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Bei Pflege denken die meisten an ältere Menschen. Dabei gibt es viele pflegebedürftige Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene – meist kümmern sich ihre Eltern um sie. Sie haben die unterschiedlichsten Erkrankungen oder Behinderungen, von Krebs über Tri­somie 21 bis hin zu Entwicklungs­verzögerungen.

1. Allgemeine Leistungen der Pflegekasse

Familien mit pflegebedürftigen Kindern stehen natürlich dieselben Leistungen der Pflegekasse zu wie Senioren. Voraussetzung ist, dass das Kind einen Pflegegrad hat. Bei einem Pflegestützpunkt oder einer anderen Beratungsstelle bekommen Sie einen Überblick, welche Gelder Sie von der Pflegekasse bekommen und welche Leistungen Sie nutzen können. Hier eine Übersicht über das, was Ihnen zusteht.

Unser Pflegesystem ist auf ältere Menschen ausge­richtet. Pflegedienste und Heime haben mehr mit kranken Senioren zu tun, Kinder fallen oft durchs Raster. Kurzzeit­pflege-Einrichtungen sind ohnehin überfüllt. Für Jüngere ist es noch schwerer, einen passenden Platz zu bekommen. Außerdem sind auch Beratungsstellen und Kassen manchmal mit Fällen von jüngeren Pflegebedürftigen überfordert. Gerade bei sehr spezifischen und sel­tenen Erkrankungen bekommt man schwerer Unterstützung als bei verbreiteten Krankheitsbildern. "Euer Sachbearbeiter hat nur zwei von 100 Fällen, in denen es um Kinder geht", sagt Marion Mahnke, Pädagogin und Coach für pflegende Eltern. "Braucht ihr ein Hilfsmittel, müsst ihr besonders gut erklären, warum." 

2. Spezielle Pflege-Infos für Kinder mit Behinderung

Allerdings haben pflegende Eltern auch mit vielen Themen zu tun, die Senioren nicht betreffen – und in den klassischen Auflistungen über Leistungen deshalb oft fehlen. Dazu gehören etwa:

  • Kindergeld: Hat das Kind eine Behinderung, kann es Kindergeld über den 25. Geburtstag hinaus bekommen.

  • Kindkrank-Tage: Bekommen zwar alle Eltern – Eltern von pflegebedürftigen Kindern können diese aber ebenso nutzen, wenn etwa Arzttermine oder Therapien anstehen.

  • Grundsicherung: Volljährige pfle­gebedürf­tige Kinder, die nachgewiesenermaßen nicht regulär arbeiten können, haben Anspruch auf Grundsicherung – "unabhängig vom Einkommen der Eltern", so Steiner. Melden Sie sich rechtzeitig vor dem 18. Geburtstag beim Sozialamt. 
  • Gesetzliche Betreuung: Kommt zwar auch bei Senioren vor, ist aber auch bei Kindern mit einer Behinderung wichtig, sobald sie den 18. Geburtstag erreichen. Vorher können die Eltern für sie entscheiden – aber ihre volljährigen Kinder dürfen sie nur dann vertreten, wenn sie der gesetzliche Betreuer sind. Am besten melden Sie sich ein halbes Jahr vor dem 18. Geburtstag Ihres Kindes beim Amtsgericht.

  • Persönliches Budget: Für manche erwachsene Kinder mit Behinderung kommt das persönliche Budget ­infrage. Dabei wird man selbst zum Arbeitgeber und stellt seine eigenen Assistenten an. Eine Alternative zum Pflegedienst, die vielen mehr Selbstständigkeit verschafft.
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Meine Erfahrung

"Das Kindergeld darf nicht auf die Grundsicherung des erwachsenen behinderten Kindes angerechnet werden, wenn das Kind zuhause bei seinen Eltern lebt. Als eine Sachbearbeiterin dies bei uns versuchte, kündigte ich sofort Widerspruch an – und dann ging es plötzlich doch. Allerdings ist es statthaft, das Kindergeld auf eine eventuelle Hartz4-Leistung der Eltern anzurechnen, was ich äußerst unfair finde."

Nicole Kultau, pflegt ihren Sohn

3. Auszeiten für pflegende Eltern

Auch wenn es manchmal fast unmöglich scheint: "Ihr müsst mit euren Kräften haushalten – es ist ein Marathon, kein Sprint", rät Marion Mahnke. Die Pädagogin ist selbst Mutter einer Tochter mit Trisomie und begleitet seit Jahren ­Eltern behinderter Kinder als Coach. "Nur fit und ausgeglichen könnt ihr die Pflege schaffen."

Von der Pflegekasse stehen verschiedene Budgets für Auszeiten zur Verfügung:

  • Verhinderungspflege: Dabei kümmert sich eine Freundin, der Nachbar oder auch ein Mitglied der Familie zuhause um Ihr pflegebedürftiges Kind, während Sie weg sind. Die Kasse zahlt in der Zeit die Betreuung. Pro Jahr gibt es dafür ein Budget von 1612 Euro (das auf 2.418 Euro aufgestockt werden kann).

  • Kurzzeitpflege: Dabei wird das pflegebedürftige Kind eine Zeit lang in einer Pflegeeinrichtung betreut. Auch hierfür gibt es im Jahr ein Budget von 1612 Euro (wenn man die Verhinderungspflege nicht nutzt, sind es 3.224 Euro.)
  • Kur- oder Vorsorgemaßnahmen: Verschiedene Kur-Einrichtungen haben sich auf Pflegende spezialisiert. Bei einigen kann man das pflegebedürftige Kind mitnehmen.  Lassen Sie sich beraten – zum Beispiel bei den Wohlfahrtsverbänden Caritas, Diakonie, AWO, DRK oder Paritätischer Wohlfahrtsverband. Auch das Müttergenesungswerk engagiert sich: Hier finden Sie eine Beratungsstelle in Ihrer Nähe.

  • Kinderhospiz: Der Begriff Kinderhospiz schreckt ab. Doch das Kind muss nicht in der letzten ­Lebensphase sein, um dort aufgenommen zu werden. Die Einrichtungen sind für manche Familien wie ein Urlaub – eine Alternative zur Kurzzeitpflege. Pflegepersonal kümmert sich um die Medikamentengabe, es gibt Angebote für gesunde Geschwisterkinder und endlich einmal die Möglichkeit, auszuspannen. Lebensverkürzend erkrankte Kinder können ab der Diagnose 28 Tage im Jahr im Hospiz verbringen – bis zum Alter von 27 Jahren.

4. Vorsorge für den Notfall

Viele pflegende Eltern sind allein oder fast ganz allein für ihr Kind verantwortlich – und machen sich Sorgen, was passiert, wenn sie einmal ausfallen.

  • Notfallkarte: Führen Sie diese Notfallkarte im Portemonnaie mit sich: So wissen Rettungskräfte oder Krankenhausmitarbeiter bei einem Unfall oder einer plötzlichen Erkrankung Bescheid, dass Sie sich um eine pflegebedürftige Person kümmern.

  • Einspringende Freunde oder Bekannte: Sprechen Sie mit Freunden, Nachbarn oder Bekannten. Können diese im Notfall einspringen? Wissen sie, was im Fall der Fälle zu tun ist? Am besten legen Sie eine Liste mit Dingen an, die es zu wissen gilt: Wann werden welche Medikamente genommen, wie geht man mit Nachtunruhe um und wer ist der Ansprechpartner bei der Pflegekasse?

  • Pflegedienst und Kurzzeitpflege: Nehmen Sie frühzeitig Kontakt zu Pflegediensten auf oder nutzen Sie testweise die Kurzzeitpflege. So gibt es im Notfall bereits einen Kontakt, auf den sich zurückgreifen lässt. Je nach Erkrankung oder Behinderung ist ein Aufenthalt in der Kurzzeitpflege oft nur schwer möglich – etwa bei pflegebedürftigen Menschen, die sich aufgrund von Ängsten nicht von anderen versorgen lassen. Trotzdem: Wenn Sie ausfallen, braucht es eine Alternative.

5. Perspektiven für die Zukunft

Was, wenn ich nicht mehr bin? Gerade Ältere fragen sich oft, was mit ihrem Kind passiert, wenn sie sich nicht mehr kümmern können. Je nach Selbstständigkeit kommen etwa in Frage:

  • eine Wohngruppe
  • eine inklusive WG
  • ein Pflegeheim

Bei "Wohnsinn", einer Plattform für inklusives Wohnen, kann man einen Platz in einer WG für seinen Sohn oder seine Tochter finden.

Ein ­Behindertentestament kann helfen, das erwachsene Kind finanziell besser abzusichern, ohne dass das Sozialamt das Erbe für die Pflege­kosten heranzieht. "Sind Eigentum, Vermögen oder Hinterlassenschaften da, sollten sich Eltern frühzeitig an Fachanwälte für Behindertenrecht wenden", empfiehlt die Pflegeberaterin Tanja Steiner.

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