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Das Notrufsystem in Deutschland könnte in Zukunft etwas anders funktionieren. Jedenfalls sehen das die Empfehlungen einer Regierungskommission vor, die Pläne für eine Refrom der Notfallversorgung in Deutschland ausgearbeitet hat. Demnach sollen unter anderem sogenannte integrierte Leitstellen aufgebaut werden. Hilfesuchende, die sich dann an den Rettungsdienst unter der Notrufnummer 112 oder an den kassenärztlichen Notdienst unter der 116 117 wenden, sollen durch eine solche Leitstelle eine erste telefonische oder telemedizinische Einschätzung bekommen. Auf deren Basis sollen sie einer passenden Notfallbehandlung zugewiesen werden.

Zu den Plänen gibt es bereits Kritik von Ärzteverbänden. Mehr dazu lesen Sie hier. Auch Hilfsorganisationen wie die Johanniter haben andere Ideen: Laut ihnen sollten die 112 sowie die 116 117 am besten zusammengelegt werden. Das berichtete „MDR Aktuell“ Anfang Februar. Wer in Zukunft die 112 wählt, soll laut dem Plan der Johanniter bei einer speziell geschulten medizinischen Fachkraft landen, die eine Einschätzung vornimmt. Je nach Art und Schwere der Erkrankung verweist sie an einen niedergelassenen Arzt oder schickt einen Rettungswagen los. Auch in der AfD und der Berliner CDU wurden zuletzt Forderungen laut, die 116 117 mit der 112 zusammenzulegen.

SPD-Experten warnen vor Abschaffung von Notfallnummern

Die SPD-Gesundheitsexperten Matthias Mieves, Berichterstatter für den Bereich Digitalisierung im Gesundheitswesen, und Dr. Herbert Wollmann, Berichterstatter für die Notfallversorgung, warnen dagegen vor einer Abschaffung der 116 117. Das geht aus einer Pressemeldung hervor, die der Apotheken Umschau vorab vorlag. Stattdessen schlagen sie eine digitale Fallweitergabe zwischen den Rufnummern vor. „Dafür sind bereits wesentliche Vorarbeiten geleistet“, so Mieves. „Die oft kritisierte Tatsache, dass ein Anruf bei der 112 fast immer mit dem Einsatz eines Rettungswagens endet, ließe sich einfach abstellen.“

Herbert Wollmann will die spezielle fachliche Expertise der 112 erhalten und diese gleichzeitig entlasten: „Die 112 muss immer und bedingungslos erreichbar sein. Wenn die Mitarbeitenden bei der 112 die Möglichkeit haben, den Anruf nach einer standardisierten Ersteinschätzung zusammen mit allen aufgenommenen Informationen direkt an die 116 117 zu übergeben, dann wäre viel gewonnen“, so Wollmann. „In Zeiten hoher Auslastung rettet das Leben.“

Mieves nennt zudem die Idee, die 116 117 als ein Element der Terminvergabe aufzubauen – inklusive digitaler Terminvergabe über 116 117.de. Er verweist auf Anfrage der Apotheken Umschau auf das Modell in Schweden. Dort können Erkrankte sowohl online als auch bei einer Hotline Hilfe finden. Das Portal hat zudem auch einen Log-In-geschützen, persönlichen Bereich mit den eigenen Gesundheitsdaten. „Ein zentrales Modell unter einer etablierten öffentlichen Marke, die direkt mit der telefonischen Terminvergabe verschränkt ist, wäre ein großer Benefit für das Gesundheitssystem in Deutschland“, sagt der SPD-Abgeordnete.

Kommission prüft Pläne für Notfallreform

Seit Jahren klagen viele Notaufnahmen und Rettungsdienste über Überlastung. So hatte das Bündnis pro Rettungsdienst im Dezember 2022 gewarnt: „Wir laufen Gefahr, dass das System der Notfallrettung in Deutschland zusammenbricht.“ Immer wieder wurde festgestellt, dass Versicherte vor allem am Wochenende mit allerlei Beschwerden in eine Notaufnahme gehen.

Was ein Notfall ist, bestimmen Patienten und Patientinnen selbst. Immer wieder handelt es sich dabei allerdings nicht um einen dringenden medizinischen Notfall. Solche Fälle belasten das Notfallsystem. Deshalb hatte das Bundesgesundheitsministerium die Regierungskommission beauftragt, einen Reformvorschlag zu erarbeiten. Diesen stellte die Regierungskommission am 14. Februar vor.

Sie skizziert ein Notfallversorgungssystem, welches auf zwei Säulen beruht. Einerseits Notfallzentren in den Krankenhäusern, die Kassenärztlicher Bereitschaftsdienst und das jeweilige Krankenhaus gemeinsam betreiben. Andererseits eine integrierte telefonische Leitstelle, die die bisherigen Leitstellen der 112 und der 116 117 verknüpft. Beide Nummern sollten jedoch erhalten bleiben, da sie der Bevölkerung gut bekannt seien, so die Regierungskommission. Sie nennen dazu zwei Vorschläge, das Ganze umzusetzen: Entweder könne es eine gemeinsame Leitstelle geben. Egal ob die betroffene Person 112 oder 116 117 wählt, am Ende würde die gleiche Leitstelle den Anruf entgegennehmen. Oder aber, es bleibt weiterhin bei zwei Leitstellen. Diese müssen aber anders als bisher enger zusammenarbeiten und gegebenenfalls an die andere Leitstelle weiterleiten können.


Quellen:

  • Seifert A: Neuer Anlauf für einheitliche Notrufnummer. https://www.mdr.de/... (Abgerufen am 15.02.2023)
  • Bundesanzeiger Verlag GmbH: Medizinische Notfallversorgung schnell, qualitativ hochwertig und bezahlbar gestalten. https://dserver.bundestag.de/... (Abgerufen am 15.02.2023)
  • CDU: Feuerwehr: CDU beschließt umfangreichen Rettungsplan. https://cdu.berlin/... (Abgerufen am 15.02.2023)