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Was sind die ersten Schritte?

Am Anfang ist die Diagnose wichtig, um Klarheit zu haben. Ein Arzt oder eine Ärztin sollte zunächst feststellen, ob es sich tatsächlich um eine Demenz handelt und was die Ursache dafür. Erster Anlaufpunkt kann die Hausarztpraxis sein. Diese überweist in der Regel an den Facharzt oder die Fachärztin – für Neurologie.

„Liegt die Diagnose vor, sollte sich die Person mit Demenz mit der Familie zusammensetzen und gemeinsam die Zukunft planen“, sagt Daniel Ruprecht von der Deutschen Alzheimer Gesellschaft. Egal ob es Oma oder Opa, Mutter, Vater, Schwester oder Bruder trifft, Ruprecht rät, zunächst Folgendes zu klären: Was wünscht sich die erkrankte Person? Wie soll ihr Leben aussehen? Was will der Erkrankte auf keinen Fall? Gibt es bereits eine rechtliche Vorsorge wie eine Vorsorgevollmacht, Betreuungsverfügung, eine Patientenverfügung und ein Testament? Ist dies nicht der Fall, sollte die Familie zusammen mit der erkrankten Person alle rechtlichen und finanziellen Fragen Schritt für Schritt klären.

Was spricht für eine Vorsorgevollmacht?

In einer Vorsorgevollmacht steht drin, wer für einen handeln darf, wenn man, etwa im Falle einer Demenz-Erkrankung, selbst nicht mehr eigenständig handeln und entscheiden kann. Experte Ruprecht rät, sich um eine solche Vorsorgevollmacht rechtzeitig, also spätestens im Frühstadium einer Demenz-Erkrankung zu kümmern, damit die Vollmacht rechtsgültig verfasst und nicht im Nachhinein juristisch angreifbar ist.

Wer eine Vollmacht ausstellt, gibt dem Bevollmächtigten das Recht, ihn bei Aufgaben und Entscheidungen zu vertreten, die er selbst nicht mehr schafft. Dabei kann es zum Beispiel um den Wohnort gehen, Bankgeschäfte oder den Briefverkehr. Der Experte empfiehlt, eine Vorsorgevollmacht nur „an jemanden ausstellen, dem ich hundertprozentig vertraue“. Das müsse eine Person sein, „die ihre eigenen Interessen zurückstellen kann und so handelt, wie es der Vollmachtgeber wünscht und nicht wie sie es selbst am liebsten hätte.“

Möglich ist es auch, mehrere Bevollmächtigte zu bestimmen, die sich gegebenenfalls gegenseitig kontrollieren können. Kann ja sein, dass sich zum Beispiel die jüngste Tochter lieber um die Geldangelegenheiten kümmert und der älteste Sohn der Richtige für die Organisation der Beerdigung ist, weil er in der Nähe wohnt. Juristen empfehlen jedoch, bei mehreren Bevollmächtigten eine Rangfolge zu erstellen, damit klar ist, wer im Streitfall entscheidet.

Sicherheitshalber kann man sich eine Vorsorgevollmacht beglaubigen lassen. Das ist in den Betreuungsbehörden von Kommunen deutlich günstiger als beim Notar. „Und wer bevollmächtigt ist, sollte wissen, wo sich das Original befindet, damit die bevollmächtige Person im Ernstfall schnell handeln und entscheiden kann“, sagt Michaela Heyne vom Sozialverband VdK Bayern. In einer Vorsorgevollmacht können Betroffene auch festlegen, wer in medizinischen Fragen für sie entscheiden darf. Alle weiteren Details sollten aber in einer detaillierten Patientenverfügung festlegen.

Wann kommt eine Betreuungsverfügung in Frage?

Vielleicht kennt ein Mensch mit Demenz niemanden, dem er voll vertraut. Dann kommt eine Betreuungsverfügung als Alternative in Frage. Darin kann jeder Bürger festlegen, dass eine bestimmte Person seine Rechte und Angelegenheiten vertritt, wenn sie oder er selbst nicht mehr dazu in der Lage ist.

Liegt keine Vorsorgevollmacht oder Betreuungsverfügung vor, kann man bei Gericht eine rechtliche Betreuung anregen. Diese kann ein Verwandter, ein Berufsbetreuer oder eine ehrenamtliche Betreuerin übernehmen. Vorteil: Das Gericht schaut als Kontrollinstanz darauf, dass der Wille des oder der Betreuten auch tatsächlich berücksichtigt wird und dieser nicht etwa ungewollt in ein Altenpflegeheim abgeschoben wird.

Was können Angehörige tun, wenn keine Krankheitseinsicht vorhanden ist?

Häufig läuft es aber nicht so, wie es sich Angehörige wünschen. „Viele Menschen mit beginnender Demenz können ihre Erkrankung nicht annehmen. Ratschläge, Hilfsangebote, die von den Angehörigen kommen, werden teilweise kategorisch abgelehnt“, sagt VdK-Fachfrau Heyne. Sie rät in solchen Fällen, möglichst eine neutrale dritte Person wie den Hausarzt oder die Hausärztin zum Vermittlen einzuschalten. „Der- oder diejenige muss aber wissen, dass an Demenz Erkrankte im Frühstadium ihr Leiden sehr gut kaschieren können.“

Was aber tun, wenn auch neutrale Dritte Menschen mit Demenz nicht davon überzeugen können, dass zügig rechtliche und finanzielle Fragen zu klären sind? Dann bleibe im schlimmsten Fall nichts anderes übrig, als zu warten und im Alltag zu Hause zu helfen, soweit dies angenommen wird. „Niemand darf gegen den Willen eines Menschen mit Demenz handeln, solange sie oder er sich nicht selbst oder anderen Schaden zufügt“, sagt Heyne.

Experte Ruprecht rät dabei zur Gelassenheit: „Ich muss Opa oder Oma, Vater oder Mutter nicht ständig korrigieren. Menschen mit Demenz können nichts für ihre Krankheit. Für viele Familien ist es aber ein schmerzhafter Prozess, sich einzugestehen, dass sich der Angehörige verändert“, sagt er.

Dürfen Demenzkranke entmündigt werden?

Landläufig wird das Wort Entmündigung immer noch häufig benutzt, und noch immer haben ältere Menschen Angst, von ihren Kindern oder „bösen“ Verwandten entmündigt zu werden. Tatsächlich wurde die Entmündigung 1992 abgeschafft, und das gilt auch für Menschen mit Demenz. Vielmehr ist es so: „Mit der Vorsorgevollmacht kann ich selbst vorsorgen und eine Vertrauensperson bestimmen, die in meinem Sinne handelt,“ so Ruprecht.

Oder es wird eben durch das Betreuungsgericht ein geeigneter Betreuer bestellt. Aber auch der ist verpflichtet, „so zu handeln, dass dies den Wünschen der betreuten Person im Rahmen der Möglichkeiten entspricht“, sagt der Experte. „Der Betreuer oder die Betreuerin darf eine Person nicht einfach so in eine geschlossene Einrichtung einweisen lassen oder vorschreiben, wie viel Geld sie im Monat verbrauchen darf“, bestätigt Heyne. Dafür wäre ein Beschluss des Gerichts nötig auf der Grundlage vorgelegter ärztlicher Gutachten. Und das heißt eben nicht mehr wie früher Vormundschaftsgericht, sondern Betreuungsgericht.

Welche Probleme gibt es beim Autofahren?

Schon im Anfangsstadium einer Demenz-Erkrankung können die Erkrankten oft nicht mehr sicher mit dem Auto fahren. Sie können sich nicht mehr so gut auf den Verkehr konzentrieren und Geschwindigkeiten oder Entfernungen richtig einschätzen. Schlimmstenfalls wird das Gaspedal mit der Bremse verwechselt, sie gefährden sich und andere. „Demenzerkrankte, die sehr gerne Auto gefahren sind, sind jedoch häufig nur sehr schwer zur Vernunft zu bringen“, sagt VdK-Fachfrau Heyne. Das zeigen die Erfahrungen von Demenz-Beratern, gerade bei älteren Männern, die es zum Beispiel gewohnt sind, ihre Gattin zum Einkaufen zu fahren oder bei der Urlaubsreise immer am Lenkrad zu sitzen.

Was kann ich als Angehörige tun, wenn die oder der Demenzkranke unbedingt weiter am Steuer sitzen will?

Unsere Expertinnen empfehlen:

+ Mit dem Hausarzt, der Hausärztin, dem Neurologen oder der Neurologin reden, die bei einer Untersuchung die Fahruntüchtigkeit feststellen. Wenn sie oder eine neutrale dritte Person rät, nicht mehr Auto zu fahren, wirkt dies stärker, als wenn nahe Angehörige den Betroffenen das Gefühl geben, sie wollten ihnen etwas vorschreiben.

+ Eine Fahrstunde in der Fahrschule vereinbaren und prüfen lassen, ob Mama, Papa, Oma oder Opa wirklich nicht mehr fahren sollten. Auch ein Fahrlehrer kann als neutraler Dritter anregen, sich lieber nicht mehr ans Lenkrad zu setzen.

+ Das Enkelkind anführen, das ein Auto braucht und die Großeltern bittet, es doch mal für einige Zeit auszuleihen. So haben die Erkrankten auch noch das Gefühl, etwas Gutes zu tun.

+ Wenn alles nichts hilft, können Angehörige auch die Fahrtauglichkeit offiziell überprüfen lassen. Dafür müssen sie der Führerscheinstelle in ihrer Stadt oder Gemeinde einen Hinweis geben. Das Amt ist verpflichtet, solchen Nachweisen nachzugehen und die Fahreignung, etwa vom TÜV oder ADAC, begutachten zu lassen. Je nach Untersuchungsergebnis kann das Amt dann den Führerschein entziehen. „Das sollte aber der letzte Schritt sein, zuerst würde ich versuchen, auf sanfte Art eine Person mit Demenz vom Autofahren abzubringen“, sagt Ruprecht.

+ Selbst Notlügen („Das Auto ist kaputt“; „Die Reparatur vor dem TÜV wäre unglaublich teuer“; „Der Autoschlüssel ist verloren gegangen“) können helfen, sich an ein Leben ohne Auto zu gewöhnen.

+ Können und dürfen Menschen mit Demenz nicht mehr Auto fahren, sollten sie aber eine Alternative haben. Vielleicht gibt es Fahrdienste vor Ort, Taxis, die auch außerhalb von Städten zur Verfügung stehen, oder Anschluss an den öffentlichen Nahverkehr.

Welche finanziellen Hilfen gibt es?

Erste finanzielle Hilfe kommt von der Pflegeversicherung. Die Deutsche Alzheimer Gesellschaft rät, rechtzeitig einen Pflegegrad bei der Pflegekasse (sitzt bei der Krankenkasse) zu beantragen, bei der man versichert ist. Es kann hilfreich sein, dem Gutachter oder der Gutachterin ein Unterstützungsprotokoll oder Arztberichte mitzugeben, aus denen die Beeinträchtigung der Selbständigkeit hervorgeht. Wird der oder die Pflegebedürftige zu Hause gepflegt, gibt es zum Beispiel bei Pflegegrad 3 in diesem Jahr 545 Euro Pflegegeld im Monat. Sind die Leistungen der Pflegeversicherung ausgeschöpft, aber nicht ausreichend, kann man auch beim Sozialamt einen Antrag auf „Hilfe zur Pflege“ stellen. Voraussetzung: Das eigene Einkommen und Vermögen reicht nicht aus, um die Kosten der Pflege bezahlen zu können.

Es gibt auch steuerliche Vorteile: Da eine Demenzerkrankung als Schwerbehinderung gilt, können die Erkrankten einen Schwerbehindertenausweis beantragen. Welches Amt dafür zuständig ist, hängt vom Bundesland ab. Viele Länder bieten bereits im Internet Formulare und Ausfüllhilfen an. Mit dem Ausweis lässt sich pauschal bei der Steuererklärung ein Behinderten-Pauschbetrag geltend machen, je nach Grad der Behinderung derzeit bis zu 2840 Euro. Ein weiterer Vorteil: Als Schwerbehinderte können Menschen mit Demenz ihre volle Rente zwei Jahre vor Erreichen ihrer Regelaltersgrenze bekommen, sofern sie 35 Versicherungsjahre vorweisen können.

Wo bekomme ich als Angehörige Beratung und Hilfe?

Die gute Nachricht ist: Für Menschen mit Demenz und ihre (pflegenden) Angehörigen gibt es vielfältige Hilfsangebote, allen voran das Beratungstelefon der Deutschen Alzheimer Gesellschaft. Geschulte Berater und Beraterinnen stehen Ratsuchenden Montag bis Donnerstag von 9 bis 18 Uhr sowie freitags von 9 bis 15 Uhr zur Verfügung unter der Telefonnummer 030 - 259 37 95 14. Fragen können Sie aber schriftlich per E-Mail einreichen.

Kompetente Auskunft gibt es auch bei den Pflegestützpunkten, die es in den meisten Kommunen oder Landkreisen gibt. Wohlfahrtsverbände wie die Arbeiterwohlfahrt, die Caritas oder die Diakonie aber auch der Sozialverband VdK beraten ebenfalls, oft gibt es bei ihnen Fachstellen für pflegende Angehörige.