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Wenn der Bademantel zu lang ist und auf dem Boden schleift, ist wohl jedem klar: Das kann nicht gut gehen – das Stolpern scheint vorprogrammiert. Dass es ähnlich sturzgefährlich sein kann, wenn man Slipper oder Pantoffeln trägt, sei kaum jemandem bewusst, sagt Dr. Ellen Freiberger von der Universität Erlangen-Nürnberg. Die Sportwissenschaftlerin und Gerontologin nutzt den Vergleich gerne, um für ­ihre Botschaft zu werben: „Das ­Thema Schuhe findet zu wenig ­Beachtung.“ Dabei ist der Einfluss des Schuhwerks auf die Gesundheit im Alter weit größer als bei Jüngeren.

Auch Füße werden älter

Ein Grund dafür lautet: Auch unsere Füße kommen in die Jahre. Das Fußgewölbe senkt sich, die Muskeln in Beinen und Füßen schrumpfen, der Fuß wird weniger beweglich und biegsam. Oft geht der Fuß etwas in die Breite, manchmal auch in die Länge. „Wer jahrzehntelang Größe 43 getragen hat, braucht im Alter vielleicht 44 oder 44 ½“, weiß Arno ­Carius, Schuhmachermeister im sächsischen Torgau. Häufig verändert sich das Gehen. So kommt der Fuß bei der Schwungbewegung nicht mehr so hoch – man bleibt eher zum Beispiel an einer Stufe hängen.

Hinzu kommt, dass sich Fußprobleme typischerweise mit der Zeit ­verstärken. Ein Ballenzeh (Hallux ­valgus) etwa, der oft schon in ­mittleren Jahren und meist bei ­Frauen ­auftritt, könne sich im Alter verschlimmern, ­erklärt Fußorthopäde Dr. Manuel Nell aus München.

Fester Halt, guter Stand

Fersensporn, Probleme mit der ­Achillesferse und Arthrosen – vom Zehengrund- bis zum Sprunggelenk – seien ohnehin im Alter ­verbreitet, weiß Nell. Geeignete Schuhe könnten sehr dazu beitragen, das ­Fortschreiten solcher Erkrankungen zu bremsen und Schmerzen zu lindern. Aber was braucht der passende Schuh? Das ist individuell, aber ein paar Grundregeln gibt es: Der Schuh sollte genügend Halt geben und einen guten Stand ermöglichen. Meist ist eine flexible Sohle günstig, die das Abrollen des Fußes unterstützt.

Nicht zu eng sollte der Schuh sein, um Druckstellen und ­Schmerzen zu vermeiden. Und nicht zu weit, um sicher und stabil zu gehen. Auch sollte der Schuh gut an den Umfang des Fußes anzupassen sein, etwa durch eine genügend lange Schnürung: ­Besonders bei älteren Menschen wird der Fuß im Laufe des Tages dicker. Auch wichtig: eine rutschfeste Sohle.

Schuhhersteller orientierten sich hauptsächlich an jungen Kunden, bemängelte 2019 eine Übersichtsarbeit zum Thema. Ein Beispiel sind Sneaker, Alltags-Sportschuhe, von denen Schuhmacher Carius älteren Menschen eher abrät. „Sie lassen zum Beispiel meist wenig Platz für Einlagen. Die Ferse schlüpft beim Gehen leicht hinten heraus.“

Orthopäde Manuel Nell empfiehlt, sich beim Kauf in jedem Fall Zeit zum ­Anprobieren zu nehmen. Zwei bis drei Minuten Testlauf ­genügten vor allem im Alter nicht, ­Probleme würden sich oft erst später zeigen. Wer Einlagen oder ­Kompressionsstrümpfe nutzt, sollte diese auch bei der Anprobe tragen (siehe Spickzettel rechts).

Stiefkind im Schuhregal

Hausschuhe sind so etwas wie das Stiefkind im Schuhregal. Kaum ­beachtet, aber enorm wichtig, ­findet Sturzexpertin Freiberger: „Es sind die Schuhe, die ältere Menschen oft den längsten Teil des Tages ­tragen.“ US-Forschende fanden in einer ­Langzeitstudie heraus, dass die ­Ursache für Stürze zu Hause oft falsche Hausschuhe sind. Diese sollten hinten geschlossen sein und sich vorne sicher schließen lassen, etwa per Klettverschluss. Wenig geeignet: ein Reißverschluss, weil er sich nicht anpassen lässt.

Plüschpantoffeln, Badelatschen: Auch Physiotherapeutin ­Christina Kauper sieht das Problem, wenn ­Patienten zu ihr in die Beratung kommen. Sie kümmert sich an den Segeberger Kliniken in Bad ­Segeberg um die ­Hilfsmittelversorgung von Parkinson-Kranken. „Die ­Patienten wählen ihre Schuhe meist nach Praktikabilität aus, nicht nach ­Sicherheit“, so Kauper. In ­einen ­offenen Hausschuh ­müsse man eben nur ­hineinschlüpfen. Die ­Expertin ­versteht das, haben doch viele ­Betroffene Probleme mit der ­Feinmotorik und Mühe, sich zu ­bücken. Sie sucht nach ­individuellen Lösungen, für drinnen und ­draußen: „Hilfreich können Gummi-Schnürbänder sein, die man nur beim ­ersten Tragen schließen muss.“

Ohne Hausschuhe, auf Socken oder gar barfuß durch die ­Wohnung zu gehen, ist übrigens keine gute Alternative. Die Forschung hat ­herausgefunden, dass man damit eher aus dem Gleichgewicht kommt und leichter hinfällt.

Richtig anprobieren: fünf Tipps

  1. Schuhe wenn möglich später am Tag kaufen - dann sind die Füße häufig etwas dicker
  2. Beim Probelauf nicht nur ­geradeaus, sondern auch um Kurven gehen - so kann man feststellen, ob die Schuhe genügend Halt geben
  3. Socken in verschiedener Stärke (Baumwolle, Wolle) mitnehmen
  4. Sich in den Schuhen auf die ­Zehenspitzen stellen: Ist der Schuh (die Sohle) flexibel genug?
  5. Sofern Sie sich abstützen können: Auf ein Bein stellen - habe ich mit dem Schuh ein gutes Gleichgewicht?

Für besondere Fälle

  1. In der Pflege: Auch beim Wechsel vom Bett in den Rollstuhl oder
    vom Rollstuhl auf die ­Toilette sollte man geschlossene Hausschuhe mit sicherem Halt tragen – die Sturzgefahr ist sonst erhöht. Antirutschsocken mit ­Noppen sind keine gleichwertige ­Alternative.
  2. Bei Parkinson: Patientinnen und ­Patienten haben oft einen unsicheren Gang, machen kleine ­Schritte, bleiben leicht hängen. ­Wichtig sind Schuhe mit gutem Sitz. In der ­Physiotherapie-Praxis ­fragen: Die Schuhe sollten zu den ­individuellen Problemen ­passen.
  3. Bei Diabetes: Die Schuhe dürfen nicht scheuern oder drücken. Insbesondere Betroffene mit ­diabetischen Nervenschäden spüren dies nicht, sodass schnell ­Wunden am Fuß ­entstehen. ­Unter Umständen können weich gepolsterte ­Einlagen oder spezielle Maßschuhe verordnet werden.

Quellen:

  • Cai Y, Leveille SG, Andreeva O et al.: Characterizing Fall Circumstances in Community-Dwelling Older Adults: A Mixed Methods Approach . https://academic.oup.com/... (Abgerufen am 15.06.2023)
  • Menz HB: Biomechanics of the Ageing Foot and Ankle: A Mini-Review. Gerontology: https://karger.com/... (Abgerufen am 21.12.2023)
  • Jellema AH, Huysmans T, Hartholt K et al.: Shoe design for older adults: Evidence from a systematic review on the elements of optimal footwear. Maturitas: https://www.maturitas.org/... (Abgerufen am 21.12.2023)
  • Kelsey JL, Procter-Gray E, Nguyen UDT et al.: Footwear and Falls in the Home Among Older Individuals in the MOBILIZE Boston Study. Footwear Science: https://www.tandfonline.com/... (Abgerufen am 21.12.2023)
  • Bowen C, Ashburn A, Cole M et al.: A survey exploring self-reported indoor and outdoor footwear habits, foot problems and fall status in people with stroke and Parkinson's. Journal of Foot and Ankle Research: https://jfootankleres.biomedcentral.com/... (Abgerufen am 21.12.2023)