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Ob Orchidee oder Kaktus, Palme oder Topfrose: In 74 Prozent der deutschen Haushalte grünt und blüht es. Dabei ranken sich allerlei Mythen um die beliebte Indoor-Flora. Manche sagen, Zimmerpflanzen würden uns Menschen den Sauerstoff „wegatmen“. Andere schwören darauf, dass die grünen Gesellen die Raumluft verbessern.

Höhere Luftfeuchtigkeit durch Zimmerpflanzen

Dazu Manuela Lanzinger von der ökologischen Informationsstelle „Die Umweltberatung“ in Wien: „Es stimmt, dass Pflanzen durch Fotosynthese Sauerstoff produzieren, allerdings atmen sie auch Kohlendioxid aus.“ Die positiven Effekte auf das Raumklima haben weniger mit dem Gasaustausch als mit der Abgabe von Wasserdampf durch die Pflanzen zu tun. „Sobald Pflanzen Feuchtigkeit abgeben, binden sie Staub und sorgen für höhere Luftfeuchte, was gerade während der Heizperiode den Atemwegen zugute kommt.“

Dafür bieten sich rasch wachsende Pflanzen an, etwa Yuccapalmen, Elefantenbäume, Grün- oder Krummlilien. Weiterer Pluspunkt: In Studien zeigte sich, dass Enzyme in Zimmerpflanzen Schadstoffe filtern und unschädlich machen können, die aus Möbeln, Teppichen oder Baustoffen freigesetzt werden – jedoch in sehr kleinen Mengen.

Beruhigende Wirkung

Neben den physiologischen Effekten lassen uns Pflanzen seelisch aufblühen. „Untersuchungen geben Hinweise darauf, dass Zimmerpflanzen Räume nicht nur attraktiver und gemütlicher machen. Sie können auch Stress und Schmerzwahrnehmung reduzieren, die Stimmung verbessern und im Arbeitskontext die Leistungsfähigkeit steigern“, bericht Biologin Dr. Claudia Menzel von der Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität Kaiserslautern-Landau.

Sie lehrt und forscht im Bereich Umweltpsychologie. Offenbar wirkt das Betrachten von Grünpflanzen und Natur beruhigend. „Die Pulsrate sinkt und der Parasympathicus, unser nervlicher Ruhemodus, wird aktiv“, so Menzel. Vermutlich verknüpfen wir Natur und Pflanzen mit Freizeit und Entspannung und empfinden sie daher als wohltuend in einer städtischen Lebenswelt.

Geringe Effekte bei der Luftreinigung

Wichtig bei der Wahl der Pflanzen: Sie sollten dem persönlichen Geschmack, den eigenen Bedürfnissen und Fähigkeiten entsprechen und an die Lichtbedingungen im Raum angepasst sein. Nur wenn Hege und Pflege gelingen, springt laut Menzel das Belohnungssystem im Gehirn an und wir erleben Zimmerpflanzen als bereichernd.

So schön die Vorstellung ist, ein paar Ficus-Bäumchen auf der Fensterbank zu platzieren und fortan reinste Luft zu atmen: Die Effekte sind gering. 2019 rechneten US-Forscherinnen und Forscher aus: In einer 70-Quadratmeter-Wohnung müsste man mindestens 700 Topfpflanzen verteilen, um einen reinigenden Effekt wie beim Lüften zu erzielen. „Fenster auf und mehrmals täglich Stoßlüften ist immer noch die beste Methode zur Luftreinigung“, sagt Umweltberaterin Lanzinger. „Und von Anfang an auf schadstofffreie Bau- und Wohnmaterialien setzen.“

Achtung: Giftstoffe!

Was Pflanzen-Fans oft nicht klar ist: Viele Arten enthalten Giftstoffe und können bei Kontakt Haut und Atemwege reizen. Daher vorher gut informieren, gerade wenn Allergien oder Atemwegserkrankungen bestehen. „Bei einem Verdacht auf Pflanzenallergien unbedingt ärztlichen Rat einholen“, sagt Lanzinger. Für Gartenarbeit gilt, den direkten Hautkontakt zur Pflanze mithilfe von Handschuhen zu meiden und hinterher gründlich die Hände zu waschen.

Da die Erde im Topf feucht gehalten werden muss, kann auch Schimmel zum Problem werden. Tipp von Lanzinger: „Verhindern Sie Staunässe mit einer Blähtonschicht im unteren Teil des Topfes oder mit einem Topf, der ein Reservoir zur Anstaubewässerung besitzt. Wenn Sie Schimmel entdecken, entfernen Sie die obere Erdschicht und füllen Sie neues Material nach. Die Wohnung danach gut lüften, um die Schimmelpilzsporen aus der Raumluft zu entfernen.“ Sie können auch die Blumenerde mit Sand oder Lavasplit mischen, was die Schimmelgefahr reduziert.

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Quellen:

  • Menzel C, Reese G: Seeing nature from low to high levels: Mechanisms underlying the restorative effects of viewing nature images. In: Journal of Environmental Psychology 01.06.2022, 81: 101804
  • Reese G, Mehner M, Nelke I et al.: Into the wild… or not: Virtual nature experiences benefit well-being regardless of human-made structures in nature. In: PsyArXiv Preprint 17.05.2022, 00: 00
  • Mann M. Phytophilie. Evolutionär bedingte Auswirkungen von natürlichen und künstlichen Grünpflanzen am Arbeitsplatz auf die menschliche kognitive Leistung, Stimmung, Raumwahrnehmung und das Stresshormon Cortisol. Diplomarbeit Universität Wien, Fakultät für Lebenswissenschaften (2010). https://utheses.univie.ac.at/detail/10736#

  • Drexel University: Study: Actually, Potted Plants Don't Improve Air Quality. Drexel News: https://drexel.edu/... (Abgerufen am 01.12.2022)
  • Veiersted KB, Sandvik L: The Effect of Indoor Foliage Plants on Health and Discomfort Symptoms among Office Workers. Indoor and Built Environment: https://www.researchgate.net/... (Abgerufen am 01.12.2022)
  • Wolverton BC, Johnson A, Bounds K: Interior Landscape Plants for Indoor Air Pollution Abatement. NASA Technical Memorandum: https://ntrs.nasa.gov/... (Abgerufen am 01.12.2022)