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Amöbenruhr - kurz erklärt

Bei der Amöbenruhr handelt es sich um eine Infektionskrankheit verursacht durch den Parasiten Entamoeba histolytica. Dieser kommt vor allem in tropischen und subtropischen Regionen mit schlechten hygienischen Bedingungen vor. Die Übertragung erfolgt überwiegend durch verunreinigtes Trinkwasser, seltener durch Obst und Gemüse, welches mit dem Erreger durch mangelnde Händehygiene oder bei der Düngung in Kontakt kam. Auch eine Schmierinfektion ist möglich. Der Erreger besiedelt den Darm und kann dort sogar mehrere Jahre verbleiben, ohne Beschwerden zu bereiten. Wandelt sich die Zyste in die Minutaform, resultieren keine Beschwerden oder nur einfache Durchfälle, wandelt sie sich in die Magnaform (siehe unten), wird die Darmwand geschädigt und der Erreger kann sich ausbreiten und neben blutig-wässrigen Durchfällen schwere Komplikationen wie einen Leberabszess (abgekapselte Eiteransammlung in der Leber) verursachen. Dieser schwere Krankheitsverlauf wird Amöbenruhr genannt. Wird die Erkrankung rechtzeitig diagnostiziert ist sie medikamentös gut behandelbar. Unter entsprechender antibiotischer Therapie ist die Prognose sehr gut.

Was ist eine Amöbenruhr?

Bei der Amöbenruhr handelt es sich um eine Infektionskrankheit. Amöben sind einzellige Parasiten, die vor allem im Dickdarm vorkommen. Grundsätzlich muss bei einer Infektion durch Amöben (Amöbiasis) zwischen der für den Menschen ungefährlichen  Darmbesiedelung durch Entamoeba dispar oder moshkovskii und einer Infektion mit Entamoeba  histolytica unterschieden werden. Letztere führt teilweise zu  schwersten Verläufen (Amöbenruhr) und Komplikationen. Zirka 90 Prozent  aller Amöbiasis-Fälle stellen jedoch ungefährliche Infektionen durch  Entamoeba dispar dar.

Hintergrundinformation - Was ist die Minuta- und Magnaform?

Entamoeba histolytica durchläuft zwei Stadien: Das als unbewegliche Zyste und das als sogenannter Trophozoit, welcher wieder Zysten bilden kann.

Nach Aufnahme der Zysten von Entamoeba histolytica durch Nahrung oder Trinkwasser, vermehren sich diese und entwickeln sich im Darm zu sogenannten Minutaformen (nichthämatogene Trophozoiten) weiter. Die Trophozoiten können sich durch Zellteilung vermehren und wieder Zysten bilden, welche mit dem Stuhl ausgeschieden werden. In dieser Zystenform können die Erreger in der Umwelt lange Zeit infektiös bleiben.

Teilweise wandeln sich die Minutaformen aber auch zu sogenannten Magnaformen (hämatogene Trophozoiten) um. Diese können in die Darmschleimhaut des End- und Dickdarms eindringen, sie schädigen und von hier weiterwandern. Ausschließlich Entamoeba histolytica besitzt die Fähigkeit in Gewebe einzudringen. Diese Formen der Erkrankung werden daher invasive Formen genannt. Durch Schädigung der Darmwand kann es zu ausgedehnten Geschwüren im Dickdarm kommen.

Während die Minutaformen zu einfachen Durchfallerkrankungen führen, können die Magnaformen eine starke Entzündung der Darmschleimhaut (Amöbencolitis) mit blutigen Durchfällen auslösen. Es kann dann zu schwerwiegenden Komplikationen wie bedrohlicher Darmerweiterung mit  Darmdurchbrüchen, Abszessen (abgekapselte Eiteransammlung), vorwiegend in der Leber, und einer Bauchfellentzündung (Peritonits) kommen. Inwieweit sich Symptome entwickeln, hängt allerdings vor allem von der körpereigenen Abwehr und der aufgenommen Menge des Erregers ab.

Ursache: Wie wird der Erreger übertragen?

Die infektiösen Zysten des Erregers werden von Infizierten mit dem Stuhl  ausgeschieden und verbreiten sich – wie viele Durchfallerreger –  vornehmlich über das Trinkwasser. Sie sind sehr widerstandsfähig und  können bei ausreichend feuchter Umgebung dauerhaft außerhalb des Körpers  überleben. Obwohl Amöben weltweit vorkommen, sind Infektionen in  entwickelten Gebieten mit ausgebautem Abwassersystem und guter  Trinkwasserversorgung selten. Gerade in Entwicklungsländern, in denen  Abwässer sich mit dem Grundwasser vermischen, das als Trinkwasser  genutzt wird, verbreitet sich die Erkrankung rasch. Auch der häufige  Gebrauch von menschlichen Exkrementen als Düngemittel führt, neben der  Verseuchung des Grundwassers, zur Aufnahme von Zysten durch  verunreinigte Lebensmittel.

Verbreitung: Wo kommt die Amöbenruhr vor?

Es handelt sich um einen weltweit vorkommenden Erreger, der auch in  den kalten Klimazonen der Arktis auftaucht. Am weitesten verbreitet ist  er jedoch in tropischen Regionen. Das weltweite Verteilungsmuster der  Durchseuchungsrate in der Bevölkerung, ist stark geprägt durch die  hygienischen Bedingungen, die Bevölkerungsdichte sowie die  Einkommensverhältnisse vor Ort. Gerade Entwicklungsländer sind hier  besonders betroffen. In einzelnen Gebieten sind bis zu 90 Prozent der  Menschen infiziert. Man geht von mehr als 50 Millionen Erkrankungen weltweit aus. Häufig sind Hafenstädte und Küstengebiete, wie die  Westküste Afrikas oder die Küste von Nordbrasilien sowie Slumgebiete in  Indien und Bangladesch stark betroffen. Auch in den feuchten Gegenden  Südostasiens besteht eine hohe Durchseuchungsrate. Bei Ausbrüchen spielt in diesen Regionen  auch ein, häufig durch Unterernährung verursachtes, geschwächtes Immunsystem der Betroffenen eine Rolle. Unter   entsprechenden Bedingungen kann es hier zu regelrechten Epidemien   kommen.

Symptome: Welche Beschwerden bereitet eine Amöbenruhr?

Der zeitliche Ablauf der Infektion ist sehr variabel. In den meisten  Fällen treten erste Symptome zwischen ein und vier Wochen nach Aufnahme  des Erregers auf. Im Verlauf mehrerer Tage steigern sich die Beschwerden  langsam mit wechselnder Intensität. Das Spektrum reicht von einer  symptomlosen Infektion bis hin zur Vollsymptomatik der Amöbenruhr und  drohenden Komplikationen.

Leitsymptom sind Durchfälle. In unkomplizierten Fällen treten diese  unterschiedlich stark und häufig auf und sind regelmäßig von  krampfartigen Bauchschmerzen begleitet. Meist geht es dem Erkrankten dabei relativ gut. Treten  Schleim- und Blutbeimengungen (Dysenterie) auf, ist von einer schweren  Infektion auszugehen. Man bezeichnet den Stuhlgang hier auch als himbeergeleeartig. Die krampfartigen Bauchschmerzen nehmen stark zu,  es kann zu Fieber, Schüttelfrost, Kopfschmerzen und Übelkeit kommen. Die Durchfälle nehmen zu.

Leichte Formen der Erkrankung können, wenn sie über einen längeren  Zeitraum bestehen (chronischer Verlauf mit wechselnden  Durchfallbeschwerden), zu Müdigkeit, Gewichtsverlust und Antriebslosigkeit führen.

Der Krankheitsverlauf erschwert sich drastisch, wenn Komplikationen  wie ein Darmdurchbruch oder ein Amöbenleberabszess hinzukommen. Beim  Darmdurchbruch (Darmperforation) bricht im Bereich eines Amöbengeschwürs  die Darmwand durch und löst eine schwere Entzündung der Bauchhöhle und des Bauchfells  (Peritonitis) aus. Gelegentlich treten auch Abszesse (abgekapselte Eiteransammlung) im Bauchraum und anderen Organen auf.  Über die Blutbahn kann der Erreger andere Organe, bevorzugt die Leber,  besiedeln. In der Leber entstehen hierbei ein bis mehrere Abszesse, die  mit Flüssigkeit gefüllt sind. Der Amöbenleberabszess kann auch Jahre  nach der Infektion auftreten und ist eine schwere, lebensbedrohliche Erkrankung,  die stationärer Therapie bedarf.

Diagnose: Wie lässt sich eine Amöbenruhr feststellen?

Eine Amöbeninfektion lässt sich zwar im Rahmen eines mikroskopischen  Nachweises von Zysten oder Trophozoiten im Stuhl feststellen. Damit kann  der Arzt jedoch nicht zwischen einer ungefährlichen Entamoeba  dispar-Infektion und einer behandlungsbedürftigen Entamoeba  histolytica-Infektion unterscheiden. Ausnahme: Selten gelingt es,  Magnaformen (hämatogene Trophozoiten) nachzuweisen, die nur bei  Entamoeba histolytica-Infektionen vorkommen.

Um beide Amöbenarten  zu unterscheiden, stehen verschiedene spezielle Stuhl-Untersuchungen zur Verfügung. Da nicht immer Erreger mit ausgeschieden werden, sind gegebenenfalls mehrere Stuhlproben an unterschiedlichen Tagen zu nehmen. Wichtigste Methode ist der ELISA (enzyme-linked  immunosorbent assay). Er dient dem Nachweis parasitentypischer Merkmale,  sogenannter Antigene. Mit der Polymerase-Chain-Reaction (PCR) lassen  sich parasitenspezifische Genbestandteile bestimmen. Des Weiteren kommt  auch eine kulturelle Anzucht infrage.

Auch die Bestimmung von Antikörpern im Blut, die meist schon zu Beginn der Symptomatik vorhanden sind, kann hilfreich sein. Besteht der Verdacht auf eine Ausbreitung des Erregers bereits im Körper werden weitere Blutwerte (wie Entzündungsmarker) bestimmt.

Ein Amöbenleberabszess geht mit einem Nachweis von Antikörpern und meist mit leicht erhöhten Leberwerten und deutlich erhöhten Entzündungswerten einher und lässt sich mittels bildgebender Verfahren wie Sonographie, Computertomographie (CT) oder Magnetresonanztomographie (MRT) gut nachweisen.

Therapie: Wie lässt sich die Amöbenruhr behandeln?

Für die Behandlung mit Antibiotika stehen die Nitroimidazole  Metronidazol, Tinidazol, Nimorazol und Ornidazol zur Verfügung. In  Deutschland setzen Ärzte vor allem Metronidazol ein. Die Therapie  erfolgt in der Regel über sieben bis zehn Tage. In schweren Fällen  sollte die Anwendung als Infusion erfolgen. Diese Gruppe von Antibiotika  (die Nitroimidazole) wirkt vorwiegend gegen Erreger im Gewebe, und nur  zu einem geringen Teil im Darm. Erkrankte, die Zysten ausscheiden,  sollten im Anschluss das Aminoglykosid-Antibiotikum Paromomycin oder den  Wirkstoff Diloxanidfuroat über mehrere Tage einnehmen. Unter der  antibiotischen Therapie bessert sich der Zustand des Patienten  normalerweise rasch.  Gegen die krampfartigen Bauchschmerzen kann zudem  kurzfristig das krampflösende Mittel N-Butylscopolamin helfen, das Ärzte  aber nur einsetzen, wenn keine Gegenanzeigen bestehen.

Ein Amöbenleberabszess lässt sich häufig rein medikamentös behandeln, kann aber auch eine chirurgische Therapie beziehungsweise eine Punktion des Abszesses notwendig machen.

Vorbeugen: Wie kann man sich vor der Amöbenruhr schützen?

Eine Infektion mit Amöben ist die häufigste Parasiteninfektion, die  bei Reisenden vorkommt. Da die Erkrankung vor allem durch Wasser  übertragen wird, sollten Urlauber besonders auf Trinkwasserhygiene  achten. In entsprechenden Reiseländern sollten sie kein Wasser aus dem  Hahn oder offenen Gefäßen in den Mund nehmen – auch nicht zum  Zähneputzen. Abkochen und ausreichendes Filtrieren eignen sich, um das  Wasser von Amöbenzysten zu befreien. Eine Chlorierung alleine reicht  nicht aus.

Werden Pflanzen mit Fäkalien gedüngt, lassen sich diese häufig auch  durch Waschen nicht von Zysten befreien. Auf Salate und andere Rohkost  sollten Reisende daher verzichten. Frisches Obst, das man selbst schält,  gilt dagegen als unbedenklich. Es gilt der allgemeine Ratschlag: "boil it, cook it, peel it or forget it!", also zu deutsch: "brat es, koch es, schäl es oder vergiss es!".

Allgemein ist das Infektionsrisiko vom  individuellen Reiseverhalten abhängig. Wer luxuriöse Hotels und  Restaurants mit hohem hygienischen Standard besucht, hat ein deutlich  geringeres Infektionsrisiko als ein Rucksackreisender, der Essen in  einheimischen Garküchen und an Straßenständen zu sich nimmt. Es gibt  derzeit keine Impfung. Die vorbeugende Einnahme von Antibiotika halten  Experten nicht für sinnvoll.

Dr. med. Markus N. Frühwein

Dr. med. Markus N. Frühwein

Unser beratender Experte:

Unser Autor Dr. med. Markus Frühwein, hat eine eigene Praxis in München und ist Vorstand der Bayerischen Gesellschaft für Immun-, Tropenmedizin und Impfwesen e.V.

Quellen:

  • AWMF, S1-Leitlinie Diagnostik und Therapie der Amöbiasis, Stand 10/2018. Online: https://dtg.org/images/Leitlinien_DTG/Leitlinie_S1_Amoebiasis_Diagnostik-Therapie_102018.pdf (abgerufen am 6. November 2019)
  • Robert Koch Institut (RKI), Amöben-Infektion. Online: https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/A/Amoeben-Infektionen/Amoeben.html (abgerufen am 6. November 2019)
  • Centers for Disease Control and Prevention (CDC), Parasites - Amebiasis - Entamoeba histolytica Infection. Online: https://www.cdc.gov/parasites/amebiasis/general-info.html (abgerufen am 6. November 2019)

Wichtiger Hinweis: Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder –behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen. Die Beantwortung individueller Fragen durch unsere Experten ist leider nicht möglich.