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Hamburg-Blankenese Ende Februar. Die Sonne taucht die Elbe an diesem Vormittag in ein fast frühlingshaftes Licht, von Weitem ist das laute Tuten eines Containerschiffs zu hören. Rolf Zuckowski und seine Tochter Anuschka schlendern am Elbufer entlang und erinnern sich daran, wie alles begann. Damals, als aus dem engagierten Kindergartenvater mit Latzhose und VW Käfer der bekann­teste Kinderliedermacher Deutschlands wurde und aus den Kassettenrekordern der Nation ­Radio Lollipop in Dauerschleife dudelte. Und plötzlich ist da die Frage, ob das wohl alles genauso passiert wäre, wenn es Anuschka nicht gegeben hätte.

Herr Zuckowski, wie schön, dass Ihre Tochter geboren ist! Sonst hätten wir viele Ihrer ­Lieder wahrscheinlich sehr vermisst. Oder?

Rolf: (lacht) Das ist sogar sehr wahrscheinlich. Wobei ich für meine Band The beAthovens schon 1967 ein Lied über jemanden geschrieben habe, der sich zu klein findet und gern größer sein möchte. Das war das erste Zeichen dafür, dass ich es mit den Kleinen ernst meine. Aber erst als ich selber Vater war, hatte ich auch diese emotionale Nähe zu Kindern. Und als Anuschka anfing zu singen, hat mich das sehr berührt.

Anuschka: Da muss ich so zwei, zweieinhalb Jahre gewesen sein. Ich kenne die Tonbandaufnahmen
Rolf: Anuschka hatte so eine kleine Lieder­fibel. Dieses Buch hat sie irgendwann komplett durchgesungen. Aber mir ist eines Tages aufgefallen, dass diese Lieder, so schön sie auch waren, ­eigentlich gar nichts mit ihrem Leben zu tun hatten.

Die erste Berühmtheit haben wir miteinander erlebt, eine sehr aufregende Zeit. Die Jahre danach waren eher schwierig für mich.

Wie meinen Sie das?

Rolf: Na ja, da klapperte die Mühle am rauschenden Bach, alle meine Entchen schwammen auf dem See 
Anuschka: Oder ein Männlein stand im Walde.
Rolf: Genau. Das war auch alles sehr schön. Aber wir erlebten doch andere Dinge miteinander. Daraus ist die Phantasie gewachsen, eigene Lieder zu schreiben. Am Anfang mit Anuschka an der Hand.

Wie muss man sich das vorstellen?

Anuschka: Zu meinen ersten Erinnerungen gehören unsere Fahrten in den Kindergarten, die ­Elterninitiative KIS. Du warst ja durch deinen Beruf immer sehr flexibel, sehr engagiert und hast viele Fahrdienste übernommen. Und im Auto haben wir immer gesungen.

Rolf: (singt) KIS, KIS, wir sind Kinder vom KIS, KIS!

Anuschka: (stimmt ein) Wir fahren in den KIS, KIS!

Rolf: Auf so einer Fahrt ist sicher auch ein Lied wie Mein Platz im Auto ist hinten entstanden.

Wann ist Ihnen, Anuschka, bewusst ­geworden, dass Ihr Vater berühmter ist als die anderen Väter in Ihrem Umfeld?

Anuschka: Der erste spürbare Erfolg kam ja mit dem Hit Und ganz doll mich. Davor war mein Vater einfach nur der Papa, der mit seiner Gitarre durch die Kindergärten getourt ist und mit dem alle Spaß hatten. Die erste Berühmtheit haben wir beide dann miteinander erlebt, weil ich ja ein Teil von Rolf und seinen Freunden war. Eine sehr aufregende Zeit mit Fernsehsendungen und Wäschekörben voller Autogrammwünsche. Die Jahre danach waren dann eher schwierig für mich.

Warum?

Anuschka: Diese zunehmende Prominenz hat mich schon sehr an meine Grenzen gebracht. Als ich 12, 13 war, habe ich ständig gehört: „Ach, du bist die Tochter von Rolf Zuckowski.“ Viele haben das auch zum Anlass genommen, mich zu ärgern. Da wurde schon mal quer über den Schulhof gerufen: „Anuschka, bitte mach mir ein Bananenbrot!“

Ein Bananenbrot?

Rolf: Ja, es gab da diesen Song von mir, in dem es hieß: Theo, mach‘ mir ein Bananenbrot.

Anuschka: Das Lied war ziemlich populär damals und wir waren in zwei großen Musiksendungen im Fernsehen. Da mussten wir Kinder mit riesengroßen Broten ins Bild laufen und sie im Pub­likum verteilen. Keiner wollte die Dinger haben (lacht). Das war mir wirklich so unangenehm!

Aber es gab doch bestimmt auch ganz viele, die das bewundert haben: der eigene Vater ein Star vieler Kinder und Familien!

Anuschka: Klar, die gab es auch. Viele haben gesagt: „Wie toll ist das denn, den als Vater zu haben?“Ich habe dann immer geantwortet: „Ja, aber auch mein Vater kann durchaus mal streng sein und läuft nicht den ganzen Tag fröhlich singend durchs Haus.“

Rolf: Wer mein Repertoire gut kennt, der weiß, dass auch ich meine Grenzen habe. Ich habe auch Lieder geschrieben wie So wollt‘ ich doch nie sein, als Anuschka in der Pubertät war. Über das Mit­einander-klarkommen-Müssen, obwohl man sich eigentlich gerade ziemlich anstrengend findet.

Dann ist Ihre Musik mit Anuschka ­gemeinsam erwachsen geworden?

Rolf: In jedem Fall. Meine beiden jüngeren Söhne haben mich natürlich auch inspiriert. Aber Anuschka war als Älteste immer diejenige, die als Erste eine neue Tür aufgestoßen hat. In ganz vielen Liedern geht es um kleine Erfahrungen und große Gedanken, die ich als Vater hatte.

Anuschka, Sie sind selbst Mutter von vier Kindern. Empfinden Sie die Musik Ihres Vaters heute anders als früher?

Anuschka: Total. Wobei mir schon als Kind bewusst war, dass da in den Liedern meines Vaters viel echtes Leben drinsteckt. Natürlich höre ich jetzt als Mutter noch ganz andere Zwischentöne. Womit ich nie so viel anfangen konnte, waren die klassischen Kinderlieder, die Papa geschrieben hat. Nackideizum Beispiel (lacht). Ich weiß noch, dass wir ihm zu Hause fast verbieten wollten, es zu veröffentlichen, weil wir es so albern fanden.

Rolf: (lacht)Und dann ist es ein Hit geworden!

Sie beide haben im letzten Jahr ­gemeinsam eine Playlist mit Liedern für Eltern ­zusammengestellt. Wie kam es dazu?


Rolf: Ich hatte die Idee, Lieder über das Elternsein zu bündeln. Anuschka hat sie ausgewählt. Es sind Songs von mir dabei und die, die ­Anuschka als junge Mutter geschrieben hat. Und ganz viel wundervolle Musik für Eltern von anderen Künstlern.
Anuschka: Man wird auf dieser Liste aber nur ­wenige Lieder finden, in denen es einfach nur um das pure Elternglück geht. Es geht ums Elternwerden und Elternsein, ums Paarbleiben, um die täglichen Herausforderungen und die Grenzen, an die man stößt.

In ganz vielen Liedern geht es um kleine Erfahrungen und große Gedanken, die ich als Vater hatte.

Dann hat Musik für Sie auch etwas ­Tröstendes?

Anuschka: Unbedingt. Sie kann Emotionen zu Tage fördern, die man sich vorher vielleicht gar nicht eingestanden hat. Es war mir ein großes Anliegen, auch Lieder zu finden, die anderen Eltern das Gefühl geben: Ihr seid nicht alleine mit euren Problemen, den Ängsten, Sorgen, der Wut.

Sie haben im vergangenen Jahr auch ein Lied Ihres Vaters neu interpretiert …

Anuschka: Ja, das Lied Zum Leben geboren. Es handelt von dem Mut, ein Kind in diese Welt zu setzen. Nach Ausbruch des Ukraine-Kriegs ging es mir einfach nicht mehr aus dem Kopf.

Rolf: Ich habe das Lied während des Kalten Kriegs geschrieben – in ähnlich schwierigen Zeiten. Die Angst vor einer ganz großen Auseinandersetzung lag damals in der Luft. Aus dieser Stimmung heraus ist das Lied entstanden.

Anuschka: Es hat mich immer schon sehr berührt. Deshalb habe ich es neu aufgenommen und meinen Vater zum 75. Geburtstag damit überrascht.

Rolf: Sie hat mir die Aufnahme an meinem
Geburtstagsmorgen per Mail geschickt. Da war ich im Urlaub in Paris. Ich habe das Lied noch im Bett gehört. Mit mehr als einer Träne im Auge.

Gibt es eigentlich ein Lieblingslied aus dem Rolf-Zuckowski-Repertoire, das Sie beide haben?

Rolf: (lacht) Nackidei oder Theo, mach‘ mir ein ­Bananenbrot. Oder, Anuschka?

Anuschka: (lacht) Nein, sicher nicht. Im Ernst: Die Weihnachtslieder mag ich ganz besonders.

Rolf: Die besten Lieder sind die, die man nie wieder vergisst. Die Verbindung von Wort und Musik kann so intensiv sein. Es gibt Zeilen, die schreien einfach danach, Musik zu werden. Wie schön, dass du geboren bist, ist so ein Beispiel. Dieses Glück habe ich mehrfach gehabt. Das wichtigste Lied, das ich je geschrieben habe, ist aber: Ich schaff’ das schon. Und weil es so viele Menschen dazu gebracht hat, wieder nach vorn zu blicken und aus ihrem Tal herauszukommen, ist es mein Lieblingslied. Kein anderes hat so viel bewirkt.