Beatmung: Luft zum Leben
Atmung - Motor des Lebens
"Atmung ist Leben, man kann sie nicht auf später verschieben." Diese alltägliche Weisheit ist in der Medizin entscheidend: Normalerweise atmen wir, ohne dass wir uns Gedanken darüber machen. Setzt die Atmung jedoch aus oder ist sie ungenügend, werden die Organe nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt. Schon nach wenigen Minuten folgt der Tod, denn der Sauerstoff ist der Treibstoff für die Organe, so wie das Benzin für unser Auto.
Der Sauerstoff wird im Körper verbraucht. Dabei entsteht Kohlendioxid, welches über die Lunge abgeatmet wird. Die Lunge ist damit zugleich quasi der "Auspuff des Körpers". Kurze Zeit nach einem Atemstillstand hört auch das Herz auf zu schlagen, und es kommt zu einem Kreislaufstillstand. Dasselbe passiert andersherum: Steht der Kreislauf still, setzt nach kurzer Zeit auch die Atmung aus. Schnelle Hilfe ist gefragt. Die künstliche Beatmung kann bei einer unzureichenden oder ganz ausgefallenen eigenen Atmung das Leben retten.
Ein Versagen der Atmung kann im Notfall von einem Moment zum anderen auftreten oder aber sich schleichend über Monate oder Jahre entwickeln.
Wann ist eine Beatmung notwendig?
Viele Situationen können eine künstliche Beatmung erfordern. Erkrankungen der Lunge zählen dazu, vor allem die chronisch obstruktive Bronchitis (COPD) oder eine schwere Lungenentzündung. Es gibt aber auch neuromuskuläre Erkrankungen, bei denen die Atemmuskulatur ihre Funktion einbüßt, denn die Lunge bewegt sich nicht von alleine, sondern wird durch die Atemmuskeln bewegt. Der wichtigste Atemmuskel ist das Zwerchfell. Bewegt es sich nach unten, so saugt die Lunge Luft ein.
Bestimmte Krankheiten der Lunge und des Brustkorbs erhöhen die Anforderungen an die Atemmuskulatur. Deshalb führen sie unter Umständen zu einer Überlastung der Atemmuskeln. Außerdem gibt es Nerven- und Muskelerkrankungen, die zu einer Schwächung der Atemmuskeln führen. Ist die Last für die Atemmuskulatur zu hoch oder die Kraft zu schwach, dann kann eine zeitweise Beatmung die Atemmuskulatur vor dem Versagen und den Menschen damit vor dem Tod schützen.
Gehirnschäden führen manchmal zu Störungen der Atemregulation. Auch bei ausgeprägtem Übergewicht oder Verformungen des Brustkorbes können manche Betroffene nicht ausreichend atmen. Auch während größerer Operationen muss eine maschinelle Beatmung eine ausreichende Sauerstoffversorgung gewährleisten, weil die Vollnarkose die Atmung der Patienten unterdrückt. Gelegentlich erfordern auch schwere Erkrankungen auf der Intensivstation die Beatmung.
Unterschieden werden muss daher bei der Beatmung, ob wir Mund-zu-Mund beatmet werden müssen (im Rahmen eines plötzlichen Kreislaufstillstandes wie beispielsweise bei einem Herzinfarkt), eine Unterstützung der Sauerstoffversorgung erhalten durch Geräte, welche zuhause angewandt werden können (wie beispielsweise bei chronischen Erkrankungen der Lunge wie COPD) oder ob wir eine vollkommen maschinell unterstüzte Beatmung benötigen (wie auf Intensivstationen bei schweren akuten Erkrankungen oder während einer Operation).
Fallbeispiele
Wie funktioniert die Beatmung?
Im Rahmen der Ersten-Hilfe bei akutem Aussetzen der Atmung
Die Mund-zu-Mund- oder Mund-zu-Nase-Beatmung ist die einfachste Form der Atemspende und kommt ohne Hilfsmittel aus. Sie wird nur im Notfall angewendet, wenn keine anderen Beatmungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Effektiver und vor allem hygienischer ist die Beatmung mit dem Beatmungsbeutel. Er lässt sich mit der Hand zusammendrücken, wodurch Luft über eine Maske in den Patienten gelangt.
Maschinelle Beatmung
Auf der Intensivstation und im OP führen Geräte die Beatmung durch. Moderne Beatmungsgeräte sind komplexe Maschinen, deren Beatmungsform sich an die Bedürfnisse des Patienten anpassen lässt. Je nachdem, ob die Luft über Schläuche direkt in die Luftröhre geleitet wird oder mit Hilfe einer dicht schließenden Beatmungsmaske vom Patienten über Mund und/oder Nase eingeatmet wird, sprechen Ärzte von der invasiven oder nicht-invasiven Beatmung.
Invasiv bedeutet im Medizinerdeutsch soviel wie "eingreifend" oder "eindringend". Gemeint ist damit der Trachealtubus, der über den Mund in die Luftröhre des Patienten eingeführt wird. Diese Prozedur und auch die Beatmung durch die Maschine wären bei vollem Bewusstsein sehr unangenehm. Deshalb halten Narkosemittel den Patienten durchgehend in einem schlafähnlichen Zustand, dem künstlichen Koma. Das muss jedoch nicht bedeuten, dass er gar nichts mitbekommt. Wenn schwere Erkrankungen eine länger andauernde künstliche Beatmung erfordern, ist ein Luftröhrenschnitt sinnvoll. Diese sogenannte Tracheotomie schafft eine künstliche Öffnung unterhalb des Kehlkopfes, über die sich der Beatmungsschlauch direkt in die Luftröhre einführen lässt.
Seit den 80er Jahren verwenden Ärzte die nicht-invasive Beatmung (NIV) per Maske mit zunehmendem Erfolg. Für eine NIV erhält der Patient kein künstliches Koma, deshalb kann er mit Unterbrechungen und vor allem auch zu Hause beatmet werden. Diese Heimbeatmung ermöglicht Langzeitbeatmeten, in ihr gewohntes Umfeld zurück zu kehren. Das braucht natürlich einiges an organisatorischem Aufwand, Zeit und Geduld. Nicht nur der Patient, sondern auch seine Pfleger und Angehörigen müssen geschult werden. In den letzten Jahren hat die Heimbeatmung rasant zugenommen.
Beatmung in den eigenen vier Wänden - Heimbeatmung
Wie oben bereits beschrieben, kann die nicht-invasive Maskenbeatmung auch zuhause genutzt werden. Das angeschlossene Gerät unterstützt bei der Einatmung, indem es Atemluft mit einem bestimmten Druck in die Lungen pumpt. Das hilft der Lunge mit Luft gefüllt zu werden, da durch den Druck die Atemwege offen gehalten werden. Bei der Ausatmung wird der eingestellte Druck verringert (druckgesteuerte Beatmung). Zusätzlich zur normalen Atemluft kann gegebenenfalls auch eine zusätzliche Sauerstoffgabe erfolgen.
Davon zu unterscheiden ist die Langzeit-Sauerstoff-Therapie. Hierbei wird über eine Nasensonde mit Sauerstoff angereicherte Luft zugeführt bei normaler, selbständiger Atemarbeit.
Je nach Erkrankung und Schwere der Erkrankung reicht bei manchen eine nächtliche Beatmung, andere benötigen 16 Stunden täglich oder mehr.
Welche Nebenwirkungen gibt es bei der künstlichen Beatmung?
Bei der invasiven Beatmung (also mit Intubation) besteht besonders die Gefahr, dass Erreger über die Beatmungsschläuche in die Lunge eindringen. Deshalb entzündet sich gerade bei Langzeitbeatmung häufig die Lunge. In etwa ein Drittel der so beatmeten Patienten sind von einer Lungenentzündung betroffen. Außerdem kann es zu Verletzungen der Luftröhre oder der Lunge kommen. Die invasive Beatmung erfordert außerdem in der Regel ein künstliches Koma und eine künstliche Ernährung. Der Patient kann während der Beatmung nicht sprechen, und schlucken ist nur erschwert möglich.
Bei der nicht-invasiven Beatmung (NIV-Beatmung) machen eher Druckstellen durch die Maske und Austrocknungen der Schleimhäute Probleme. Durch in den Magen gelangende Luft können Blähungen, Übelkeit und Völlegefühl entstehen. Ein Luftaustritt bei nicht dicht schließender Maske kann zu einer Entzündung der Augenbindehaut führen. Ein wesentlicher Vorteil gegenüber der invasiven Beatmung ist aber die geringere Infektionsgefahr, da der Patient bei der NIV-Beatmung wach ist. Er kann selbständig Sekret mit infektiösem Schleim abhusten. Lungenfachärzte raten daher zu einem vermehrten Einsatz der NIV.
Video: So funktioniert ein Beatmungsgerät/Beatmungsplatz
Unser beratender Experte:
Privatdozent Dr. med. Dominic Dellweg, Chefarzt der Pneumologie 1 im Kloster Grafschaft, Lehrkrankenhaus der Universität Marburg
Quellen:
Advanced Trauma Life Support (ATLS). American College of Surgeons Committee on Trauma (Hrsg.). 1. deutsche Auflage 2015
Wichtiger Hinweis: Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder –behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen. Die Beantwortung individueller Fragen durch unsere Experten ist leider nicht möglich.