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Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach sprach von nicht weniger als einer „Revolution“: Würden die Vorschläge der eigenen Regierungskommission zur großen Krankenhausreform umgesetzt, entstünde ein Netz aus wohnortnahen, vor allem ambulant arbeitenden Kliniken, die eine Grundversorgung etwa für gängige chirurgische Eingriffe und Notfälle leisteten.

Daneben gäbe es spezialisiertere Häuser in der zweiten und Hochleistungskliniken in der dritten Stufe, die sich in einer sehr viel höheren Qualität als heutzutage um Patienten und Patientinnen kümmern könnten. Weil auch das reine Vorhalten von Mensch und Material im Gesundheitswesen und nicht nur der einzelne „Fall“ bezahlt würde, nähme der wirtschaftliche Druck ab – und damit auch die Konzentration auf mitunter fragliche, aber lukrative Eingriffe.

Nicht die Vorschläge an sich sind revolutionär

Käme es so, wäre das tatsächlich eine Revolution. Allerdings nicht, weil die Vorschläge an sich revolutionär sind. Die entsprechen eigentlich dem gesunden Menschenverstand und dem, was in vielen Ländern um uns herum Standard ist. Die Revolution läge darin, dass Lauterbach sich gegen gewaltige Widerstände durchgesetzt hätte.

Zum Beispiel aus der ärztlichen Selbstverwaltung, die penibel auf die Trennung von niedergelassenem und klinischem Bereich achtet, an der die Reformvorschläge mit ihrer Ambulantisierung der Krankenhäuser kräftig rütteln. Oder aus den Ländern, die die Hoheit über die Klinikplanung und teilweise längst eigene Ideen haben. Es ist fraglich, ob der Kommissions-Plan durchkommt, der fachlich kaum anzuzweifeln ist und über den Bund und Länder derzeit diskutieren.

Autor Marian Schäfer

Autor Marian Schäfer

Das muss er aber. Denn in Wahrheit geht es längst nicht mehr nur um die künftige Struktur der Krankenhauslandschaft, sondern um das Gesundheitswesen und seine Bezahlbarkeit an sich. Um das System angesichts der Alterung der Gesellschaft und der wirtschaftlichen Entwicklung zukunftssicher zu machen, wird die Politik noch ganz andere Hürden nehmen müssen.

Beispielsweise ist fraglich, ob das Thema Gesundheit eines ist, über das auf Länderebene entschieden werden sollte – insbesondere im Hinblick auf die Planung von Kliniken. Hinterfragt werden muss auch, welche Zukunft die ärztliche Selbstverwaltung mit ihren Standesvertretungen in Ländern und Regionen hat. Zwei ihrer Kernaufgaben vermag sie schließlich immer weniger zu erfüllen: die transparente, gerechte Bezahlung von niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten sowie die Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung mit Haus- und Fachärzten.

Es profitieren noch zu viele vom alten System

Außerdem: Benötigt ein Land wie Deutschland wirklich 96 Krankenkassen, die in einem Pseudowettbewerb (so gut wie alle ihrer Leistungen sind gesetzlich festgeschrieben) gegeneinander antreten? Sie verursachen ja nicht nur eigene Verwaltungskosten, sondern führen auch bei Arztpraxen, Kliniken und Apotheken zu Mehraufwand. Zum Beispiel müssen sie sich mit unterschiedlichen Rabattverträgen herumschlagen, die die Kassen mit Pharmaherstellern abschließen. Länder wie Schweden oder Dänemark zum Beispiel leben gut mit einer einzigen staatlichen Krankenkasse.

Professor Tom Bschor, der die Arbeit der Regierungskommission zur Krankenhausreform koordiniert, ist sich sicher, dass sich die Kliniklandschaft mehr an den Bedürfnissen der Bevölkerung orientieren würde, wenn die Vorschläge umgesetzt werden. Das wäre für das Gesundheitswesen insgesamt wünschenswert. Aktuell profitieren aber noch zu viele vom alten System – nur die Patientinnen und Patienten sowie Ärztinnen und Ärzte immer weniger. Daran etwas zu ändern, wäre wirklich eine Revolution.

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