Logo der Apotheken Umschau

Herzprobleme und Corona – da treffen sich zwei echte Schreckgespenster. Erst wurde klar, dass eine ­Covid-Infektion nicht nur der Lunge, sondern auch anderen Organen wie dem Herz schwer zusetzen kann. Dann gab es Be­richte über Herzmuskelentzündungen im Zusammenhang mit mRNA-Impfstoffen, begleitet von einigen aufsehenerregenden Fällen junger Profisportler.

Spätestens seit die Ständige Impfkommission im November 2021 ihre Empfehlungen anpasste und auf Risiken insbesondere für junge Männer verwies, kam das Thema nicht mehr aus den Schlagzeilen heraus. „Die Pandemie hat Herzmuskelentzündungen stark in den öffentlichen Fokus gerückt“, bestätigt Professor Thomas Voigtländer, Vorsitzender der Deutschen Herzstiftung und Direktor des Agaplesion Bethanien Krankenhauses in Frankfurt am Main.

Allerdings sei dabei so manches durcheinandergeraten und die Verunsicherung vieler Menschen entsprechend groß. „Manche haben zum Beispiel den Eindruck, die Impfung gegen Covid ­wäre für sie gefährlicher als eine Infektion“, sagt Voigtländer. „Doch das ist ein fataler Trugschluss.“

Herzmuskelentzündung nach Corona-Impfung äußerst selten

Tatsächlich zeigt ein Blick auf die Daten: Das Risiko für eine Myokarditis oder eine Perikarditis – so nennen Medizinerinnen und Mediziner eine Herzmuskel- oder Herzbeutelentzündung – als Folge einer Impfung gegen Covid-19 ist äußerst gering. Im Schnitt beträgt es über alle Altersgruppen hinweg ein bis zehn Fälle pro 100.000 Impfungen.

Eine Studie aus Skandinavien hat diese Ergebnisse gerade anhand der Daten von 23 Millionen Menschen bestätigt. Das größte Myokarditis-Risiko haben demnach junge Männer zwischen 16 und 24 Jahren. Doch auch bei ihnen bleibt es überschaubar. Vergleicht man es mit dem Schnitt über alle Altersgruppen, erkranken unter ihnen zusätzlich vier bis sieben pro 100.000 Ge­impfte. Beim Biontech-Impfstoff tritt die Myokarditis – falls es dazu kommt – meistens nach der zweiten Impfung in Erscheinung.

Geringfügig größer ist das Risiko mit dem Moderna-Impfstoff, der in Deutschland deshalb erst ab ­einem Alter von 30 Jahren empfohlen ist. Zudem verläuft die Erkrankung infolge der Impfung meist mild und heilt rasch und folgenlos ab.

Myokarditis deutlich häufiger durch Corona-Infektion als durch Impfung

Große Untersuchungen, etwa aus den USA und Israel, ziehen allesamt ein ähnliches Fazit: Das Myokarditis-Risiko durch eine Impfung ist mindestens vierfach geringer als das Risiko, durch eine Corona-Infektion zu erkranken. Zudem liefen ungeimpfte Infizierte eher Gefahr, weitere Herzrisiken wie Rhythmusstörungen oder Infarkte zu erleiden. „Die Risikoabwägung fällt also in allen Altersgruppen eindeutig zugunsten der Impfung aus“, betont Voigtländer.

Bild

Wie vielfältig und schwer die Auswirkungen einer Corona-Infektion auf das Herz sein können, wird aktuell noch genauer ­untersucht. Dass die Erkrankung eine Herzmuskelentzündung auslösen kann, ist aber wenig überraschend. „Schon vor der Pandemie waren Viren der häufigste Auslöser ­einer akuten Myokarditis“, sagt Professorin Brenda Gerull, Leiterin des Departments für Kardiovaskuläre Genetik am Deutschen Zentrum für Herzinsuffizienz der Uniklinik Würzburg.

Viren greifen das Herz direkt oder indirekt an

Ob Herpes- oder Erkältungs­viren, Erreger von Masern, Grippe oder Magen-­Darm-Infekten: „Sie alle können auch das Herz entweder direkt angreifen oder es durch das aktivierte Immunsystem indirekt schädigen.“ Deshalb gilt der strikte ärztliche Rat, sich bei Erkrankungen zu schonen. „Vor allem wenn Fieber auftritt und das Allgemeinbefinden gestört ist“, sagt Gerull. Das sei der wirksamste Weg, um einer Myokarditis vorzubeugen.

Doppelte Schädigung: Erreger, meist Viren, greifen die Herzmuskelzellen an. Zellen des Abwehrsystems wandern ein und tragen zusätzlich zur Zerstörung bei, selbst wenn keine Viren mehr da sind.

Doppelte Schädigung: Erreger, meist Viren, greifen die Herzmuskelzellen an. Zellen des Abwehrsystems wandern ein und tragen zusätzlich zur Zerstörung bei, selbst wenn keine Viren mehr da sind.

Kommt es doch zu einer Entzündung des Herzmuskels, gelten Kurzatmigkeit, Schmerzen im Brustkorb und ein Nachlassen der körperlichen Belastungsfähigkeit als typische Symptome. Mitunter kommt es auch zu Herzrasen oder -stolpern. „Darauf verlassen kann man sich aber nicht, denn viele Herzmuskelentzündungen verlaufen ohne spezifische Beschwerden“, sagt Professor Michael Böhm, Direktor der Klinik für Innere Medizin am Universitätsklinikum des Saarlandes.

Tückisch: Nicht immer treten Symtpome auf

Böhms Warnung bestätigte 2021 eine Studie aus den USA für coronabedingte Herzmuskelentzündungen. Die Forschenden unter­suchten College-Sportlerinnen und -Sportler mit einer Covid-Infektion auf Herzschäden. Bei 37 von 1597 untersuchten Personen wurde eine Herzmuskelentzündung festgestellt – doch nur neun von ­ihnen zeigten Symptome, ­während 28 nichts von der Entzündung bemerkten.

Die Symptomfreiheit ist ­tückisch: Die oder der Betroffene ahnt nichts, doch die Erkrankung kann zu Folgeschäden führen – wie dauerhaft verändertem Muskelgewebe, Herzschwäche oder gar plötzlichem Herztod. „Wer sich auch nach der akuten Infektphase nicht gut erholt und weiterhin abgeschlagen fühlt, sollte deshalb an das Herz denken“, sagt Böhm.

Spezielle Untersuchungen sichern die Diagnose

Zweifelsfrei feststellen lässt sich eine Myokarditis in der Regel nur über eine Untersuchung mittels kardialer Magnetresonanz­tomographie (Kardio-MRT). Sie lässt genaue Rückschlüsse auf den Zustand des Herzgewebes zu. Das Verfahren hat eine Biopsie des Herzens mittlerweile weitgehend abgelöst. Ultraschall und EKG hingegen sind weiterhin wichtig für die Diagnose und können zum Beispiel Aufschluss über die Pumpleistung des Herzens geben.

„Ein EKG ist zur Beurteilung der elektrischen Aktivität des Herzmuskels sinnvoll, hat allein aber zu wenig Aussagekraft, um eine Herzmuskelentzündung zu diagnostizieren“, sagt Brenda Gerull. Wichtig für die Diagnose sind zudem verschiedene Blutwerte, insbesondere Troponin und BNP. Das sind ­Eiweißmoleküle, die bei einer Schädigung des Herzens ins Blut abgegeben werden. „Letztlich ist die Diagnose ein Puzzle aus verschiedenen Methoden, aber heutzutage zuverlässig möglich“, so Gerull.

Wichtigste Therapiemaßnahme: Schonen, schonen, schonen

Doch was tun, wenn tatsächlich eine Myokarditis diagnostiziert wird? Ob nun coronabedingt oder aufgrund einer anderen Ursache: „Ein pauschales Heilmittel gegen Myokarditis gibt es leider nicht“, sagt Herzspezialist Voigtländer. Als vorrangig gelten körperliche Schonung, Alkoholverzicht und die Gabe von Schmerzmitteln. In schweren Fällen mit eingeschränkter Pumpleistung des Herzens werden Medikamente gegen Herzschwäche gegeben.

„Bei Patienten mit sehr vielen entzündeten Zellen im Herzmuskel können vorübergehend auch Immunsuppressiva eingesetzt werden“, ergänzt Michael Böhm. Die Behandlung ­hänge dabei stark von der Ursache des entzündeten Herzmuskels ab. Neben Viren können seltener auch Bakterien, Pilze oder Parasiten eine infektiöse Myokarditis aus­lösen, auch fehlgeleitete Immunreaktionen oder Nebenwirkungen einer Strahlentherapie können der Grund sein.

Für die meisten Betroffenen bleibt der wichtigste Rat, sich zu schonen – und zwar eine ganze Weile. Drei bis sechs Monate lautet die offizielle Empfehlung der Fachgesellschaften. Dem schließt sich auch die amerikanische Kardiologenvereinigung an, die vor Kurzem Leitlinien zur Behandlung ­einer coronabedingten Myokarditis herausgegeben hat.

Das gilt für Sportler nach einer SARS-CoV-2-Infektion

Darin enthalten sind auch Aus­sagen für Sportlerinnen und Sportler: Sie sollten nach einer SARS-CoV-2-Infektion ohne Symptome drei Tage pausieren und bei einem milden Infekt warten, bis alle Beschwerden abgeklungen sind. „Eine kardiologische Untersuchung ist in diesen Fällen nicht nötig“, sagt Voigtländer.

Anders sieht es bei schweren Corona-Fällen aus, bei denen auch das Herz geschädigt wurde – und wenn eine Myokarditis diagnostiziert wurde. Dann sollte bis zu einem halben Jahr kein Leistungssport betrieben werden. Wie lange die Schonzeit tatsächlich ausfällt, hängt im Einzelfall von unterschiedlichen Faktoren ab: Wie schwer war die Erkrankung? Wie verläuft die Genesung? Was zeigen die Kontrolluntersuchungen? Sind noch Entzündungsparameter im Blut nachweisbar? Welche Art von Belastung ist geplant? „Es macht ja einen Unterschied, ob man nach einer Myokarditis an einem Triathlon teilnehmen oder einfach mit dem Rad zur Arbeit fahren will“, sagt Voigtländer.

Nach Genesung erst schrittweise wieder belasten

Für alle Fälle aber gilt: Wenn keine Symptome und Entzündungsanzeichen mehr vorliegen und sich die Herzleistung normalisiert hat, sollte man trotzdem nicht gleich voll durchstarten, sondern sich langsam und schrittweise wieder belasten. Wer sich daran hält, für den hat Voigtländer eine ­gute Nachricht: „In den meisten Fällen heilt eine Herzmuskelentzündung ohne Folgeschäden und weitere Einschränkungen wieder aus.“

Lesen Sie auch:

52438939_5abf512b4c.IRWUBPROD_4LPO.jpeg

Herzmuskelentzündung erkennen und behandeln

Luftnot, Herzstolpern und Brustenge können Symptome einer Herzmuskelentzündung sein. Doch nicht immer sind die Anzeichen eindeutig. Warum eine Myokarditis entsteht, woran Ärzte sie erkennen, wie sie die Krankheit behandeln zum Artikel

Herz (Schematische Darstellung)

Herzbeutelentzündung (Perikarditis)

Die Perikarditis ist eine entzündliche Erkrankung des Herzbeutels, deren Hauptsymptom starke Brustschmerzen sind. Häufig entwickelt sich in der Folge ein Herzbeutelerguss zum Artikel


Quellen:

  • Gluckman T, Bhave N, et al.: 2022 ACC Expert Consensus Decision Pathway on Cardiovascular Sequelae of COVID-19 in Adults: Myocarditis and Other Myocardial Involvement, Post-Acute Sequelae of SARS-CoV-2 Infection, and Return to Play. In: Journal of the American College of Cardiology 01.05.2022, 79: 1717-1756
  • Øystein Karlstad et al.: SARS-CoV-2 Vaccination and Myocarditis in a Nordic Cohort Study of 23 Million Residents. In: JAMA Cardiology 20.04.2022, 7: 600-612
  • Xie Y et al.: Long-term cardiovascular outcomes of COVID-19. In: Nature Medicine 07.02.2022, 28: 583-590
  • Patone M. et al.: Risks of myocarditis, pericarditis, and cardiac arrhythmias associated with COVID-19 vaccination or SARS-CoV-2 infection. In: Nature medicine 01.02.2022, 28: 410-422
  • Barda N. et al.: Safety of the BNT162b2 mRNA Covid-19 Vaccine in a Nationwide Setting. In: New England Journal of Medicine 16.09.2021, 385: 1078-1090
  • Deutsche Herzstiftung: Empfehlungen zu Myokarditis und Covid-19. https://www.herzstiftung.de/... (Abgerufen am 21.06.2022)
  • Deutsche Herzstiftung: Diagnostik der Herzmuskelentzündung. https://www.herzstiftung.de/... (Abgerufen am 21.06.2022)
  • Robert Koch-Institut: Pressemitteilung der STIKO zur COVID-19-Impfung mit mRNA-Impfstoff bei Personen unter 30 Jahren . https://www.rki.de/... (Abgerufen am 21.06.2022)
  • Deutsches Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung: Herzmuskelentzündung (Myokarditis): Wie hoch ist das Risiko durch Covid-19 und Corona-Impfung?. https://dzhk.de/... (Abgerufen am 21.06.2022)
  • Swissmedic: Untersuchung von Berichten über Myokarditiden in Zusammenhang mit mRNA Impfstoffen gegen Covid-19. https://www.swissmedic.ch/... (Abgerufen am 21.06.2022)
  • Kühl, U., Schultheiss, H.-P.: Myokarditis, Frühzeitige Biopsie ermöglicht differenzierte regenerative Therapie. In: Deutsches Ärzteblatt 18.05.2021, 109: 361-368
  • Rößler A.: Myokarditis häufig unbemerkt nach Covid-19, Studie mit Leistungssportlern. Pharmazeutische Zeitung: https://www.pharmazeutische-zeitung.de/... (Abgerufen am 21.06.2022)
  • Deutsche Herzstiftung: Herzmuskelentzündung: Was bei Covid-19 bekannt ist. https://www.herzstiftung.de/... (Abgerufen am 21.06.2022)
  • Simone, A. et al.: AcuteMyocarditis Following COVID-19 mRNA Vaccination in Adults Aged 18 Years or Older. In: JAMA Internal Medicine 04.10.2021, 181: 1668-1670