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Nachgefragt! Folge 212 mit Prof. Dr. Jörg Timm

Das Transkript zur Folge 212 mit Professor Jörg Timm:

Ein Interview über Virusmutationen mit...

Mein Name ist Jörg Timm. Ich bin Leiter am Institut für Virologie am Universitätsklinikum in Düsseldorf. Das gehört zur Heinrich-Heine-Universität. Und wir machen hier im Institut die Diagnostik für Virusinfektionen insgesamt und natürlich auch für das neue SARS-CoV-2-Virus.

Was ist eine Mutation?

Eine Mutation heißt erst mal, eine Veränderung in der Erbsubstanz. Und das ist etwas, was grundsätzlich alle Lebewesen erfahren. Und das heißt, dass Mutationen... eingebaut werden, das sind erst mal Fehler. Und bei einigen Organismen wie Viren ist das so, dass diese Fehler auch in der Regel ein Nachteil sind. Aber eben auch einen Vorteil bieten können.

Und nach dem Prinzip der Evolutionstheorie von Darwin einen Vorteil haben, dann sind solche Organismen wie diese Viren mit einer Mutation möglicherweise besser verbreitbarer oder solche Dinge sind.

Was wissen wir bis dato über die britische Virusmutation?

Diese sogenannte englische Variante, die ja mit dem Kürzel B117 auch immer bezeichnet wird, die zeichnet sich eben dadurch aus, dass relativ viele Veränderungen gleichzeitig in Erscheinung treten. Ob die gleichzeitig aufgetreten sind, ist nicht bekannt.

Aber dieses Virus mit diesen Veränderungen hat nach den Daten, die man jetzt hat, veränderte, biologische Eigenschaften. Deswegen macht es das besonders. Die wesentliche Erkenntnis daraus ist, dass es zu einer deutlich höheren Übertragungsrate kommt. Das heißt, wenn wir sonst sagen, dass es ungefähr, zumindest nach den aktuellen Kontaktbeschränkungen, von einem Infektionsfall ein weiterer Patient sich ansteckt, ist das mit dieser Variante so, dass auf einen Infektionsfall im Durchschnitt anderthalb Patienten sind, wenn man von halben Patienten sprechen kann.

Also auf jeden Fall eine deutlich erhöhte Infektionszahl. Und das macht es eben sehr gefährlich. Deswegen verbreitet sich diese Variante auch so schnell. Dazu gibt es ganz gute Untersuchungen. Jetzt eben aus England. Wir sehen es aber auch beginnend jetzt in Dänemark. Und das macht diese Variante besonders.

Es sieht aber nicht so aus, als ob die Immunantwort, beispielsweise die Impfantwort, ein Problem ist. Das heißt, die Impfung wird gegen diese Variante, wie wir jetzt wissen, auch funktionieren.

Was wissen wir bis dato über die südafrikanische Virusmutation?

Die hat gewisse Gemeinsamkeiten. Wenn man das vergleicht mit dieser englischen Variante. Es kommt aber noch eine Besonderheit dazu. Eine zusätzliche Mutation, die durchaus auch etwas bedeuten kann, dann eben doch für die Immunantwort. Das heißt, diese schnellere... Verbreitung wird wahrscheinlich für die südafrikanische Variante genauso sein, auch wenn es dazu noch keine guten Daten gibt.

Aber zumindest aus dem Labor gibt es auch ein paar Hinweise, dass vielleicht die Immunantwort sprich eine Impfung, nicht genauso gut funktioniert gegen diese Variante. Das sind jetzt noch sehr vorläufige Daten. Das muss man im Verlauf noch genauer beobachten. Aber trotz alledem besteht ein gewisser Grund zur Sorge. Deswegen ist es auch wichtig, dass diese Variante sich nicht weiter bei uns verbreitet.

Wieso könnte der Impfstoff nicht wirken?

Wenn wir von einer Variante reden, heißt es, dass in dem Virus verschiedene Mutationen sind. Und da gibt es, vor allem bei den aktuell diskutierten Varianten Mutationen, die in dem Oberflächenprotein, also dem Eiweiß, das in der Virushülle sitzt, da gibt es Veränderungen. Und diese Veränderungen sind zum einen wichtig für das Andocken des Virus an die Zielzelle.

Das heißt, dass eine Infektion erst entsteht. Diese Veränderungen sind aber möglicherweise auch wichtig für die Immunreaktion. Das heißt, das Binden von Antikörpern, was uns eigentlich einen Schutz bietet, das ist möglicherweise beeinträchtigt.

Und da gibt es bei der südafrikanischen Variante eben durchaus Hinweise, dass Antikörper an dieses veränderte Virus nicht mehr ganz so gut binden. Das sind erst mal nur Labordaten. Das heißt, wir wissen nicht, ob das auch klinisch im Umlauf von Bedeutung ist. Aber mit diesen Labordaten muss man sagen, muss man auf jeden Fall sehr sorgfältig nachschauen. Und die Variante ist daher auch potenziell gefährlich.

Wie leicht kann der Impfstoff an Mutationen angepasst werden?

Bei der neuen mRNA-Impfstofftechnologie, das heißt, das sind diese Impfstoffe, die ja auch aktuell zugelassen sind von den Firmen Biontech und Moderna. Bei denen ist es so, dass es technisch relativ einfach ist.

Das heißt, die Produktion dieser Impfstoffe kann relativ einfach verändert werden, um, ich sage mal, eine modifizierte Variante dieses... dieses Virus auch irgendwie mit abzudecken.

Die Frage ist dann allerdings, ob das auch problemlos in der Zulassung ist. Das ist ein veränderter Impfstoff und es muss geklärt werden, ob der gleiche Zulassungsweg wie ein neuer Impfstoff noch mal begangen werden muss. Aber technisch ist das relativ einfach, ich denke, das wird man auch, je nachdem, wie sehr sich eine Variante dann auch durchsetzt, wahrscheinlich auch entsprechend anpassen können.

Wie sollten wir jetzt mit dieser Situation umgehen?

Man muss eigentlich davon ausgehen, dass wir sie in Deutschland durchaus in relevanten Zahlen haben. Noch nicht so verbreitet, dass sie das Infektionsgeschehen beeinflusst. Aber zumindest so, dass wir nicht mehr sagen können, dass wir ohne Weiteres diese Variante in ihrer Verbreitung verhindert werden.

Was kann man trotzdem tun? Wir müssen die Zeit nutzen, um möglichst wenig Infektionen weiterhin in Deutschland zuzulassen. Das ist der einzige Weg, um eine Verbreitung von solchen Varianten sicherzustellen. Die Regeln, die wir sonst kennen, Abstand, Hygiene... Alltagsmasken und auch Lüften, die wirken natürlich genauso gegen diese Varianten.

Wir haben aber mit der erhöhten Verbreitung etwas mehr Probleme, mit diesen Regeln, das gleiche Ziel zu erreichen. Aber deswegen sind die Regeln nicht falsch. Deswegen müssen wir damit in der Tat sehr sorgsam umgehen. Dass wir sicherstellen, dass wir so viel Zeit gewinnen, dass wir eine breite Durchimpfung haben, weil das ist letzten Endes das wichtigste Ziel, was wir in der Pandemiebekämpfung verfolgen können.

Was dann auch für die Entstehung solcher Varianten ein sicherer Schutz wäre. Je weniger Infektionen, desto niedriger ist das Risiko, dass irgendwelche Mutationen entstehen.

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