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Frau Professorin Rumler, wie entstand die Idee, eine Untersuchung über berufstätige Frauen in den Wechseljahren zu machen?

Eine Unternehmerin aus meinem Bekanntenkreis hat mich zu dem Forschungsprojekt inspiriert. Sie regte an, eine Studie darüber zu machen, wie sich die Wechseljahre auf die Arbeitsfähigkeit von Frauen auswirken. Das fand ich sehr spannend, habe Forschungspartnerinnen gesucht, Forschungsgelder beantragt und dann losgelegt.

Andrea Rumler, Professorin für Betriebswirtschaftslehre und Marketing an der Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR) Berlin

Andrea Rumler, Professorin für Betriebswirtschaftslehre und Marketing an der Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR) Berlin

Welches Ergebnis hat Sie am meisten überrascht?

Wie stark doch die Auswirkungen der Wechseljahre auf die Karriereentscheidungen sind. Gerade wenn man sich die älteren Frauen in unserer Befragung in der Alterskategorie ab 55 anschaut. Da sagen rund 20 Prozent, dass sie wegen der Wechseljahre früher in den Ruhestand gehen wollen oder dass sie das sogar schon gemacht haben. Dass sie Stunden reduzieren oder Beförderungen ausschlagen. Natürlich betrifft das nicht die Mehrheit der Frauen, aber es ist dennoch eine relativ große Minderheit. Das habe ich nicht erwartet.

Was mich außerdem überrascht hat: Die Zahl der Frauen, die das Gefühl haben, dass ihre Führungskräfte sowie ihre Kolleginnen und Kollegen überhaupt ein Bewusstsein dafür haben, dass die Wechseljahre sich auf die Arbeitsfähigkeit auswirken können, ist erschreckend gering: 96 Prozent der Führungskräfte haben das offenbar nicht auf dem Schirm. Von den Frauen, die Wechseljahresbeschwerden haben, haben in unserer Befragung drei Viertel gesagt, dass es sich auf ihre Arbeitsfähigkeit auswirkt. Das ist keine Minderheit.

Welche Beeinträchtigungen beziehungsweise gesundheitlichen Probleme nannten die befragten Frauen am häufigsten?

Das waren zunächst körperliche und geistige Erschöpfung sowie Schlafstörungen. Das sind natürlich zwei Faktoren, die ganz eng zusammenspielen. Wenn man nicht gut schläft, ist man körperlich und geistig schneller erschöpft als bei ausreichender Nachtruhe. Dann erhöhte Reizbarkeit. Und gute 46 Prozent berichten über depressive Verstimmungen. Auf Platz 5 kommt das Thema Hitzewallungen und Schwitzen.

Wie beeinträchtigen diese Beschwerden die Arbeitsfähigkeit?

Die Frauen können sich schlechter konzentrieren. Sie fühlen sich gestresst, sind ungeduldiger und gereizter gegenüber anderen. Ein Drittel der Befragten gibt an, dass sie weniger Selbstbewusstsein im Hinblick auf ihre Fähigkeiten haben als früher.

Ihr Forschungsprojekt bezieht vor allem Frauen mit mittlerem oder hohem Bildungsgrad ein. Wie schätzen Sie die Situation für Frauen mit niedrigerer Bildung ein, zum Beispiel Frauen, die keine abgeschlossene Ausbildung haben?

Der wesentliche Unterschied dürfte sein, dass Frauen mit niedrigerem Bildungsgrad weniger Wissen und Klarheit über die Symptome der Wechseljahre haben.

In den Medien wurde im vergangenen Jahr viel darüber diskutiert, dass Frauen mit starken Menstruationsschmerzen in Spanien zusätzliche Krankheitstage bekommen sollen. Auch bei uns hat das Thema Wellen geschlagen. Warum wird über die Wechseljahre nicht ähnlich diskutiert?

Das hat mehrere Ursachen. Zum einen sind die Wechseljahre noch immer ein Tabuthema. In unserer Befragung bestätigen das 50 Prozent der Frauen für ihre Arbeitsumgebung und nur rund 25 Prozent verneinen das. Weder wollen viele Frauen, dass es thematisiert wird, noch wird es in den Unternehmen angesprochen.

Und dann ist es so, dass die Wechseljahre sehr individuell zu Beeinträchtigungen am Arbeitsplatz führen. Viele Frauen, die gesundheitlich beeinträchtigt sind, können die Beschwerden auch gar nicht den Wechseljahren zuordnen. Zum Beispiel, weil auch ihre Ärztinnen und Ärzte nur zum Teil darüber informiert sind. Dass zum Beispiel eine depressive Verstimmung auch hormonell bedingt sein kann.

Was müsste sich verändern, damit Frauen in den Wechseljahren wie gewohnt am Berufsleben teilnehmen können?

Die Wechseljahre sind keine Krankheit, genauso wenig wie die Menstruation. Aber beides kann unangenehme Symptome verursachen. Es sollte deshalb in den Unternehmen ein Angebot für eine individuelle Unterstützung am Arbeitsplatz geben. Auf das die Frau zurückgreifen kann, ohne dass sie sich dafür schämen muss. Und ohne dass sie negative Konsequenzen im Arbeitsleben befürchten muss.

Welche konkreten Maßnahmen könnten erwerbstätigen Frauen in dieser Lebensphase helfen?

Idealerweise gibt es in den Unternehmen in der Personalabteilung oder im Betrieblichen Gesundheitsmanagement jemanden, den die Frauen ansprechen können. Zum Beispiel die Betriebsärztin. Das wäre der erste Schritt. Der zweite wäre, dass die Unternehmen konkrete und individuelle Lösungsansätze vorschlagen – zum Beispiel, dass jemand mit Schlafstörungen seine Arbeitszeit flexibler erbringen kann. Solche Unterstützungsangebote kosten im Übrigen auch nicht viel. Dafür muss sich aber zuerst das Bewusstsein ändern und das Thema Wechseljahre enttabuisiert werden.

Was haben Sie beruflich verändert, als Sie in die Wechseljahre kamen?

Ich bin jetzt 60 und habe die Wechseljahre im Großen und Ganzen hinter mir. Wenn ich zurückblicke, hätte ich mir gewünscht, von meinen Ärztinnen und Ärzten besser beraten zu werden. Denn ich hatte sehr wohl typische Beschwerden, ohne dass diese der Menopause zugeordnet worden wären. Die Top 5-Symptome aus unserer Umfrage, die kenne ich alle.

Ich arbeite aber zum Glück in einem Beruf, der sehr flexibel und individuell gestaltbar ist. Von daher habe ich am Arbeitsplatz sehr viel weniger gelitten als eine Frau, die immer zur selben Zeit an einem bestimmten Ort sein muss. Deshalb musste ich weder weniger arbeiten noch den Arbeitsplatz wechseln.


Quellen:

  • Institut für angewandte Forschung (IFAF) Berlin: MenoSupport – Entwicklung innovativer BGM-Maßnahmen für Frauen in der Menopause. https://www.ifaf-berlin.de/... (Abgerufen am 22.01.2024)