Logo der Apotheken Umschau

Was muss sich ändern, damit Menschen mit Diabetes in Kliniken besser betreut werden? Darüber haben wir mit Professor Baptist Gallwitz gesprochen. Er ist Diabetologe und stellvertretender Ärztlicher Direktor am Universitätsklinikum Tübingen und Vorstandsmitglied der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG).

Herr Prof. Gallwitz, wie gut werden Menschen mit Diabetes derzeit in Kliniken versorgt?

Mindestens jeder fünfte Klinikpatient hat Diabetes. Das entspricht rund drei Millionen stationären Behandlungen pro Jahr. Aber nur in jeder sechsten Klinik gibt es genug Fachpersonal, das sich um den Diabetes kümmern kann. Patienten, die mit, aber nicht wegen Diabetes ins Krankenhaus kommen, haben oft keinen qualifizierten Ansprechpartner, der ihnen hilft, Zuckerschwankungen – etwa aufgrund einer Operation – in den Griff zu bekommen.

Welche Folgen hat das?

Das Risiko für gefährliche Stoffwechselentgleisungen und weitere Komplikationen steigt. Besonders gefährdet sind Diabetespatienten mit Folgeschäden, etwa an Herz oder Niere. Menschen mit Typ-1-Diabetes kann es passieren, dass ihre Insulintherapie unterbrochen wird.

Warum fehlt es den Kliniken an Diabetesexpertise?

In den vergangenen Jahren wurden etliche Diabetesabteilungen geschlossen. Meist aus wirtschaftlichen Gründen. In vielen Kliniken ist eine Weiterbildung zur Diabetologin oder zum Diabetologen nicht mehr möglich. Auch deshalb gibt es einen Nachwuchsmangel in der Diabetologie, der das Problem verschärft.

Wird die vom Gesundheitsministerium geplante Krankenhausreform die Lage verbessern?

Bislang sieht es nicht gut aus. Kliniken sollen künftig in Versorgungsstufen unterteilt werden. Eine Diabetes-Expertise auf allen Stufen ist noch nicht vorgesehen. Die Politik unterschätzt die Rolle des Diabetes in Kliniken und die wachsende Zahl der Betroffenen, die dort versorgt werden müssen.

Gibt es positive Ansätze?

Gut ist, dass es künftig neben Fallpauschalen für die Behandlung einer bestimmten Krankheit auch Vorhaltepauschalen geben soll.

Was bedeutet das?

Die Kliniken bekommen Geld dafür, dass sie bestimmte Leistungen anbieten und die Strukturen dafür nachweisen können. Unabhängig davon, wie oft sie diese Leistungen durchführen. Davon könnten auch Menschen mit Diabetes profitieren.

Was wünscht sich die Deutsche Diabetes Gesellschaft von der Politik?

Insbesondere in Kliniken der Maximalversorgung sollte es Diabetes-Units geben: Ein Team aus Diabetologe, Diabetesberater und weiteren Fachleuten, das sich um Diabetespatienten in allen Abteilungen kümmert. In kleineren Häusern braucht es zumindest eine enge Zusammenarbeit mit einer Diabetes-Schwerpunktpraxis.

Was noch?

Kliniken mit Diabetesexpertise sollten finanzielle Zuschläge erhalten, andere Kliniken finanzielle Abschläge. Für die Therapie von Patienten, die besonders intensiv betreut werden müssen, etwa ältere Diabetespatienten mit vielen weiteren Erkrankungen und Kinder, braucht es eine entsprechende Vergütung. Wichtig wäre auch eine routinemäßige Blutzuckerkontrolle bei Aufnahme in die Klinik. Das stellt sicher, dass ein bislang unentdeckter Typ-2-Diabetes erkannt und mitbehandelt wird. In Notaufnahmen ist das bis zu jeder vierte Patient.