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Ich pflege…

meinen Sohn. Durch seine geistige und körperliche Behinderung kann er seinen Alltag nicht selbst strukturieren. Er braucht überall Hilfe. Er kann draußen nicht allein unterwegs sein, weil er Gefahrensituationen nicht erkennt und das räumliche Vorstellungsvermögen ein wenig fehlt. Wenn er läuft, bin ich gedanklich immer schon einen Schritt voraus. Geht das mit der Bodenschwelle?

Mein Sohn lebt bei mir zuhause. Früher war er einmal in einem Vier-Tages-Internat, aber ich habe gemerkt, dass es ihm gut tut, zuhause zu sein. Jetzt ist er tagsüber in einer Tagesförderstätte.

Ich bin berufstätig und alleinstehend. Das ist nicht immer leicht. Manchmal müssen wir innerhalb von zwei Wochen zwei Mal in die Klinik und vier Mal zum Arzt – dafür muss ich mir immer Urlaub von der Arbeit nehmen.

Aber im Moment sind wir gut aufgestellt. Wir haben das Talent, dass uns die Leute mögen, das macht es einfacher. Der Umgang mit Behörden ist zum Teil trotzdem unmenschlich. Wer sich nicht auskennt, dem werden Infos vorenthalten. Man wird von behördlicher Seite zermalmt, und wenn es nur ein falsch gesetztes Häkchen in einem Formular ist.

Das fällt mir schwer

Vor einigen Jahren hatte ich Brustkrebs, das war richtig schwer. Mit der Diagnose brach für mich eine Welt zusammen. Justin war da gerade erst 13 Jahre alt. Mir war es sehr wichtig, dass er gut aufgefangen wurde: Während ich in der Klinik war, haben ihn Freunde und die Lebenshilfe betreut. Das hat nur funktioniert, weil ich den Mut hatte, offen damit umzugehen und um Hilfe zu bitten. Seit meiner Erkrankung ist es meinem Sohn besonders wichtig, dass es allen gut geht. Wenn jemand nur kurz schnieft, bringt er schon ein Taschentuch.

Das gibt mir Kraft

Mein Sohn und ich haben eine sehr innige Beziehung. Er freut sich über viele kleine Dinge. Er liebt es, Zug zu fahren und vom Hotelbett aus fernzusehen. Ich lerne so viel von ihm: Er ist liebevoll, offen, charmant – man muss sich nur auf ihn einlassen. Ein richtiger Lehrmeister des Lebens! Ich wünsche mir, dass er in einer kleinen, inklusiven WG leben kann, wenn ich einmal alt bin und mich nicht mehr kümmern kann. Und dass er zufrieden mit seinem Leben ist, auch wenn er den Leistungsstandard unserer Gesellschaft nicht erfüllt.

Mein Tipp für andere

Manchmal würde ich mir wünschen, dass andere betroffene Familien ein bisschen mehr Feingefühl haben. Es geht mir nicht darum, zu sagen, wer es schlimmer hat. Aber viele können sich gar nicht vorstellen, wie das ist, wenn man einen schwer behinderten Sohn hat und auch noch alleinerziehend ist. Wer sozial gut aufgestellt ist und ein gutes soziales Umfeld hat, tut sich natürlich mit der Pflege leichter.

Nicole Kultau bloggt hier über das Thema Brustkrebs.