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Nachgefragt! Folge 214 mit Prof. Dr. Hendrik Schulze-Koops

Das Transkript zur Folge 214 mit Professor Hendrik Schulze-Koops:

Ein Interview über Rheuma und Covid-19 mit...

Mein Name ist Hendrik Schulze-Koops. Ich leite die Rheumatologie und Klinische Immunologie am Klinikum der Universität München, bin im Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie und in dieser Funktion auch zuständig für die Information von Patienten.

Sind Rheumapatienten ein Teil der Risikogruppe?

Das ist eine sehr gute Frage, die wir von Anfang an, seit März 2020, kurz nachdem die WHO die Situation als Pandemie erklärt hat, auch ganz intensiv diskutiert hatten, weil wir keine Erfahrung hatten mit dieser neuen Herausforderung und auf der anderen Seite schnell mit Empfehlungen von Expertenmeinungen und dann zunehmend von Beobachtungen und klinischen Studien versucht haben, zu beantworten, um unsere Patienten ganz gut und... optimal durch diese Pandemie zu führen.

Die Frage ist, haben Rheumapatienten an sich aufgrund ihrer Erkrankung ein besonderes Risiko, sich zu infizieren, und wenn sie sich infizieren sollten, für einen schweren Verlauf.

Die kann man eindeutig mit "Nein" beantworten. Patienten mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen haben aufgrund ihrer Erkrankung kein höheres Risiko, als ein Individuum gleichen Alters, gleicher Herkunft oder Sozialstruktur, der keine entzündlich-rheumatische Erkrankung hat. Das ist das Erste.

Das Zweite, Patienten mit rheumatischen Erkrankungen, die unter einer Therapie stehen, die diese Erkrankung in den Griff bekommen soll, sprich eine klassische antirheumatische Therapie, haben aufgrund der Therapie ebenfalls kein höheres Risiko, sich mit dem Virus zu infizieren. Oder wenn sie infiziert sind, einen schweren Verlauf zu haben.

Sodass wir klar Ihre Frage so beantworten können, Patienten mit rheumatischen Erkrankungen haben weder aufgrund der Erkrankung noch aufgrund einer Therapie ihrer Rheuma-Erkrankung, ein besonderes Risiko für eine Infektion, oder sollten sie sich infizieren, ein Risiko für einen schweren Verlauf.

Das gilt mit zwei Ausnahmen. Und zwar sind Glucocorticoide, also das klassische Cortison, ein Risiko für unsere Patienten. Es gibt deutsche und internationale Datenbanken, die deutlich zeigen, dass bei einer Tagesdosis von mehr als zehn Milligramm ein höheres Risiko der notwendigen Hospitalisierung für die Patienten auftritt, und dann auch ein höheres Risiko für einen schwereren Verlauf.

Das zweite Risiko ist womöglich die Therapie mit einer Substanz, die die B-Zellen depletiert, Rituximab ist das, was wir in der Rheumatologie einsetzen, da wir da, zumindest in dem deutschen Register, eine Situation vorfinden, die wir beobachtet und publiziert haben. Dass Patienten, die unter Rituximab-Therapie stehen, einen möglicherweise doch schwereren Verlauf bis hin zu tödlichen Ausgängen entwickeln werden.

Sodass wir unter diesem Aspekt, aber auch unter dem Aspekt einer möglichen negativen Beeinflussung einer effektiven Impfung, die jetzt ansteht, die Rituximab-Therapie sehr kritisch sehen.

Ist der Impfstoff für Rheumapatienten unbedenklich?

Ganz klare Ansage, Patienten mit Rheuma-Erkrankung müssen ebenso in den Genuss einer Impfung kommen dürfen, wie ein Patient ohne Rheuma. Es gibt keine, absolut keine Daten, die uns dazu leiten würden, dass wir sagen müssten, unsere Patienten sind entweder gefährdet, bezüglich einer Nebenwirkung von einer der bekannten oder in Entwicklung befindlichen oder bereits zugelassenen Impfstoffe gegen SARS-CoV-2, oder unsere Patienten würden schlecht ansprechen.

Also klare Ansage, die einzige Kontraindikation für eine Impfung... oder gegen eine Impfung gegen SARS-CoV-2, ist eine allergische Reaktion gegen eine der Substanzen, die in der Impfung, in der Impfvakzine, vorhanden ist.

Es gibt keine Kontraindikation bezüglich der Rheuma-Grunderkrankung. Es gibt keine Kontraindikation bezüglich einer chronischen Therapie. Es gibt keine Daten, die uns sagen würden, dass Patienten mit Autoimmunerkrankungen oder Patienten unter immunsuppresiver Therapie besondere Risiken darstellen würden oder besondere Risiken hätten.

Das liegt daran, dass in den Phase-III-Studien der großen Firmen, die im westlichen Europa oder in den USA zugelassen sind, die Moderna-, Biontech- und AstraZeneca-Impfstoffe, dass die in den Phase-III-Studien Patienten mit immunsupprimierenden Erkrankungen und Therapien ausschlossen, sodass wir keine langfristigen Daten haben.

Wir haben ein paar wenige dreistellige Zahlen von Patienten mit Autoimmunerkrankung in diesen Studien dennoch eingeschlossen, die Daten stehen aber nicht zur Verfügung, sodass wir im Moment nicht im Detail betrachten können, wie die Patienten reagieren.

Die Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie, wie die europäische Rheumaliga "EULAR", sagen eindeutig, Patienten mit rheumatischen Erkrankungen müssen... genauso geimpft werden gegen SARS-CoV-2, wie ein Individuum, das keine Rheuma-Erkrankung hat oder ein Individuum, das keine Therapie einer Rheuma-Erkrankung hat.

Die Ausnahme gilt für Patienten mit einer aktiven Rheuma-Erkrankung. Da wird die Impfung im Moment empfohlen zu pausieren oder nicht zu geben, bis die Erkrankung wieder inaktiv ist. Bei Patienten, die gerade Rituximab bekommen haben, gehen wir davon aus, dass der Impferfolg nicht so hoch sein wird, als hätten die Patienten nicht Rituximab.

Aber nach den Empfehlungen der "EULAR" ist eine Situation, wo Patienten Rituximab bekommen müssen, nichtsdestotrotz eine Situation, bei der man im Wissen, dass der Effekt womöglich nicht so perfekt ist, dennoch eine Impfung empfiehlt.

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