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Monika Koch ist 64 Jahre alt und an Gebärmutterhalskrebs erkrankt. Da es für sie keine Heilungschance mehr gibt, ist sie Bewohnerin im Berliner Ricam Hospiz. Wieviel Zeit ihr noch bleibt, ist ungewiss. Ein Interview über unheilbare Krankheit und das Lebensende.

Frau Koch, wie stellen Sie sich das Sterben vor?

Ich bin gläubig und weiß, wo ich hingehe, wenn ich sterbe. Ohne diesen Glauben wäre diese Zeit jetzt für mich unerträglich. Wie der Moment aussehen soll, kann ich noch nicht sagen. Es wäre schon schön, wenn jemand dabei wäre und mir die Hand hält. Das wünsche ich mir. Und dann soll natürlich meine Freundin gleich angerufen werden, wenn es soweit ist.

Wie kam es dazu, dass Sie ins Hospiz gegangen sind?

Nach meiner Diagnose habe ich Chemotherapie bekommen. Die hat geholfen, aber die Pausen zwischen der Chemo hat der Tumor genutzt und sich vergrößert, ist resistent gegen die Therapie geworden und es hat sich ein weiterer Tumor entwickelt. Der Onkologe meinte, es hilft nur noch Immuntherapie. Doch es wurde nicht besser. Zusätzlich zu den starken Blutungen durch den Tumor habe ich Luftnot bekommen und eine Blutarmut.

Hätten Sie auch im Krankenhaus oder zuhause bleiben können?

Zuhause hätte ich nicht bleiben können. Und durch den Krebs war mir schon so viel Lebensqualität genommen worden – das wäre da wahrscheinlich nur so weitergegangen. Ein Palliativarzt hat mir nahgelegt, dass ich nur in einem Hospiz angemessene Versorgung erfahren könnte. Anfangs hatte ich Angst vor dem Hospiz, weil es Tod bedeutet. Aber mein Tod ist sicher. Irgendwann habe ich gelernt, loszulassen und das zu akzeptieren.

Was läuft im Hospiz anders als im Krankenhaus?

Bevor ich herkam, habe ich alles erbrochen, konnte nichts bei mir behalten. Hier hat man mich dann mit Medikamenten eingestellt, sodass ich mich nicht mehr erbrechen muss. Außerdem habe ich ein Morphiumpflaster gegen die Schmerzen bekommen. Obwohl ich so oder so sterbe, hat man mir hier also das Leben gerettet. Als mich hier dann eine Freundin, die Krankenschwester ist, besucht und gesehen hat, wie sich eine Pflegekraft neben einen Patienten gesetzt und den gestreichelt hat, ging ihr das Herz auf. Das gibt es im Krankenhaus nicht, meinte sie. Jetzt verstehe ich diese Fälle, in denen Menschen im Hospiz doch nochmal gesunden.

Hat sich durch das Hospiz etwas an Ihrer Sicht auf Leben und Tod verändert?

Ich hatte furchtbare Angst, nochmal eine Blutarmut zu erleben. Und, dass ich, wenn ich sterbe, elendig vor mich hinvegetieren muss. Diese Angst wurde mir genommen, weil ich weiß, wie liebevoll man hier gepflegt wird. Auch Hilfe überhaupt anzunehmen, habe ich hier gelernt. Und, dass auch ich es wert bin, verwöhnt zu werden. Zum ersten Mal in meinem Leben darf ich Wünsche äußern. Schade, dass man sterben muss, um das zu erleben.

Empfinden Sie in der letzten Phase Ihres Lebens auch Freude?

Ja. Kürzlich hat mir eine Schwester einen Sternen-Projektor gebracht. Wenn ich abends einschlafe, habe ich jetzt einen Sternenhimmel oben an der Decke. Diese Fürsorge schätze ich sehr. Außerdem hat mir das Hospiz kürzlich meinen letzten Wunsch erfüllt: Ich komme aus dem Norden und wollte noch einmal an die Küste. Darum sind sie mit mir und einer Freundin nach Warnemünde an die Ostsee gefahren. Wir hatten tolles Wetter, obwohl es November war. Weil ich nicht mehr selbst laufen kann, haben mich dann zwei Männer sogar mit einem speziellen Rollstuhl im Sand geschoben.

Gebärmutterhalskrebs endet nicht immer tödlich. Was hat die Krankheit für Sie besonders schwer gemacht?

Ich hatte durch den Tumor monatelang starke Blutungen, hatte aber nicht das Gefühl, dass die ernst genommen wurden. Die Wartezimmer beim Arzt waren immer voll, es fühlte sich an wie Abfertigung. Gleichzeitig habe ich auch selbst Raubbau mit meinem Körper betrieben: Auf die Warnsignale, die er mir gesendet hat, habe ich nicht gehört. Stattdessen nur gearbeitet und gearbeitet. Das habe ich von Kind an gelernt: meine Bedürfnisse hintenanzustellen. Den Preis dafür zahle ich jetzt.

Würden Sie anders leben, hätten Sie eine zweite Chance?

Auf jeden Fall! Ich würde mehr auf mich selbst Rücksicht und Beschwerden ernster nehmen. Außerdem würde ich mehr auf gesunde Ernährung und genug Bewegung achten. Und, wenn ich nochmal anfangen könnte, würde ich mehr Grenzen setzen und Positives zulassen.

Planen Sie Organisatorisches rund um Ihren eigenen Tod?

Es gibt schon einiges, was ich erledigt wissen möchte. Ich liebe meinen Schmuck und den Schmuck meiner Mutter. Den gebe ich Menschen, denen ich vertraue und von denen ich glaube, dass sie ihn gut aufbewahren. Ab und zu spreche ich mit Freundinnen auch über Dinge wie das Testament. Aber ich weiß auch nicht, wie viel Zeit ich noch habe. Vermutlich werde ich das Weihnachtsfest dieses Jahres nicht mehr erleben. Wie genau ich bestattet werden will, habe ich mir noch nicht überlegt. Bloß kein Feuer. Aber ansonsten denke ich mir, es ist nur unsere Hülle, die unter die Erde kommt.