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Was ist eine HIV-PEP?

PEP steht für „Post-Expositions-Prophylaxe“, was so viel bedeutet, wie „vorbeugende Maßnahmen nach Kontakt“. Gemeint ist ein Kontakt mit dem Krankheitserreger Humanes Immundefizienz Virus (HIV), der zu einer Ansteckung führen kann. Zum Beispiel durch ungeschützten analen oder vaginalen Geschlechtsverkehr mit einer nicht therapierten HIV-positiven Person. Ziel ist es, die Ansteckung mit dem Erreger zu verhindern.

Die Post-Expositions-Prophylaxe besteht aus verschiedenen Tabletten, häufig aus den antiviralen Wirkstoffen Tenofovir-Disoproxil/ Emtricitabin plus einem sogenannten Integrase-Hemmer wie Raltegravir oder Dolutegravir. Integrase-Hemmer verhindern, dass sich das HI-Virus in das menschliche Erbgut einfügt – was das Virus müsste, um sich im Körper auszubreiten.

Wann spricht man von einem Risikokontakt?

Für Personen, die einen Kontakt mit dem HI-Virus hatten, der möglicherweise zu einer Infektion führen könnte, kann eine PEP in Frage kommen – eine ausführliche ärztliche Beratung ist vor der Verordnung notwendig.

Werner Bock, fachlicher Leiter der Telefon- und Onlineberatung der Deutschen Aidshilfe, und sein Team bekommen täglich Anrufe von Ratsuchenden. Der tatsächliche Bedarf an der Post-Expositions-Prophylaxe ist laut Bock aber niedrig: „Eine PEP ist nicht immer sinnvoll, wenn beim Sex etwas schiefgegangen ist. Sie ist zum Glück nur in ganz bestimmten Situationen notwendig.“

Beispiele für Risikokontakte nach denen eine PEP sinnvoll sein kann:

  • Ungeschützter Geschlechtsverkehr mit einer Person, die mit hoher Wahrscheinlichkeit HIV-infiziert ist und bei der nicht bekannt ist, ob Sie eine funktionierende HIV-Behandlung macht. Der Arzt oder die Ärztin ordnet die Gefahr ein. Ebenso bei einem ungeschützten Geschlechtsverkehr mit einer HIV-positiven Person, die so viele Viren im Blut hat, dass sie sich nachweisen lassen.
  • Wenn jemand beim Spritzen von Drogen Materialien wie eine Spritze verwendet hat, die zuvor ein HIV-positiver Mensch benutzt hat.

Weitere Situationen, bei denen eine HIV-PEP infrage kommt, zum Beispiel im Arbeitskontext in einer Klinik oder Praxis:

  • Verletzung von medizinischem Personal an HIV kontaminierten Instrumenten wie Messer, Spritzen o.ä.
  • Blut oder andere infektiöse Flüssigkeiten wie Sperma einer HIV-positiven Person landen auf offenen Wunden oder Schleimhäuten

Ob der Anrufer oder die Anruferin in einer solchen Situation steckt, versuchen die Beraterinnen und Berater der Aidshilfe während des Gesprächs herauszufinden. „Ein Risiko besteht nur, wenn Menschen HIV-positiv sind und keine HIV-Medikamente einnehmen, meist weil sie nichts von ihrer HIV-Infektion wissen. Unter Therapie ist HIV nämlich nicht mehr übertragbar. Die Frage ist also immer: Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Mensch, mit dem ich Sex hatte, eine unbehandelte HIV-Infektion hat? Die zweite Frage lautet: Gab es Praktiken, bei denen eine Übertragung möglich ist?“, erklärt Bock.

Schwule Männer haben zum Beispiel beim ungeschützten Analverkehr mit unbekannten Partnern ein relativ hohes Risiko, weil HIV bei Männern, die Sex mit Männern haben, einfach häufiger vorkommt. Der oder die Ratsuchende bekommt im Laufe des Telefonats alle nötigen Informationen, um anschließend selbst zu entscheiden, ob der Gang zum Arzt sinnvoll ist.

Klaus Purkart koordiniert den Gay Health Chat der Deutschen Aidshilfe. Er sagt, viele Anfragen entstehen aus einer Panik und Unsicherheit heraus:

„Häufig erzählen Ratsuchende, sie hätten ungeschützten Geschlechtsverkehr mit jemandem gehabt und danach im Badezimmer der Person ein HIV-Medikament gesehen. Deswegen haben sie dann Angst, sich mit HIV infiziert zu haben.“ Dann empfiehlt Purkart vor allem eins: „Das Gespräch mit dem Sexpartner suchen. Offene Fragen können meist leicht geklärt werden.“

Laut Purkart laufen die allermeisten Fälle so ab: „Eine verunsicherte Person schreibt uns an, um Klarheit zu bekommen. Manche sind regelrecht in Panik. Wir versuchen erstmal zu beruhigen und herauszufinden, ob überhaupt ein Risiko bestanden hat.“ Bock ergänzt: „Man muss wirklich genau nachfragen, was das Gegenüber unter einem Risiko versteht. Oft wird die Wahrscheinlichkeit einer HIV-Übertragung viel zu hoch eingeschätzt.“

Wo erhält man eine PEP?

Es gibt spezialisierte Arztpraxen und Krankenhäuser, die sich mit der PEP nach HIV Kontakt besonders gut auskennen. In den Ambulanzen der Krankenhäuser erhält man rund um die Uhr die nötige Beratung. In den Schwerpunktpraxen meist nur tagsüber und wochentags. Eine Anlaufstelle in Ihrer Nähe finden sie hier.

Leider ist es manchmal nicht leicht, an eine adäquate ärztliche Beratung zu gelangen. Die Erfahrungen von Bock und Purkart zeigen, dass Safer-Sex-Unfälle häufig am Wochenende oder nachts passieren. „Selten entstehen Risikokontakte unter der Woche mittags um zwölf“, sagt Purkart, „sondern dann, wenn die Schwerpunktpraxen geschlossen sind und die nächste geeignete Klinik vielleicht kilometerweit entfernt liegt.“

„Es klingt immer so einfach: Dann nehme ich halt die PEP“, sagt Bock. „Wenn’s drauf ankommt, ist es oft aber leichter gesagt als getan. Am besten ist es, sich schon vorher schlau zu machen, wo es die PEP gibt oder wo man Informationen herbekommt, denn im Fall eines Falles sollte es schnell gehen.“

Wer sich unsicher ist, ob ein Arztbesuch wirklich notwendig ist, kann vorher die Deutsche Aidshilfe telefonisch oder per Chat kontaktieren.

Wann und wie lange nimmt man die HIV-PEP ein?

Bis spätestens 72 Stunden nach dem Kontakt mit dem HI-Virus sollte die Therapie mit den PEP-Tabletten begonnen werden. Es gilt jedoch: Je eher, desto besser. Am besten wird sie innerhalb der ersten 24 Stunden nach dem Risikokontakt gestartet.

Purkart sagt, in der Realität läuft das nicht immer reibungslos: „Es ist tatsächlich schon passiert, dass sich Anrufer nach zehn Stunden wieder bei uns melden und sagen, dass sie in der Klinik waren und abgewiesen wurden. Das ist natürlich fatal.“ Um die Dringlichkeit vor Ort richtig zu schildern hat die Deutsche Aidshilfe einen Leitfaden für Patientinnen und Patienten erstellt. Die Voraussetzung für eine PEP ist die ärztliche Empfehlung und die daraus folgende Verordnung. Die Therapie dauert 28 bis 30 Tage.

Sofortmaßnahmen bei Verdacht auf eine HIV-Ansteckung durch eine Schnitt- oder Stichverletzung:

  • Wenn die Verletzung blutet, den Blutfluss nicht stoppen. Infektiöse Flüssigkeiten können so teilweise mitausgespült werden.
  • Die Verletzung nicht quetschen oder ausdrücken
  • Die Verletzung mit Wasser, Seife und oder einem Hautdesinfektionsmittel ausspülen

Wichtig: Diese Maßnahmen schützen nicht vor einer Infektion. Sie können das Risiko sich mit HIV anzustecken nur minimal verringern. Besteht der Verdacht sich angesteckt zu haben, ist eine ärztliche Beratung nötig.

Welche Nebenwirkungen hat die HIV-PEP?

Die häufigen Nebenwirkungen der HIV-PEP sind Magen-Darm-Beschwerden wie Durchfall, Abgeschlagenheit und Kopfschmerzen. Gefährlichere Nebenwirkungen wie zum Beispiel Blutbildungsstörungen können auch auftreten. Wichtig ist es, mit dem Arzt oder der Ärztin gegebenenfalls über die Nebenwirkungen zu sprechen, die Medikamente aber nicht eigenmächtig vor Ablauf der vier Wochen abzusetzen, da sonst die Wirkung nicht gewährleistet ist.

Hat HIV-PEP Wechselwirkungen mit anderen Arzneien?

Die antiviralen Wirkstoffe der HIV-PEP können mit anderen Medikamenten wechselwirken. Der Arzt oder die Ärztin fragen den Patienten oder die Patientin während der Beratung, ob und welche Medikamente er oder sie regelmäßig einnimmt. So kann der Mediziner oder die Medizinerin beurteilen, wie und ob diese Arzneimittel während der vierwöchigen HIV-PEP Therapie eingenommen werden sollen.

Wie sicher schützt die PEP vor einer HIV-Ansteckung?

Um eine evidenzbasierte sichere Aussage über die Wirksamkeit einer Therapie machen zu können, müsste man eine kontrollierte experimentelle Studie durchführen. Dafür müssten Personen der Gefahr ausgesetzt werden sich mit HIV zu infizieren, um sie anschließend mit der HIV-PEP zu behandeln. Solche Studien sind aus ethischen Gründen nicht durchführbar.

Die Wirksamkeit wird aus den Daten von Tierexperimenten abgeleitet. Außerdem gibt es eine Studie die PEP im Zusammenhang mit einem risikoreichen HIV-Kontakt im beruflichen Kotext bewertet hat. Hier errechneten die Autorinnen und Autoren eine Wirksamkeit von fast 80%.


Quellen:

  • Deutsche Aids Gesellschaft e.V.: Deutsch-Österreichische Leitlinie zur medikamentösen Postexpositionsprophylaxe (PEP) nach HIV-Exposition (2022) Kurzfassung. Online: https://register.awmf.org/... (Abgerufen am 28.08.2023)
  • Deutsche Aidshilfe: Safer-Sex-Unfall / PEP. Online: https://www.aidshilfe.de/... (Abgerufen am 28.08.2023)
  • Beichert M, Buchholz B, Breitkreutz R et al.: HIV-Postexpositionsprophylaxe (PEP) Notfall-Set — sind wir für den Notfall gerüstet?. Online: https://link.springer.com/... (Abgerufen am 28.08.2023)