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Hämophilie - kurz erklärt

Hämophilie A und B sind erbliche Krankheiten, bei denen die Blutgerinnung aufgrund eines Mangels an Gerinnungsfaktoren beeinträchtigt ist. Bei Hämophilie A fehlt der Faktor VIII, bei Hämophilie B der Faktor IX. Bei den betroffenen Personen kann es nach Verletzungen und Unfällen, aber auch bei Eingriffen oder spontan zu Blutungen kommen. Da die für die Hämophilie verantwortlichen veränderten Gene auf dem X-Chromosom liegen und rezessiv vererbt werden, erkranken vor allem Jungen. Die Behandlung besteht meist in der Verabreichung der fehlenden Gerinnungsfaktoren - entweder regelmäßig vorbeugend oder bei Bedarf.

Die Hämophilie, früher auch "Bluterkrankheit" genannt, ist eine erbliche Erkrankung. Sie betrifft hauptsächlich Jungen und Männer. Bei einer Hämophilie ist die Blutgerinnung gestört. Deshalb gerinnt das Blut aus einer Wunde nicht oder nur langsam und es kann auch zu spontanen Blutungen kommen. Personen mit Hämophilie haben heute aufgrund der guten Behandlung eine normale Lebenserwartung.

Welche Ursachen hat die Hämophilie?

Voraussetzung für eine normal funktionierende Blutgerinnung ist das Zusammenspiel verschiedener Gerinnungsfaktoren. Das menschliche Blutgerinnungssystem verfügt über 13 Faktoren, welche mit den römischen Ziffern I bis XIII bezeichnet werden. Die Ursachen sind bei Hämophilie A und B unterschiedlich:

  • Hämophilie A: Bei Hämophilie A liegt ein vererbter Mangel oder eine verringerte Aktivität des Gerinnungsfaktors VIII (Faktor acht) vor.
  • Hämophilie B: Fehlt der Gerinnungsfaktor IX (Faktor neun) oder ist seine Aktivität verringert, handelt es sich um eine Hämophilie B.

Neben diesen beiden häufigen Formen gibt es weitere, deutlich seltenere Arten der Hämophilie.

Vererbung: Wie entsteht die Hämophilie?

Hämophilie A und B werden X-chromosomal rezessiv vererbt. Das bedeutet: Die Erbanlage für Hämophilie A und B liegt auf dem X-Chromosom und wird mit ihm weitergegeben. Frauen besitzen zwei X-Chomosomen: Eins erben sie von der Mutter und eins vom Vater. Männer haben dagegen nur ein X-Chomosom, das sie von der Mutter erben. Vom Vater erben Männer das Y-Chomosom.

Wenn Jungen von der Mutter ein X-Chomosom mit einem entsprechend veränderten Gen für die Faktoren VIII oder IX erben, erkranken sie an Hämophilie.

Frauen können die Genveränderung ebenfalls auf dem X-Chromosom in sich tragen. Wenn sie jedoch über ein zweites, "gesundes" X-Chomosom verfügen – was üblicherweise der Fall ist – erkranken sie nicht. Sie können aber das X-Chromosom mit dem Defekt und damit die Krankheit an ihre Kinder weitergeben. Man bezeichnet solche Frauen daher als "Überträgerinnen". Manchmal fällt bei ihnen auch eine leicht gesteigerte Blutungsneigung auf.

Hat eine Frau die Genveränderung auf dem X-Chromosom sowohl von ihrer Mutter als auch von ihrem Vater geerbt, besitzt sie zwei veränderte X-Chromosomen und erkrankt an Hämophilie. Das ist jedoch selten.

Die Häufigkeit einer Bluterkrankheit bei neugeborenen Jungen beträgt etwa 1: 5000; die Hämophilie A ist häufiger als die Hämophilie B. In Deutschland leben etwa 10000 Männer mit Hämophilie.

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Welche Symptome sind typisch?

Die Blutungsneigung ist bei beiden Hämophilieformen gleich. Sie fällt meist schon im Kindesalter auf, zumal die Erbkrankheit in betroffenen Familien oft bekannt ist:

  • Die Betroffenen bekommen besonders leicht ausgedehnte blaue Flecken (Hämatome).
  • Typisch sind schmerzhafte Gelenkeinblutungen. Sie können Gelenkschäden verursachen und – ohne geeignete Therapie – zu frühzeitiger Arthrose und Gelenkversteifung führen.
  • Nach Verletzungen sind Blutungen nur schwer zu stillen.
  • Bei betroffenen Frauen können verlängerte oder verstärkte Periodenblutungen auftreten.
  • Gefürchtet sind außerdem ausgedehnte Muskelblutungen nach einem Stoß oder einem Unfall. Auch nach Spritzen in den Muskel (intramuskulären Injektionen) kommen schwere Muskelblutungen vor.
  • Lebensgefahr besteht bei Blutungen innerer Organe oder im Kopf. Unbehandelt können Blutungen hier teilweise tödlich enden.
  • Charakteristisch ist zudem, dass eine Blutung anfangs zum Stillstand kommt, aber nach Stunden oder Tagen als Spätblutung wieder beginnen kann.

Welche Schweregrade von Hämophilie gibt es?

Der Schweregrad der Hämophilie wird definiert über die gemessene Restaktivität des jeweiligen Gerinnungsfaktors im Körper.

  • Schwere Hämophilie: Die Aktivität des Gerinnungsfaktors liegt unter ein Prozent.
  • Mittelschwere Hämophilie: Hier liegt die Aktivität des Gerinnungsfaktors zwischen ein und fünf Prozent.
  • Leichte oder milde Hämophilie: Die Aktivität des Gerinnungsfaktors liegt zwischen fünf und 40 Prozent. Blutungen treten hier meist nur nach Unfällen oder Verletzungen auf.

Wie stellt der Arzt die Diagnose?

Die Diagnose ergibt sich aus den typischen Symptomen, oft auch der Familiengeschichte. Weitere Hinweise liefern Blutuntersuchungen, insbesondere Gerinnungstests.

Wie sieht die Therapie aus?

Eine Heilung der Bluterkrankheit ist bislang nicht möglich. Die Betroffenen können heute jedoch ein weitgehend normales Leben führen, wenn der fehlende oder defekte Gerinnungsfaktor ersetzt wird. Dies kann entweder nur bei Bedarf, also beispielsweise bei einer Verletzung oder bei bevorstehenden Operationen passieren oder aber vorbeugend. Bei schwereren Formen der Hämophilie erfolgt die Behandlung üblicherweise vorbeugend. Das enstprechende Faktorenkonzentrat spritzen sich die betroffenen Personen meistens selbst alle paar Tage in die Vene.

Eine mögliche Komplikation ist allerdings, dass Patienten mit einer Hämophilie A körpereigene Abwehrstoffe (Antikörper) gegen den Faktor VIII bilden. Das schwächt die Wirkung des zugeführten Faktor VIII ab. Auch bei Hämophilie B können solche Antikörper gegen den zugeführten Gerinnungsfaktor auftreten.

Bei leichten Formen der Hämophilie kommen manchmal auch Präparate wie zum Beispiel das Hormon Desmopressin zum Einsatz, die die Ausschüttung der Gerinnungsfaktoren erhöhen. Seit 2018 ist auch ein Antikörper namens Emicizumab zur Therapie der Hämophilie A zugelassen. Er wirkt, wie es der Faktor VIII normalerweise tut und wird nicht durch die gegen Faktor VIII gerichteten Antikörper inaktiviert. Er kann vorbeugend unter die Haut gespritzt werden, eine Gabe ist maximal einmal pro Woche nötig.

Sport bei Hämophilie?

Früher wurde Sport aufgrund der Verletzungsgefahr sehr kritisch gesehen. Doch Sport hat auch positive Effekte. Er kann sogar dazu beitragen, das Verletzungsrisiko im Alltag zu senken, indem Beweglichkeit und Koordination geschult werden. Nach Rücksprache mit dem behandelnden Arzt und unter Einsatz entsprechender Schutzausrüstung und gegebenenfalls eines Helms können Hämophilie-Patienten oft die gewünschte Sportart ausüben. Als nicht oder eher ungeeignet gelten jedoch unter anderem:

  • Fußball
  • Hockey und Eishockey
  • Kampfsportarten, Boxen
  • Gewichtheben

Beratender Experte

Professor Dr. med. Wolfram Delius ist Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie. Er habilitierte sich an der medizinischen Universitäsklinik Uppsala, Schweden, und hatte anschließend eine außerordentliche Professur für Medizin an der Technischen Universität München inne. Der Herzspezialist war lange Zeit als Chefarzt tätig, zuletzt zwei Jahrzehnte an der Abteilung Kardiologie/Pneumologie am Städtischen Krankenhaus München-Bogenhausen (Akademisches Lehrkrankenhaus). Inzwischen führt er eine eigene Praxis.

Professor Delius wirkt seit Jahren aktiv bei Fortbildungsveranstaltungen der Bayerischen Ärztekammer mit und wurde mit der Ernst von Bergmann Plakette der Bundesärztekammer ausgezeichnet.

Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder –behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen. Die Beantwortung individueller Fragen durch unsere Experten ist leider nicht möglich.

Weitere Quellen:

Hoots WK, Shapiro AD. Hemophilia A and B: Routine management including prophylaxis. ed. UpToDate Walthma MA: UpToDAte Inc. https://www.uptodate.com (Abgerufen am 17.07.2019)

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