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Krebs kann heute in vielen Fällen gut behandelt werden. Doch selbst nach einer erfolgreichen Therapie haben viele Patienten mit anhaltender Erschöpfung zu kämpfen. Rund die Hälfte aller Krebspatienten leiden an übermäßiger Abgeschlagenheit, Fatigue genannt: Sie sind ständig müde, auch nach geringer Belastung, finden keine Erholung und können sich schlecht konzentrieren. Manchmal klingt die Symptomatik nach einigen Wochen ab, manchmal hält sie aber auch über Jahre an.

Das Problem scheint weit größer zu sein, als lange angenommen wurde: Laut Umfragen belastet Fatigue Krebspatienten subjektiv weit schwerer als andere häufige Beschwerden wie Schmerzen oder Übelkeit. Auch die ökonomischen und sozialen Auswirkungen der Fatigue-Symptomatik sind erheblich: Etwa jeder dritte Betroffene bleibt langfristig nicht arbeitsfähig.

"Die Tumor-Fatigue ist lange vernachlässigt worden, dabei kommt sie sehr häufig vor", sagt Dr. Irene Fischer, Psychologin und Leiterin des Instituts für Tumor-Fatigue-Forschung in Emskirchen. In den letzten Jahren haben sich einige Krebskliniken zwar stärker auf Fatigue und deren Begleiterscheinungen eingestellt. "Gemessen an der Zahl betroffener Patienten gibt es jedoch viel zu wenig spezialisierte Beratungseinrichtungen", beklagt die Expertin. In Bayern soll das nun im Rahmen eines Modellprojektes geändert werden. Auch die Forschung zum Thema steht noch am Anfang.

Symptome: Wie äußert sich Fatigue?

Erschöpfung und Müdigkeit sind bei einer schweren Erkrankung wie Krebs und den oft belastenden Therapien normal. Nahezu alle Patienten erleben solche Zustände während ihrer Krankheit. Bei etwa der Hälfte aber hält die Abgeschlagenheit länger und übermäßig an: Pausen und Schlaf verschaffen kaum Erholung, die Erschöpfung ist selbst nach geringer Aktivität unverhältnismäßig hoch. Konzentrationsstörungen und Kopfschmerzen können hinzutreten.

Was sind die Ursachen?

Den genauen Entstehungsmechanismus haben Wissenschaftler noch nicht entschlüsselt. Es sieht aber danach aus, dass Fatigue als gemeinsames Resultat unterschiedlicher Auslöser auftritt. So haben psychische Faktoren wie Angst und Niedergeschlagenheit einen großen Einfluss. Dazu kommen mögliche körperliche Auswirkungen der Krebserkrankung: Auszehrung, Blutarmut, Bewegungsmangel und Schmerzen. Auch die Nebenwirkungen von Chemotherapie und Bestrahlung schwächen den Körper und erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer Fatigue-Symptomatik. Daneben spielt aber auch die individuelle Empfindlichkeit auf solche Belastungsreize eine wichtige Rolle. Bestimmte körpereigene Reaktionen sollen mit der übermäßigen Erschöpfung einhergehen. So konnte bei Betroffenen festgestellt werden, dass die Abgabe mancher Entzündungs- und Hirnbotenstoffe verändert ist.

Diagnose: Wie stellt der Arzt Fatigue fest?

Trotz der Häufigkeit des Beschwerdebildes ist seine Diagnose nicht ganz einfach: Die Symptome sind unspezifisch und können diverse andere Ursachen haben. Einen eindeutigen Test für Fatigue gibt es nicht. Der Arzt wird zunächst gezielt nach den Beschwerden fragen, den Patienten untersuchen und dann einige Blutwerte überprüfen. Insbesondere Diabetes, eine Schilddrüsenunterfunktion oder eine Blutarmut (Anämie) gilt es abzuklären, da auch diese Störungen hinter dem Erschöpfungszustand stecken können. Der Untersucher sollte außerdem nach Symptomen einer Depression fragen. Immerhin bei einem Drittel der Fatigue-Patienten liegt zusätzlich eine solche psychische Erkrankung vor, die gesondert behandelt werden muss.

Was für Behandlungsmöglichkeiten gibt es?

Es gibt medikamentöse und nicht-medikamentöse Therapien. Je eher die Behandlung beginnt, desto höher sind ihre Erfolgschancen. Angepasster Ausdauersport und überwachtes Krafttraining können helfen, die chronische Müdigkeit zu überwinden. Auch Entspannungsverfahren und Verhaltenstherapie haben sich als nicht-medikamentöse Verfahren bewährt. Hilfreich erweist sich häufig auch eine spezielle Beratung, in welcher der Patient über das Krankheitsbild aufgeklärt wird sowie Tipps zur Einteilung seiner Kräfte erhält.

Liegt eine tumorassoziierte Blutarmut vor, kann diese mit blutbildenden Substanzen oder Transfusionen direkt behandelt werden, was die Fatigue häufig bessert. Allerdings treten unter so einer Therapie manchmal schwere Nebenwirkungen auf, wie eine Thrombose, weshalb die Maßnahme gut abgewogen und überwacht werden muss. Auch zentral stimulierende Medikamente können helfen, die Dauermüdigkeit zu vertreiben. Das Medikament Methylphenidat zeigt bei einigen Betroffenen eine gute Wirkung. Es ist allerdings für diesen Einsatz nicht offiziell zugelassen und geht teilweise mit unangenehmen Nebenwirkungen einher. "Grundsätzlich sollte die Behandlung der Fatigue immer gut auf den Betroffenen abgestimmt werden, was entsprechendes Fachwissen voraussetzt", macht Irene Fischer deutlich.

Quellen:

Horneber M, Fischer I, Dimeo F, Rüffer JU, Weis J: Tumor-assoziierte Fatigue: Epidemiologie, Pathogenese, Diagnostik und Therapie. In: Deutsches Ärzteblatt 2012

Wichtiger Hinweis: Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder –behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen. Die Beantwortung individueller Fragen durch unsere Experten ist leider nicht möglich.