Amöbenruhr
Was ist eine Amöbenruhr?
Bei der Amöbenruhr handelt es sich um eine Infektionskrankheit. Amöben sind einzellige Parasiten, die vor allem im Dickdarm vorkommen. Grundsätzlich muss bei einer Infektion durch Amöben (Amöbiasis) zwischen der für den Menschen ungefährlichen Darmbesiedelung durch Entamoeba dispar oder moshkovskii und einer Infektion mit Entamoeba histolytica unterschieden werden. Letztere führt teilweise zu schwersten Verläufen (Amöbenruhr) und Komplikationen. Zirka 90 Prozent aller Amöbiasis-Fälle stellen jedoch ungefährliche Infektionen durch Entamoeba dispar dar.
Ursache: Wie wird der Erreger übertragen?
Die infektiösen Zysten des Erregers werden von Infizierten mit dem Stuhl ausgeschieden und verbreiten sich – wie viele Durchfallerreger – vornehmlich über das Trinkwasser. Sie sind sehr widerstandsfähig und können bei ausreichend feuchter Umgebung dauerhaft außerhalb des Körpers überleben. Obwohl Amöben weltweit vorkommen, sind Infektionen in entwickelten Gebieten mit ausgebautem Abwassersystem und guter Trinkwasserversorgung selten. Gerade in Entwicklungsländern, in denen Abwässer sich mit dem Grundwasser vermischen, das als Trinkwasser genutzt wird, verbreitet sich die Erkrankung rasch. Auch der häufige Gebrauch von menschlichen Exkrementen als Düngemittel führt, neben der Verseuchung des Grundwassers, zur Aufnahme von Zysten durch verunreinigte Lebensmittel.
Verbreitung: Wo kommt die Amöbenruhr vor?
Es handelt sich um einen weltweit vorkommenden Erreger, der auch in den kalten Klimazonen der Arktis auftaucht. Am weitesten verbreitet ist er jedoch in tropischen Regionen. Das weltweite Verteilungsmuster der Durchseuchungsrate in der Bevölkerung, ist stark geprägt durch die hygienischen Bedingungen, die Bevölkerungsdichte sowie die Einkommensverhältnisse vor Ort. Gerade Entwicklungsländer sind hier besonders betroffen. In einzelnen Gebieten sind bis zu 90 Prozent der Menschen infiziert. Man geht von mehr als 50 Millionen Erkrankungen weltweit aus. Häufig sind Hafenstädte und Küstengebiete, wie die Westküste Afrikas oder die Küste von Nordbrasilien sowie Slumgebiete in Indien und Bangladesch stark betroffen. Auch in den feuchten Gegenden Südostasiens besteht eine hohe Durchseuchungsrate. Bei Ausbrüchen spielt in diesen Regionen auch ein, häufig durch Unterernährung verursachtes, geschwächtes Immunsystem der Betroffenen eine Rolle. Unter entsprechenden Bedingungen kann es hier zu regelrechten Epidemien kommen.
Symptome: Welche Beschwerden bereitet eine Amöbenruhr?
Der zeitliche Ablauf der Infektion ist sehr variabel. In den meisten Fällen treten erste Symptome zwischen ein und vier Wochen nach Aufnahme des Erregers auf. Im Verlauf mehrerer Tage steigern sich die Beschwerden langsam mit wechselnder Intensität. Das Spektrum reicht von einer symptomlosen Infektion bis hin zur Vollsymptomatik der Amöbenruhr und drohenden Komplikationen.
Leitsymptom sind Durchfälle. In unkomplizierten Fällen treten diese unterschiedlich stark und häufig auf und sind regelmäßig von krampfartigen Bauchschmerzen begleitet. Meist geht es dem Erkrankten dabei relativ gut. Treten Schleim- und Blutbeimengungen (Dysenterie) auf, ist von einer schweren Infektion auszugehen. Man bezeichnet den Stuhlgang hier auch als himbeergeleeartig. Die krampfartigen Bauchschmerzen nehmen stark zu, es kann zu Fieber, Schüttelfrost, Kopfschmerzen und Übelkeit kommen. Die Durchfälle nehmen zu.
Leichte Formen der Erkrankung können, wenn sie über einen längeren Zeitraum bestehen (chronischer Verlauf mit wechselnden Durchfallbeschwerden), zu Müdigkeit, Gewichtsverlust und Antriebslosigkeit führen.
Der Krankheitsverlauf erschwert sich drastisch, wenn Komplikationen wie ein Darmdurchbruch oder ein Amöbenleberabszess hinzukommen. Beim Darmdurchbruch (Darmperforation) bricht im Bereich eines Amöbengeschwürs die Darmwand durch und löst eine schwere Entzündung der Bauchhöhle und des Bauchfells (Peritonitis) aus. Gelegentlich treten auch Abszesse (abgekapselte Eiteransammlung) im Bauchraum und anderen Organen auf. Über die Blutbahn kann der Erreger andere Organe, bevorzugt die Leber, besiedeln. In der Leber entstehen hierbei ein bis mehrere Abszesse, die mit Flüssigkeit gefüllt sind. Der Amöbenleberabszess kann auch Jahre nach der Infektion auftreten und ist eine schwere, lebensbedrohliche Erkrankung, die stationärer Therapie bedarf.
Diagnose: Wie lässt sich eine Amöbenruhr feststellen?
Eine Amöbeninfektion lässt sich zwar im Rahmen eines mikroskopischen Nachweises von Zysten oder Trophozoiten im Stuhl feststellen. Damit kann der Arzt jedoch nicht zwischen einer ungefährlichen Entamoeba dispar-Infektion und einer behandlungsbedürftigen Entamoeba histolytica-Infektion unterscheiden. Ausnahme: Selten gelingt es, Magnaformen (hämatogene Trophozoiten) nachzuweisen, die nur bei Entamoeba histolytica-Infektionen vorkommen.
Um beide Amöbenarten zu unterscheiden, stehen verschiedene spezielle Stuhl-Untersuchungen zur Verfügung. Da nicht immer Erreger mit ausgeschieden werden, sind gegebenenfalls mehrere Stuhlproben an unterschiedlichen Tagen zu nehmen. Wichtigste Methode ist der ELISA (enzyme-linked immunosorbent assay). Er dient dem Nachweis parasitentypischer Merkmale, sogenannter Antigene. Mit der Polymerase-Chain-Reaction (PCR) lassen sich parasitenspezifische Genbestandteile bestimmen. Des Weiteren kommt auch eine kulturelle Anzucht infrage.
Auch die Bestimmung von Antikörpern im Blut, die meist schon zu Beginn der Symptomatik vorhanden sind, kann hilfreich sein. Besteht der Verdacht auf eine Ausbreitung des Erregers bereits im Körper werden weitere Blutwerte (wie Entzündungsmarker) bestimmt.
Ein Amöbenleberabszess geht mit einem Nachweis von Antikörpern und meist mit leicht erhöhten Leberwerten und deutlich erhöhten Entzündungswerten einher und lässt sich mittels bildgebender Verfahren wie Sonographie, Computertomographie (CT) oder Magnetresonanztomographie (MRT) gut nachweisen.
Therapie: Wie lässt sich die Amöbenruhr behandeln?
Für die Behandlung mit Antibiotika stehen die Nitroimidazole Metronidazol, Tinidazol, Nimorazol und Ornidazol zur Verfügung. In Deutschland setzen Ärzte vor allem Metronidazol ein. Die Therapie erfolgt in der Regel über sieben bis zehn Tage. In schweren Fällen sollte die Anwendung als Infusion erfolgen. Diese Gruppe von Antibiotika (die Nitroimidazole) wirkt vorwiegend gegen Erreger im Gewebe, und nur zu einem geringen Teil im Darm. Erkrankte, die Zysten ausscheiden, sollten im Anschluss das Aminoglykosid-Antibiotikum Paromomycin oder den Wirkstoff Diloxanidfuroat über mehrere Tage einnehmen. Unter der antibiotischen Therapie bessert sich der Zustand des Patienten normalerweise rasch. Gegen die krampfartigen Bauchschmerzen kann zudem kurzfristig das krampflösende Mittel N-Butylscopolamin helfen, das Ärzte aber nur einsetzen, wenn keine Gegenanzeigen bestehen.
Ein Amöbenleberabszess lässt sich häufig rein medikamentös behandeln, kann aber auch eine chirurgische Therapie beziehungsweise eine Punktion des Abszesses notwendig machen.
Vorbeugen: Wie kann man sich vor der Amöbenruhr schützen?
Eine Infektion mit Amöben ist die häufigste Parasiteninfektion, die bei Reisenden vorkommt. Da die Erkrankung vor allem durch Wasser übertragen wird, sollten Urlauber besonders auf Trinkwasserhygiene achten. In entsprechenden Reiseländern sollten sie kein Wasser aus dem Hahn oder offenen Gefäßen in den Mund nehmen – auch nicht zum Zähneputzen. Abkochen und ausreichendes Filtrieren eignen sich, um das Wasser von Amöbenzysten zu befreien. Eine Chlorierung alleine reicht nicht aus.
Werden Pflanzen mit Fäkalien gedüngt, lassen sich diese häufig auch durch Waschen nicht von Zysten befreien. Auf Salate und andere Rohkost sollten Reisende daher verzichten. Frisches Obst, das man selbst schält, gilt dagegen als unbedenklich. Es gilt der allgemeine Ratschlag: "boil it, cook it, peel it or forget it!", also zu deutsch: "brat es, koch es, schäl es oder vergiss es!".
Allgemein ist das Infektionsrisiko vom individuellen Reiseverhalten abhängig. Wer luxuriöse Hotels und Restaurants mit hohem hygienischen Standard besucht, hat ein deutlich geringeres Infektionsrisiko als ein Rucksackreisender, der Essen in einheimischen Garküchen und an Straßenständen zu sich nimmt. Es gibt derzeit keine Impfung. Die vorbeugende Einnahme von Antibiotika halten Experten nicht für sinnvoll.
Unser beratender Experte:
Unser Autor Dr. med. Markus Frühwein, hat eine eigene Praxis in München und ist Vorstand der Bayerischen Gesellschaft für Immun-, Tropenmedizin und Impfwesen e.V.
Wichtiger Hinweis: Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder –behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen. Die Beantwortung individueller Fragen durch unsere Experten ist leider nicht möglich.