Logopädie gelingt es fast immer, die Beschwerden der Betroffenen zu beheben oder zumindest zu verbessern.

Dr. Ruth Nobis-Bosch, dbl e.V.

Dr. Ruth Nobis-Bosch, dbl e.V.

Beratende Expertin: Dr. rer. medic. Ruth Nobis-Bosch, Dipl. Logopädin (Lehr- und Forschungslogopädie), Lehrlogopädin (dbl), Deutscher Bundesverband für Logopaedie e. V., Referat Fort- und Weiterbildung

Quellen:
1. Deutschschweizer Logopädinnen- und Logopädenverband: Damit Sprache
selbstverständlich wird. Online: www.logopaedie.ch (Abgerufen am 28.8.2013)
2. Deutscher Bundesverband für Logopädie e.V.: Kommunikation, Sprache, Sprechen, Stimme, Schlucken. Online: www.dbl-ev.de (Abgerufen am 28.8.2013)
3. Brauer T, Tseak J: Logopädie – Was ist das?, 4. Auflage, Idstein Schulz-Kirchner Verlag GmbH 2010

Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder –behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen. Die Beantwortung individueller Fragen durch unsere Experten ist leider nicht möglich.