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Patientinnen und Patienten in Deutschland sollen im Notfall künftig durch neue Leitstellen und Notfallzentren versorgt werden. Das geht aus Empfehlungen einer Expertenkommission der Bundesregierung hervor, die am Montag in Berlin vorgestellt wurden. Die oft unter großer Belastung arbeitenden Notaufnahmen der Krankenhäuser und die ebenfalls oft gestressten Rettungsdienste sollen so entlastet werden.Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) kündigte an, Strukturen sollten aufgebrochen werden. Versorgung solle dort stattfinden, wo sie medizinisch sinnvoll sei. „Das Krankenhaus muss im Notfall nicht immer die erste Adresse sein.“ Aber es müsse schnelle Hilfe anbieten können.

Aufbau neuer integrierter Leitstellen

Die Regierungskommission hatte im vergangenen Jahr Vorschläge für eine Klinikreform vorgestellt. Nun sieht sie unter anderem den Aufbau neuer integrierter Leitstellen in ganz Deutschland vor. Hilfesuchende, die sich im Notfall an den Rettungsdienst unter der Notrufnummer 112 oder an den kassenärztlichen Notdienst unter der 116117 wenden, sollen künftig durch so eine Leitstelle eine erste telefonische oder telemedizinische Einschätzung bekommen. Auf deren Basis sollen sie einer passenden Notfallbehandlung zugewiesen werden.

Neu geschaffen werden sollen nach den Vorstellungen der Expertinnen und Experten zudem sogenannte integrierte Notfallzentren. Sie sollen aus einer Notaufnahme eines Krankenhauses sowie einer Notfallpraxis niedergelassener Ärztinnen und Ärzte bestehen. Die Zentren sollen an den rund 420 deutschen Kliniken mit umfassender Notfallversorgung angesiedelt werden.

Erste Reaktionen fallen kritisch aus

„Einige brauchbare Ansätze, aber Vieles erscheint unrealistisch“: So kommentierte Dr. Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), die Pläne in einer ersten Reaktion. Ein Beispiel: Notdienstpraxen der Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) sollen künftig in den Integrierten Notfallzentren (INZ) mit werktäglichen Öffnungszeiten von 14-22 Uhr tätig sein. „Wann sollen die Kolleginnen und Kollegen dann noch in ihren eigenen Praxen arbeiten?“, fragt der KBV-Chef. Auch die Rolle der Patientinnen und Patienten bleibe komplett außen und werde überhaupt nicht beleuchtet.

Kritik für die Reformvorschläge zur Notfallversorgung kam auch vom Deutschen Hausärzteverband. „Ein sehr großer Teil der Notfallversorgung findet in den Hausarztpraxen statt, gleichzeitig spielen diese in dem Gutachten de facto keine Rolle“, sagte der Bundesvorsitzende Markus Beier dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Dienstag). Es dränge sich der Eindruck auf, dass die Pläne aus der Sicht der Krankenhäuser und nicht aus Sicht der Patientinnen und Patienten geschrieben worden seien. Beier forderte, die hausärztliche Versorgung zu stärken.

System der Notfallrettung stand vor dem Kollaps

Vergangenes Jahr hatten viele Notaufnahmen und Rettungsdienste über Überlastung geklagt. So hatte ein Bündnis pro Rettungsdienst im Dezember gewarnt: „Wir laufen Gefahr, dass das System der Notfallrettung in Deutschland zusammenbricht.“ Immer wieder wurde festgestellt, dass Versicherte vor allem am Wochenende mit allerlei Beschwerden in eine Notaufnahme gehen.