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War die gestern schon da? Diese Falte, die sich grimmig zwischen den Augenbrauen zusammenzieht? Und diese Fältchen um die Augen, die man liebevoll Lachfältchen nennen kann? Die aber ebenso deutlich davon künden, dass die besten Jahre hinter uns liegen und das Leben Spuren auf unserem Körper hinterlassen hat – in Form von Falten, hängenden Brüsten, lichtem Haar, schlaffen Bäuchen?

Lange Zeit war Altern eine Tatsache, der man sich nicht verweigern konnte. Heute können wir zumindest ein wenig so tun, als blieben wir noch eine Zeit lang davon verschont – das nötige Kleingeld vorausgesetzt.

Boom bei Schönheitsoperationen

Ästhetische Eingriffe liegen im Trend. 2020 wurden weltweit etwa 24,5 Millionen Schönheitsoperationen durchgeführt, zehn Millionen mehr als noch 2010. Die meisten Eingriffe werden in Brasilien und den USA vorgenommen. Auch in Deutschland boomt das Geschäft mit der Schönheit. Im Jahr 2022 wurden rund 98500 ästhetische Eingriffe vorgenommen – und damit fünf Prozent mehr als im Vorjahr, so aktuelle Zahlen der Vereinigung der Deutschen Ästhetisch-Plastischen Chirurgen (VDÄPC). Mit knapp 89 Prozent im vergangenen Jahr ist die Frauenquote nach wie vor hoch. Besonders beliebt sind sogenannte minimalinvasive Prozeduren, etwa Faltenunterspritzen mit Botox oder Lippenaufpolstern mit Hyaluron.

So stieg die Zahl der Botox-Behandlungen bei Frauen in 2022 um gut acht Prozent. Die Corona-Pandemie hat diesen Trend beschleunigt, zeigen die Umfrageergebnisse des VDÄPC unter Ärztinnen und Ärzten. Wer sich ständig in Videokonferenzen ins eigene Gesicht schaut, hat viel Gelegenheit, sich mit seinen Makeln zu beschäftigen.

Lukrativer Markt

Gerade minimalinvasive Eingriffe, für die keine Operation nötig ist, sind offenbar mitten in der Gesellschaft angekommen. 41,5 Prozent der Patientinnen und Patienten haben mittlere Bildungsabschlüsse, zeigt etwa die Statistik der Deutschen Gesellschaft für Ästhetisch-Plastische Chirurgie (DGÄPC) aus dem Jahr 2018. Selbst bei einer großen Parfümeriekette kann man sich in einer Münchner Filiale direkt vor Ort die Lippen aufspritzen oder die Falten glätten lassen.

Und auch ein Besuch in der Hautarztpraxis zur Hautkrebsvorsorge mündet inzwischen häufig in einem Bera­tungs­gespräch über ästhetische Eingriffe. „IGeL-Leistungen mit primär ästhetischen Zielen boten 85 Prozent der dermatolo­gischen Praxen bereits vor etwa zehn Jahren an“, so Prof. Dr. Matthias Augustin vom Institut für Versorgungsforschung in der Dermatologie und bei Pflegeberufen in Hamburg.

Kein Wunder: Ästhetische Eingriffe sind ein lukrativer Markt. Wie viel Ärztinnen und Ärzte damit verdienen – dazu findet man wenig aussagekräftige Zahlen. Fest steht: Ästhetische Eingriffe sind gar nicht so teuer. Eine Botox-Behandlung etwa gibt es ab 200 Euro, die Lippen kann man sich für rund 400 Euro aufspritzen lassen.

Die Motive sich für eine Schönheits-Operation zu entscheiden, sind sowohl bei Männern als auch bei Frauen vielfältig.

Die Motive sich für eine Schönheits-Operation zu entscheiden, sind sowohl bei Männern als auch bei Frauen vielfältig.

Viele wollen sich einfach nur wohl fühlen

Was macht das mit uns, wenn Altern zu etwas wird, was man machen kann, aber nicht (gleich) machen muss? Leben wir glücklicher und zufriedener, wenn wir körperliche Makel und das Altern akzeptieren, anstelle irgendwelchen Schönheitsidealen hinterherzurennen? Es lohnt sich, darüber mit Professor Jürgen Margraf zu sprechen. Der klinische Psychologe an der Ruhr-Universität Bochum hat in der bisher europaweit größten Studie untersucht, ob Menschen nach einer Schönheitsoperation glücklicher sind als zuvor.

Der Wissenschaftler und sein Team verglichen eine Gruppe von 544 erstmals operierten Patientinnen und Patienten mit 264 Personen, die sich früher eine Schönheitsoperation gewünscht, sich dann aber doch dagegen entschieden hatten, und einer Kontrollgruppe mit rund 1000 Menschen aus der Allgemeinbevölkerung. Diese hatten sich nie für eine Operation interessiert, aber auch nicht explizit dagegen ausgesprochen.

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Die wichtigsten persönlichen Erwartungen konnten die Probandinnen und Probanden frei aufschreiben. Außerdem erhoben die Forschenden Daten zu Wohlbefinden, Lebenseinstellung oder psychischen Erkrankungen. Alle Teilnehmenden wurden vor der OP sowie drei, sechs und zwölf Monate danach befragt.

„Uns hat das überrascht, wie realistisch die Ziele der Probanden waren“, so Margraf. Die Mehrheit hatte keine übersteigerten Erwartungen. Sie äußerten im Vorfeld Wünsche wie „sich wohler fühlen“ oder „neues Selbstbewusstsein entwickeln“. „Die meisten wollten kein neuer Mensch werden, sondern einen Makel beseitigen, der sie schon immer gestört hat.“

Schönheit wird im Alter zum Statussymbol

Die Befragungen nach den Eingriffen zeigten, dass sich die Ziele der Patientinnen und Patienten im Durchschnitt erfüllt hatten. Im Vergleich zu denjenigen, die sich gegen eine Schönheitsoperation entschieden hatten, fühlten sie sich gesünder, waren weniger ängstlich, entwickelten mehr Selbstwert. Auch fanden sie besonders das operierte Körpermerkmal, aber auch ihren Körper all­gemein attraktiver. Machen Schönheits­operationen also wirklich glücklich? Oder sind sie Ausdruck einer oberflächlichen Ge­sellschaft?

Dr. Alexander Hilpert, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Ästhetisch-­Plastische Chirurgie (DGÄPC), plädiert für eine pragmatische Sichtweise. „Wenn eine Frau, die drei Kinder geboren und gestillt hat, vor mir sitzt und sich eine Bruststraffung wünscht, um sich besser zu fühlen, ist das ein Wunsch, den ich nachvollziehen kann“, so der Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie. Der Psychologe Jürgen Margraf sieht das ähnlich: „Es ist wichtig, sich wohl im eigenen Körper zu fühlen. Das kann man erreichen über Kosmetik, über Kleidung oder einen aufrechten Gang. Und wenn das nicht ausreicht und da wirklich ein Makel ist, der einen selbst sehr stört, kann eine ästhetische Korrektur eine Möglichkeit sein.“

Bild

Obwohl nur wenige darüber sprechen, dass sie „etwas haben machen lassen“, wird Schönheit in der alternden Gesellschaft zum Statussymbol. Mit sich zufrieden zu sein, wird schwieriger. Auch weil wir uns darüber wundern, warum die Kollegin für ihr Alter so glatt gebügelt aussieht, während wir selbst ständig neue Falten im Gesicht entdecken. Diese Vergleiche können Druck erzeugen und eine Art „Rüstungsspirale“ in Sachen Aussehen in Gang setzen, wie Margraf das nennt.

Soziale Medien setzen junge Frauen unter Druck

Auch die Tatsache, dass wir dauernd Fotos von uns in sozialen Medien posten, setzt viele unter Druck – besonders junge Frauen. Der Wunsch, sich einer Schönheits-OP zu unterziehen, wird durch soziale Medien verstärkt, zeigen Studien. Alexander Hilpert hat in seiner Praxis inzwischen häufig ­junge Frauen – „die kommen mit einem Bild von irgendwelchen Influencerinnen oder digital veränderten Selfies und wollen, dass ich ihnen genau diese Nase oder Lippen mache, die auf dem Bild zu sehen sind. Diese Entwicklung sehe ich mit Sorge“, sagt Hilpert.

„Das sind oft hübsche junge Menschen, die überhaupt keinen Makel haben und die das Aussehen ihrer Idole aus den sozialen Medien nicht kritisch hinterfragen“, so seine Erfahrung. Denn oft ist es nicht Mutter Natur, die für glatte Haut und volle Lippen gesorgt hat. Sondern spezielle Filterprogramme in den Anwendungen, mit denen sich Fotos und Videos leicht verschönern lassen. So werden wir quasi mit einer viel besseren Version unserer selbst konfrontiert. In Frankreich oder Norwegen müssen solche bearbeiteten Bilder inzwischen gekennzeichnet werden. Doch reicht das aus, um den Schönheitskult, der durch soziale Medien verstärkt wird, einzuhegen?

Für ästhetische Eingriffe braucht es Fachärzte

Der Markt der Schönheit ist in Deutschland wenig reguliert. Bezeichnungen wie „kosmetischer Chirurg“, „Schönheitschirurg“ oder „ästhetischer Chirurg“ sind nicht geschützt. „Es gibt Zahnärzte, die Brustvergrößerungen anbieten“, beschreibt Hilpert das Problem. „Doch diese Eingriffe gehören in die Hände von Fachärzten.“ Im vergangenen Jahr wurde ein Arzt aus Düsseldorf wegen Körperverletzung mit Todesfolge verurteilt. Er hatte einer Patientin Eigenfett bei einem „Brazilian Butt Lift“ gespritzt, die Patientin starb an den Folgen des Eingriffs. Die Operation, bei der Körperfett aus anderen Körperregionen in das Gesäß transferiert wird, gilt als gefährlich. Der Arzt war vor seiner Zeit als „Schönheitschirurg“ als Internist tätig und verfügte nach Ansicht von Hilpert nicht über die für diesen Eingriff nötige Facharztausbildung.

Selbst Heilpraktiker dürfen in Deutschland ästhetische Eingriffe durchführen und verwenden dabei Füllmaterialien, etwa Hyaluronsäure. Darüber hinaus findet man im Internet Videos, in denen gezeigt wird, wie man Lippen aufspritzt. „Ich sehe teilweise Patientinnen mit schrecklichen Ergebnissen, die sich ihre Lippen von einer Freundin haben aufspritzen lassen“, sagt Prof. Claudia Borelli, Leiterin der Einheit für Ästhetische Dermatologie und Laser an der Universitätshautklinik Tübingen. „Doch diese Behandlungen gehören in die Hand eines speziell dafür weitergebildeten Arztes oder einer Ärztin, etwa aus den Fachrichtungen Dermatologie oder plastische Chirurgie. Auch wenn es sich um minimalinvasive Eingriffe handelt, gibt es teils gravierende Risiken“, so die Dermatologin weiter. „Im schlimmsten Fall können falsch gespritzte Filler-Materialien, etwa im Nasen- oder Stirnbereich, zur Erblindung führen.“

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Quellen:

  • VDÄPC: VDÄPC Statistik 2022, 2022. VDÄPC: https://vdaepc.de/... (Abgerufen am 08.05.2023)
  • Jürgen Margraf: Wellbeing from the knife, Psychological Effects of Aesthetic Surgery . Clinical Psychological Science: https://journals.sagepub.com/... (Abgerufen am 29.06.2022)