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Der Dreijährige rattert alle Dinosaurier-Namen herunter. Die Vierjährige klimpert fehlerfrei „Für Elise“ auf dem Klavier. Verständlich, wenn Mama und Papa dann nicht nur stolz sind, sondern sich auch fragen, ob der Nachwuchs eventu­ell sogar hochbegabt ist. Doch woran erkennt man das und wie fördert man solche Kinder optimal?

Starten wir mit einer Überraschung: Es gibt ­keine Erkennungszeichen für eine Hochbegabung. Weder frühes Lesen oder Rechnen noch Lange­weile im Unterricht sind sichere Hinweise. „Zwischen hoch- und durchschnittlich begabten Kindern zeigten sich dazu in Studien ­keine Unter­schiede“, sagt Dr. Petra Barchfeld-­Pekrun, Leiterin der Begabungspsychologischen Beratungsstelle an der Ludwig-Maximilians-Univer­sität München.

„Die Diagnose erfolgt üblicher­weise durch die Ermittlung des Intelligenzquotienten, kurz IQ. Ab 130 liegt ­eine Hochbegabung vor.“ In Deutschland erreichen nach Schätzungen der Deutschen Gesellschaft für das hochbegabte Kind (DGhK) gut 100.000 Kinder bis zu fünf Jahren diesen Wert.

Hochbegabte ticken oft ähnlich

Sabrina Henning, Vorstandsmitglied in der DGhK, hört von Eltern hochbegabter Kinder dagegen immer wieder ähnliche Geschichten: „Sie haben oft keine Lust, mit Gleichaltrigen zu spielen. Häufig gewöhnen sie sich schlecht oder gar nicht in der Kita ein. Und wenn, verbringen sie dort lieber Zeit mit Erwachsenen als mit anderen Kindern.“

Auch Beschreibungen wie „oft wütend“, „frustriert“ oder „sozial auffällig“ fallen gehäuft. Barchfeld-Pekrun: „Tatsächlich werden manche Hochbegabte manchmal als nervig empfunden, weil sie gerne viele Detailfragen stellen, neugierig und fordernd sind.“ Daher kann es laut Henning anfänglich passieren, dass bei Kindern Erkrankungen wie ADHS, Depressivität oder Autismus angenommen werden. In den meisten Fällen werden solche Fehldiagnosen korrigiert, sobald gezielt auf Hochbegabung getestet wird. Denn hochbegabte Kinder sind nicht öfter davon betroffen als normal begabte.

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Wert von Bewertung trennen

Henning rät Eltern, ihr Kind testen zu lassen, wenn sie eine Vermutung haben oder von der Kita oder Schule angesprochen werden. Auf Hochbegabung spezialisierte Beratungsstellen, Vereine oder Psychologinnen und Psychologen sind gute Anlaufstellen, um sich zu informieren. Testungen sind zwar ab drei Jahren möglich, sollten Fachleuten zufolge aber im Grundschulalter wiederholt werden. Unter Umständen sinkt der Wert unter 130.

Dann sind die Kinder offiziell nicht mehr hochbegabt, aber immer noch sehr schlau. Auf jeden Fall beende ein konkretes Ergebnis die Ungewissheit und bringe damit für Familien oft Entlastung, weiß Henning. Geprüft werden etwa Sprachvermögen, Verarbeitungs­geschwindigkeit und abstrakt-logisches Denken. Die Kosten zwischen 350 und 600 Euro müssen ­Eltern allerdings üblicherweise selbst tragen.

Dr. Franzis Preckel, Professorin für Hochbegabtenforschung und -förderung an der Universität Trier, sieht die Fokussierung auf die Zahl 130 kritisch: „Sie ist kein Garant für herausragende Leistungen in Schule oder Beruf. Dafür muss alles passen: die Motivation, aber auch das Arbeits- und Lernverhalten.“ Zudem solle eine abstrakte Zahl nicht mit einer Bewertung des Menschen verknüpft werden. Das heize nicht selten Neiddebatten an.

Daher sind viele Eltern unsicher, ob sie von der Hochbegabung erzählen sollen. Henning ist dafür, weil die Kinder meist sowieso spüren, anders zu sein, und damit oft etwas Negatives verbinden. Auch der Umgang mit Gleichgesinnten tut gut. „Die Kinder sind nicht besser, sondern anders. Es geht nicht darum, eine Elite zu bilden, sondern sich verstanden zu fühlen“, so die Expertin. Die Kita kann im Idealfall besser auf die Kinder eingehen. Dem Kind selbst sollte man es altersgerecht erklären, ­etwa: „Du hast einfach einen schnellen Kopf.“

Fördern und fordern

Entscheidend ist – wie bei allen Kindern –, die Bedürfnisse zu sehen und zu erfüllen. Bei Kindern mit überdurchschnittlichem Intellekt heißt das speziell: „Ohne Förderung kann eine Begabung verkümmern, vergleichbar mit einem Muskel, der nicht trainiert wird“, sagt Preckel. Vor allem für Hochbegabte ist es wichtig, dranzubleiben, wenn es selbst für sie anspruchsvoll wird.

Viel Input zu ihren Interessen­gebieten tut ihnen gut, aber auch, Neues auszuprobieren. Das kann etwas Kreatives wie Malen sein, Spiele zum Um-die-Ecke-Denken, ein Musikinstrument oder eine neue Sprache, die sie spielerisch erlernen. Barchfeld-Pekrun: „Gerade wenn einem vieles leichtfällt, muss man lernen, sich auch mal anzustrengen. Dennoch sollten Hochbegabte normale Kinder sein dürfen und nicht wie kleine Einsteins behandelt werden.“

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Quellen:

  • Preckel, F.: Hochbegabung unter einer Entwicklungsperspektive: Grundlagen und Implikationen für die Empirische Bildungsforschung., in: Reinders, H., Bergs-Winkels, D., Prochnow, A., Post, I. (eds) Empirische Bildungsforschung. . https://doi.org/... (Abgerufen am 01.03.2023)
  • Buchveröffentlichung

  • Deutschen Gesellschaft für das hochbegabte Kind: Deutschen Gesellschaft für das hochbegabte Kind. https://www.dghk.de/... (Abgerufen am 01.03.2023)
  • Begabungspsychologische Beratungsstelle an der Ludwig-Maximillians-Universität München: Begabungspsychologische Beratungsstelle an der Ludwig-Maximillians-Universität München. https://www.psy.lmu.de/... (Abgerufen am 01.03.2023)