Traumatherapie: So funktioniert EMDR
Was ist EMDR?
EMDR (Englisch: Eye Movement Desensitization and Reprocessing) ist eine besondere Form der Psychotherapie. Auf Deutsch bedeutet EMDR: „Desensibilisierung und Verarbeitung durch Augenbewegungen“. Mit der Methode können unter anderem die Folgen von psychischen Traumata behandelt werden, vor allem die Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS).
Dabei werden zunächst, wie bei einer Psychotherapie üblich, das Trauma und die auslösende belastende Situation aus der Vergangenheit besprochen und analysiert. Anschließend versetzt sich der Patient gedanklich in die traumatische Situation, während er mit den Augen dem Finger des Therapeuten folgt, der sich nach links und rechts bewegt. Wie genau EMDR wirkt, weiß man noch nicht sicher.
Wie läuft eine EMDR-Behandlung ab?
Am Anfang der EMDR-Behandlung stehen zunächst ausführliche Gespräche: Hier gehen Therapeut oder Therapeutin und Betroffene gemeinsam dem Trauma auf den Grund. Das erfordert viel Einfühlungsvermögen und muss in einem geschützten und sicheren Rahmen stattfinden, damit Betroffene sich vorsichtig dem Trauma annähern können.
Nachdem Therapeut und Patient die entscheidenden Situationen und Bilder erarbeitet haben, die mit dem Trauma verknüpft sind, versuchen beide gemeinsam, die Bilder und Situationen von den belastenden Gefühlen zu entkoppeln. Das soll bewirken, dass die Patientin in Zukunft das belastende Ereignis als nicht mehr traumatisch empfindet, wenn sie sich wieder in ähnlichen Situationen befindet oder vergleichbare Bilder sieht.
Für dieses Entkoppeln legt ein EMDR-Therapeut oder -Therapeutin während einer Sitzung immer wieder Phasen ein, in denen die Patientin oder der Patient mit den Augen dem sich nach links und rechts bewegenden Finger des Therapeuten folgt – während dieser Zeit geleitet der Therapeut den Patienten achtsam durch das Erinnerte. Dieser Zweiklang aus Erinnerungsarbeit und Augenbewegungen zur gleichen Zeit kennzeichnet EMDR und gibt der Methode auch seinen Namen.
Eine Sitzung dauert etwa 60 bis 90 Minuten. „In den meisten Fällen lässt sich mit 25 oder weniger Sitzungen bereits ein gutes Ergebnis erreichen“, sagt der Facharzt für Psychiatrie und EMDR-Therapeut Dr. Michael Hase, Leiter des Lüneburger Zentrums für Stressmedizin. Teilweise sind auch mehr Sitzungen notwendig.
Ist die EMDR eine wissenschaftlich geprüfte Methode?
Dass EMDR gegen PTBS wirkt, gilt als wissenschaftlich gesichert. In einer Überblicksarbeit aus dem Jahr 2019 haben Wissenschaftler 25 hochwertige Studien zur Behandlung der Posttraumatischen Belastungsstörung mit EMDR unter die Lupe genommen – bei 24 von ihnen brachte das Verfahren zumindest eine signifikante Verbesserung der Beschwerden, zum Teil konnte das Posttraumatische Belastungssyndrom sogar geheilt werden.
In der Übersichtsarbeit identifizierten die Forscherinnen und Forscher neben PTBS weitere Bereiche, in denen EMDR positive Effekte erzielen könnte: Depression und chronische Schmerzen.
Für die Psychologin Martina Tiedt-Schütte vom Zentrum für Psychotraumatologie in Frankfurt, die mehr als 1000 Patientinnen und Patienten mit der EMDR-Methode behandelt hat, steht fest: EMDR wirkt schonender als andere Verfahren. „Zwar wird der Patient auch bei EMDR mit dem Trauma erneut konfrontiert, dies geschieht jedoch nur in Begleitung der Therapeutin oder des Therapeuten. Im Unterschied etwa zur traumafokussierten Verhaltenstherapie bedarf es keiner detaillierten Beschreibung des Ereignisses, keines Infragestellens von Glaubenssätzen und keiner Hausaufgaben“, sagt Tiedt-Schütte.
Und die Expertin bestätigt anhand ihrer Erfahrungen, was auch zahlreiche Studien zeigen: „EMDR wirkt schneller. Oft sehe ich schon nach einer Handvoll Sitzungen deutliche Fortschritte bei meinen Patientinnen und Patienten“, so Tiedt-Schütte.
Bei welchen Beschwerden und Krankheitsbildern wird EMDR angewandt?
Die Posttraumatische Belastungsstörung ist heute noch immer das Krankheitsbild, bei dem EMDR besonders häufig angewandt wird, auch, weil die Behandlung mit EMDR bei Erwachsenen von der Krankenkasse bezahlt wird.
Längst bieten Therapeuten auch bei anderen Krankheitsbildern und Beschwerden EMDR an, in vielen Bereichen gibt es in diversen Studien erste Hinweise auf eine Wirksamkeit der Methode: „Depressionen, Angststörungen, Akute Traumatisierungen, Schmerzstörungen, sogenannte dissoziative Störungen lassen sich mit Hilfe von EMDR oft behandeln. Das zeigen Studien und auch meine Erfahrungen“, sagt Tiedt-Schütte. Bei anderen Krankheitsbildern gibt es bisher noch wenig eindeutige Ergebnisse.
Auch bei Kindern und Jugendlichen hat sich EMDR mittlerweile bewährt, insbesondere bei der Posttraumatischen Belastungsstörung.
Wie finde ich einen EMDR-Spezialisten und was bezahlt die Krankenkasse?
Bislang übernehmen die Krankenkassen in der Regel die EMDR-Therapie nur dann, wenn damit eine Posttraumatische Belastungsstörung bei Erwachsenen behandelt wird. Bei Kindern wird EMDR bislang noch nicht von den Krankenkassen bezahlt.
Auch für alle anderen Krankheitsbilder wie Schmerzen, Depression oder Phobien übernimmt die Krankenkasse noch nicht die Behandlungskosten. Und das kritisiert Experte Hase: „Angesichts der wissenschaftlichen Beweislage wäre es längst überfällig, dass neben der Posttraumatischen Belastungsstörung auch die Behandlung anderer Krankheitsbilder übernommen wird.“
Immerhin treten verschiedene Erkrankungen manchmal zusammen auf. „Eine Posttraumatische Belastungsstörungen etwa zusammen mit einer Depression ist nicht selten“, sagt Hase. Das öffne eine Tür für Betroffene, die vorrangig an einer Depression leiden. „Solange eine Posttraumatische Belastungsstörung vorliegt, kann EMDR verschrieben werden, Begleiterkrankungen können dann in der Therapie gleich mitbehandelt werden“, sagt Hase.