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Das Transkript zur Folge 209 mit Professor Lars Kaderali:

Ein Interview über ein Rechenmodell zur Prognose des Pandemieverlaufs mit...

Ja, mein Name ist Lars Kaderali. Ich bin in Greifswald an der Universitätsmedizin tätig. Bin Professor für Bioinformatik und leite dort das Institut für Bioinformatik.

Laut Prognose: Wie wird die Pandemie weiter verlaufen?

Bundesweit gehen wir im Moment davon aus, dass wir diesen berühmten R-Wert etwa im Bereich zwischen 0,8 und 0,9 haben. Das heißt, eine infizierte Person infiziert 0,8 bis 0,9 andere Personen. Die Schätzung ist aber durch die Feiertage nach wie vor recht ungenau. Das ist immer noch ziemlich schwierig, da einen genauen Wert abzuschätzen.

Grundsätzlich kann man sagen, Lockdown vom 16.12. zeigt eine deutliche Wirkung. Also, wenn Sie sich überlegen, freilaufendes Virus hätte einen R-Wert, der irgendwo zwischen 3 und 4 liegt. Da sind wir also deutlich drunter. Man würde sich natürlich wünschen, dass der Wert noch deutlicher unter 1 ist, dann würde es schneller gehen.

Ein R-Wert von 0,8 bis 0,9 bedeutet langsam fallende Inzidenzen. Das Modell prognostiziert dementsprechend bundesweit auch für Anfang Februar noch Inzidenzen über 100. Das heißt, wir gehen davon aus, dass es voraussichtlich Verlängerungen der Kontaktreduktionsmaßnahmen geben wird, geben werden muss.

Wenn es gut läuft, könnten dann im Laufe des Märzes die 50er-Inzidenzen erreicht werden im Bundesmittel.  Und dann werden so langsam auch die Impfungen, deren Wirkung, einsetzen. Dann wird es hoffentlich wärmer werden, der Frühling kommt.  Das heißt, um Ostern rum, hoffen wir, wird sich die Situation wirklich deutlich entspannen.

Was wir nicht wirklich vorhersagen können bisher, ist, welchen Effekt diese mutierten Viren haben werden. Inwieweit die hier einschlagen bei uns. Und auch in den Krankenhäusern wird die Situation noch eine ganze Weile angespannt bleiben. Da gibt es eben eine Verzögerung, bis die sinkenden Fallzahlen auch tatsächlich im Krankenhaus ankommen. Das heißt, wir werden auch weiterhin mit hohen Todeszahlen leider rechnen müssen.

Auf der positiven Seite... Ich würde davon ausgehen, dass wir mit dem kommenden Frühling, vielleicht um Ostern rum, dann eine deutliche Entspannung der Situation erleben werden. Der Sommer dürfte viele Lockerungen möglich machen. Vielleicht wird es ein halbwegs normaler Sommer sogar.

Ich hätte die Hoffnung, dass dann Corona im Herbst kein Thema mehr ist. Der Schlüssel dafür ist aber wirklich die Impfung. Das heißt auch von unserer Seite die ganz klare Ansage, gehen Sie und lassen Sie sich impfen.

Wie funktioniert das Rechenmodell?

Das ist das Interface von dem Simulationsprogramm. Das ist auf unseren Webseiten zu finden, ist öffentlich. Da kann also jeder drauf zugreifen. Die Adresse hier oben Kaderali.org:3838/covidsim. Und dann kommen Sie an dieses Fenster hier.

Auf der rechten Seite werden die Modellsimulationen vorgestellt. Auf der linken Seite kann man die Modellparameter einstellen. Da sehen Sie schon, das ist eine ganze Reihe. Da sind verschiedene Reiter hier.

Wir können erst mal die Region auswählen. Wir haben das also für Deutschland gemacht, für verschiedene Bundesländer dann auch. Und auch für einige europäische und internationale Länder. Ich kann zum Beispiel hier für mein Bundesland Mecklenburg-Vorpommern die Simulation machen. Parameter auswählen. Und dann wird entsprechend  eine Prognose hier angezeigt.

An den Parametern gibt es zunächst mal eben diese Populationsparameter. Da kann man voreinstellen... Bevölkerungsanteil, wie viel immun ist,  wann die Infektion losgegangen ist, was es für einen Meldeverzug gibt.

Wichtiger sind vielleicht hier Kontaktreduktionsmaßnahmen. Also, wenn irgendwelche politischen Maßnahmen beschlossen wurden, dann kann man das Datum festlegen und den Effekt davon einstellen. Die sind dann hier durch diese grau gestrichelten Linien auf der Zeitachse auch gezeigt.

Dann gibt es eine ganze Reihe klinische Parameter, die für die Simulation eine Rolle spielen. Das sind so Dinge wie die Inkubationsphase, wie lange das dauert.  Oder wie lange die Erkrankung dauert. Wie lange die Patienten im Mittel im Krankenhaus sind. Das ist dann für die Bettenbelegung wichtig. Wie die Todesfälle auf Intensivstationen sind und solche Parameter.

Das ist das, was ich bei der Einleitung sagte. Das ist die Krux von dem Ganzen, eben diese Parameter vernünftig zu schätzen. Das haben wir halt viel aus der Literatur übernommen. Und dann auch mit unseren klinischen Kollegen hier versucht, möglichst genaue Schätzwerte zu bekommen, aus deren Erfahrung. Und das eben dann auch. aus dem Pandemieverlauf seit Jahresanfang geschätzt.

Gleiches gilt für die Infektionsraten. Also wie wahrscheinlich Übertragungen sind, wenn jemand zum Beispiel eine asymptomatische Erkrankung hat. Oder auch eine schwere Infektion hat. Es macht auch einen Unterschied, ob jemand im Krankenhaus liegt. Da ist die Wahrscheinlichkeit, dass er ansteckt, kleiner, als wenn er mit einer asymptomatischen Infektion unerkannt durch die Gegend läuft. Solche Sachen berücksichtigen wir.

Wir haben auch Saisonalität mit im Modell drin. Und dann eben auch Impfungen, die Impfbereitschaft der Bevölkerung. Wie viele Impfdosen zur Verfügung stehen, spielt dafür eine Rolle. Und damit macht das Modell dann eben die Simulation.

Das Ergebnis davon ist dann hier rechts gezeigt. In Blau, die Punkte, sind die Daten vom Robert-Koch-Institut In Blau sind die kumulierten Infektionszahlen gezeigt. Die durchgezogene Linie sind entsprechend die Modellsimulationen. Das ist jetzt hier gezeigt ab Oktober.

Wir haben genauso seit März eigentlich die Daten auch. Schätzen daraus eben die Parameter und können dann die Prognose machen. Und hier sehen Sie, dass das ganz gut bisher zu der Situation, wie sie sich entwickelt hat, macht. Und das Modell kann dann eben weiterrechnen.

Hier unten, sieht man in der Skalierung nicht so gut, sind die täglichen Neuinfektionen und auch die Todesfälle. Wie gesagt, das sind jetzt die Daten von Mecklenburg-Vorpommern. Ich kann das mal ein bisschen aufziehen. Dann sieht man hier unten... Gucken wir mal... 600 oder so was... Dann sieht man hier in Schwarz die kumulierten Todesfälle. Die Punkte sind wieder die tatsächlichen, die durchgezogene Linie ist die Modellprognose. Und Rot, die Punkte, sind die täglichen Neuinfektionen, so wie sie gemeldet werden dem Robert-Koch-Institut.

Da sehen Sie auch, wo die Problematik liegt beim Parameterschätzen. Das streut ganz enorm. Hier unten, das sind dann so die Wochenenden, wenn nicht gemeldet wird. Hier oben sind dann dieser hohe Punkt hier, das waren dann die Nachmeldungen nach Neujahr.

Daraus versucht man dann eben, mit dem Modell einen Trend abzuleiten und die Parameter zu schätzen und damit Prognosen zu machen. Und dann kann man entsprechend hier Langezeitprognosen erstellen mit dem Modell. Unter verschiedenen Voraussetzungen.

Das Modell kann die Fallzahlen ausgeben, die sich ergeben. Und wir können auch 7-Tage-Inzidenzen natürlich rechnen. Das sind Sachen, die in der Presse und in der Politik immer viel gefragt werden. Weil diese 7-Tage-Inzidenzen dort viel genutzt werden eben.

Und was man hier ganz schön sieht, sind in Schwarz die 7-Tage-Inzidenzen nach den Meldedaten. Also, das sind die tatsächlichen vom Robert-Koch gemeldeten. Das Robert-Koch-Institut meldet auch oder veröffentlicht auch Daten nach Krankheitsbeginn. Das ist hier in Rot gezeigt.

Die Kurve fällt am Schluss ab, weil die Leute, für die die Krankheit heute auftritt, die sind noch gar nicht getestet worden. Die kommen also erst in den nächsten Tagen, das heißt, das steigt dann an. Und Blau sind entsprechend die 7-Tage-Inzidenzen, so wie das Modell das zeigt.

Und was man hier zum Beispiel sieht, das sind wie gesagt für Mecklenburg-Vorpommern die Zahlen, dass wir über die Weihnachtstage einen Rückgang der 7-Tage-Inzidenzen hatten. Der aber vor allen Dingen daran liegt, dass da viel weniger getestet worden ist. Und dann sieht man eben, nach Weihnachten geht das plötzlich wieder hoch. Das sind dann die Nachmeldungen  die auftreten.

Dann kommt hier Neujahrstag, wieder ein zweiter Knick. Und danach kommen die ganzen Nachmeldungen. Und dann geht die 7-Tage-Inzidenz sehr, sehr hoch.  Dann hat man aber diesen Nachmeldeeffekt. Das heißt, die Inzidenzen gehen viel höher, als sie tatsächlich sind. Die nähern sich jetzt so langsam wieder dem realen Wert an.

Ja, und das Modell liegt da ziemlich mittendrin. Jetzt wird man sehen in den nächsten Tagen, wie sich das weiter entwickelt. Ob wir das im Moment noch überschätzen. Aber der Trend, glaube ich, dürfte so in die Richtung sich bewegen, wie es hier gezeigt ist.

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