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Seit über 40 Jahren arbeiten Forscherinnen und Forscher an einem Traum: ein Insulin, das nur wirkt, wenn der Blutzucker steigt. Damit ließen sich bei Menschen mit Diabetes, die Insulin brauchen, Blutzuckerspitzen und Unterzuckerungen vermeiden. Unzählige Ansätze haben die Forscher erprobt. Bislang hat es keines dieser schlauen Insuline auf den Markt geschafft. In den letzten Jahrzehnten ist es jedoch gelungen, die Wirkweise von Insulinen so zu verfeinern, dass sie der natürlichen Insulinabgabe immer näher kommen.

Die optimale Gabe zu ermitteln, ist schwierig

Bei Gesunden gibt die Bauchspeicheldrüse Insulin bedarfsgerecht direkt ins Blut ab: kleinere Mengen rund um die Uhr, größere Mengen zu den Mahlzeiten. Bei der Insulintherapie übernehmen diese Aufgabe lang wirkende Insuline (Basalinsuline) und kurz wirkende Insuline (Mahlzeiteninsuline). Das Problem: Insulin wird ins Fettgewebe unter die Haut gespritzt. Um zu wirken, muss es erst ins Blut gelangen. „Die Gabe optimal auf den Bedarf abzustimmen, ist schwierig. Mit modernen Insulinen klappt das aber immer besser“, sagt Diabetologe Dr. Thorsten Siegmund vom Isar Klinikum München.

Rascher Wirkeintritt bei Analoginsulin

Derzeit gibt es gut ein Dutzend Insuline und Mischungen, die nach der Injektion unterschiedlich schnell und lange wirken. Wer zum Essen Insulin braucht, verwendet heute oft ein schnell wirkendes Analoginsulin. Es gelangt rascher ins Blut als Humaninsulin (Normalinsulin) und fängt Zuckeranstiege nach dem Essen besser ab.

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Daher kann auch der Spritz-Ess-Abstand (SEA) verkürzt werden oder entfallen. Der SEA ist die Zeit zwischen Insulininjektion und Mahlzeitenbeginn. Er soll verhindern, dass der Blutzucker durch die Mahlzeit zu stark ansteigt. Um ins Blut zu gelangen, bevor die Kohlenhydrate den Blutzucker erhöhen, braucht das Insulin je nach Essen etwas Vorsprung. „Bei schnellen Analoginsulinen können das Minuten sein. Bei Humaninsulin eine halbe Stunde“, sagt Siegmund.

Die Insulin-Menge, die der Körper zwischen den Mahlzeiten braucht, lässt sich mit lang wirkendem Analoginsulin oder Verzögerungsinsulin (NPH-Insulin) abdecken. Ersteres wirkt länger und gleichmäßiger als NPH-Insulin und kann so Zuckerschwankungen verringern. Anders als NPH-Insulin müssen Analoginsuline vor dem Spritzen nicht durchmischt werden, um eine zuverlässige Wirkung zu erzielen. „Zudem reicht oft eine Injektion pro Tag“, sagt Siegmund.

Inzwischen wurden noch rascher wirkende Analoginsuline entwickelt. Diese können Spitzen nach dem Essen weiter reduzieren. Der Spritz-Ess-Abstand kann manchmal noch kürzer ausfallen. Seit ein paar Jahren gibt es langwirksame Analoginsuline, die um die 30 bis 40 Stunden oder noch länger und zudem gleichmäßiger wirken als ihre Vorgänger. „Durch die besonders gleichmäßige Wirkung verringern diese Insuline das Unterzucker-Risiko“, so Siegmund.

Insulin zum Schlucken?

„Als Nächstes werden zwei lang wirkende Analoginsuline auf den Markt kommen, die man nur einmal pro Woche spritzen muss“, sagt Diabetologe Professor Thomas Forst, medizinischer Direktor an einem privaten Forschungsinstitut in Mannheim. Auch an schlauen Insulinen, oft Smartinsuline genannt, tüfteln die Forschenden weiter und verfolgen dabei immer wieder neue Ansätze. Der Klassiker: Das Insulin wird an eine Trägersubstanz gekoppelt, etwa ein Eiweiß. Steigt der Blutzucker und damit auch die Zuckerkonzentration im Gewebe, löst sich Insulin aus der Kopplung und gelangt ins Blut.

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Die meisten schlauen Insuline werden unter die Haut gespritzt. Forscherinnen und Forscher testen auch andere Darreichungsformen. Etwa ein Smart­insulin zum Schlucken. „Das hätte den weiteren Vorteil, dass es wie körpereigenes Insulin aus dem Blut zuerst zur Leber gelangt“, so Forst. Damit käme es der natürlichen Insulinwirkung näher. Problem: Als Tablette muss Insulin viel höher dosiert sein als als Spritze. Im Verdauungstrakt geht einiges verloren. „Das würde eine Insulintablette teuer machen“, so Forst.

Erste Studien an Menschen

Fast alle schlauen Insuline wurden bislang nur im Labor oder an Tieren getestet. Einen Schritt weiter ist ein großer Insulinhersteller. Er testet sein Smartinsulin derzeit in ersten Studien an Menschen. „Vermutlich sind wir smarten Insulinen näher als je zuvor“, sagt Forst. Wann die ersten Insuline dieser Art auf den Markt kommen werden, lasse sich aber noch nicht abschätzen.

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