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Vor drei Jahren hat Rolf, 47, es endlich ausgesprochen: „Es hat keinen Sinn, wir müssen uns trennen.“ Allerdings wollte er nicht die Beziehung zu seiner Frau Susanne, 45, beenden. Sondern die gemeinsame Bettruhe. Jahrelang hatten die beiden versucht, nebeneinander zu schlafen – obwohl Rolf schnarchte.

Alleine die Tatsache, dass er immer vor Susanne einschlief, machte seine Frau auf Dauer wütend. „Irgendwann habe ich förmlich darauf gewartet, dass er anfängt zu schnarchen“, erinnert sich Susanne. „Und ich hatte schon ein schlechtes Gewissen, bevor ich die Augen zumachte“, ergänzt Rolf.

Sie versuchte es mit Ohrstöpseln, aber die waren unbequem. „Außerdem hatte ich Angst, dass ich unsere Kinder nicht höre, die damals noch jünger waren“, erzählt die zweifache Mutter. Immer wieder ist nachts einer ins Bett der Kinder oder auf die Couch ausgewandert. Schlief das Paar doch nebeneinander, weckte Susanne ihren Mann mehrmals pro Nacht, wenn es ihr zu laut wurde. „Ich erwartete förmlich, dass sie mich wachrüttelte“, erzählt Rolf. Dementsprechend schlecht war die Stimmung am Morgen.

Angst vor fehlender Nähe

Nachdem Rolf erklärt hatte, dass es so nicht mehr weitergehen kann, kauften die beiden ein zusätzliches Bett, richteten ein Zimmer im Keller ein und Rolf zog aus dem gemeinsamen Schlafzimmer aus. „Sleep Divorce“ nennt man das: Schlafscheidung.

Für viele Paare ist das kein leichter Schritt. Manche haben Angst, dass die fehlende Nähe der Beziehung schadet, andere fürchten, dass der Sex auf der Strecke bleibt. Viele trauen sich nicht, offen darüber zu reden, weil sie nicht wollen, dass Außenstehende möglicherweise falsche Schlüsse ziehen. Sogar die Wissenschaft ist sich uneinig, ob getrennte Betten Vor- oder Nachteile haben.

Unterschiedliche Präferenzen

Gabi, 67, und Hans, 69, sind seit fast 50 Jahren ein Paar. Die beiden haben viel gemeinsam: Sie fahren lieber in die Berge als ans Meer, hören dieselbe Musik und sind sich auch sonst ziemlich einig. Außer nachts: Gabi geht oft schon um neun ins Bett, Hans sieht lange fern oder liest. Er lässt im Schlafzimmer alle Rollläden runter, sie reißt sie wieder auf. Sie schläft auch im Winter bei offenem Fenster, er mag es lieber warm.

Seit über 20 Jahren schlafen die beiden deshalb getrennt. „Neben Gabi wäre ich längst erfroren“, scherzt Hans. „Und ich neben ihm erstickt“, kontert sie. Außerdem schnarcht Hans. Das wurde irgendwann so schlimm, dass er nachts eine Apnoe-Maske tragen muss. „Seitdem schnarche ich nicht mehr“, erzählt der Rentner. „Dafür schnorchelt das Gerät“, sagt seine Frau.

Entspannte Grundhaltung einnehmen

Die beiden sind glücklich, haben ein erfülltes Sexleben und vermissen nichts. „Man muss nicht immer alles zusammen machen“, findet Gabi. Dann könne man sich auch wieder mehr aufeinander freuen.

Wenn Paare getrennt Urlaub machen, sich ohne einander mit Bekannten treffen oder alleine ins Kino gehen, stört das niemanden. Getrennte Betten gelten dagegen immer noch als Beziehungskiller. Zu Unrecht, findet Dr. Christine Blume, Psychologin und Schlafforscherin an der Universität Basel. In Bezug auf getrennte Schlafzimmer rät sie zu einer entspannten Haltung – positive Studienergebnisse zum gemeinsamen Bett hin oder her.

Schlafen ist ein wichtiges Bedürfnis. Wenn das dauerhaft eingeschränkt wird, weil einer schnarcht oder die Leselampe nicht ausmacht, schadet das letztlich eher der Beziehung

Denn erstens führen Umfragen zum Thema „Zusammen oder getrennt schlafen“ mitunter zu irreführenden Ergebnissen, weil die Befragten zum Teil nicht ganz ehrlich bei ihren Antworten sind. Zweitens gebe es zwar eine Studie mit Schlaftrackern, die darauf hindeutet, dass zumindest Männer mit der Partnerin an der Seite besser schlafen. Allerdings war das nur eine kleine Stichprobe. „Dem Einzelnen hilft das wenig, wenn er nicht schlafen kann, weil der andere ihm die Decke wegzieht“, sagt Blume. „Schlafen ist ein wichtiges Bedürfnis. Wenn das dauerhaft eingeschränkt wird, weil einer schnarcht oder die Leselampe nicht ausmacht, schadet das letztlich eher der Beziehung“, erklärt Psychologin Blume.

Getrennt schlafen kann der Beziehung guttun

Susanne und Rolf sind deutlich ausgeruhter, seit sie getrennt schlafen. Dafür vermisst Susanne die Zweisamkeit. „Wenn ich Sehnsucht habe, besuche ich ihn“, erzählt sie und gesteht gleichzeitig, dass Sex tatsächlich seltener geworden ist. Dafür intensiver und besonders. Wenn die beiden streiten, nervt sie die Distanz: „Nebeneinander im Bett wäre es leichter, sich die Hand zu reichen.“

Es kann aber auch sein, dass es mehr Streit gäbe, wenn Rolf immer noch neben Susanne schnarchen würde – Schlafforscherin Christine Blume hält das für naheliegend: „Konflikte lassen sich unausgeschlafen weniger gut lösen, außerdem drückt schlechter Schlaf auf die Stimmung und man sieht sein Gegenüber nicht gerade durch die rosarote Brille.“ Indirekt kann es also der Beziehung guttun, getrennt zu schlafen.

Ausgeruht in den Tag starten sollte Priorität haben

Das bestätigt auch Roland Bösel, Paartherapeut aus Wien: „Wenn man nachts wach liegt, wäre es zynisch zu sagen: Wir bleiben zusammen, komme, was wolle!“ Er hat gerade selbst erlebt, wie belastend Schlafstörungen sind. „Ich war froh, dass wir ein Ausweichbett zu Hause haben. Man hört alles, wenn man wach ist“, gesteht er. Dafür wurde das Mittagsritual mit seiner Frau umso wichtiger. „Wir legen uns jeden Tag 15 Minuten aufs Ohr – eng umschlungen“, erzählt er.

Oberstes Ziel: ausgeruht in den Tag starten. Und wer allein besser schläft, soll es machen. Alles andere wäre falscher Ehrgeiz

Die Frage ist: Was ist das Ziel? Will man auf Teufel komm raus zusammen schlafen? Und sich tagsüber müde und genervt aus dem Weg gehen? Will man, dass einen alle anderen für glücklich halten, nur weil man das Bett teilt wie andere (angeblich) auch? Oder ist es wichtiger, dass die eigenen Bedürfnisse erfüllt werden? Für Schlafexpertin Blume ist die Antwort klar: „Oberstes Ziel: ausgeruht in den Tag starten. Und wer allein besser schläft, soll es machen. Alles andere wäre falscher Ehrgeiz.“

Probleme ansprechen

Allerdings gehören zu einem Paar immer zwei. Und die sind nicht immer einer Meinung. „Schwierig wird es, wenn einer plötzlich mehr Abstand möchte und der andere es nicht nachvollziehen kann. Oder es persönlich nimmt“, erklärt Bösel und erzählt von einem Klienten, den es sehr getroffen hat, als seine Frau aus dem Schlafzimmer auszog. „Sein Anspruch war, dass er als Mann damit zurechtkommen müsse, also hat er geschwiegen und beinahe die Trennung riskiert. Erst in der Therapie hat das Paar die Kurve gekriegt.“

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Aber wie spricht man es an? „Hat dein Auszug aus dem Schlafzimmer etwas mit unserer Beziehung zu tun?“ ist ein guter Versuch, setzt aber voraus, dass das Gegenüber ehrlich ist. Denn oft gesteht sich ein Partner selbst nicht ein, dass es ein Problem gibt. „Manchmal sind alte Wunden dafür verantwortlich, dass einer die Nähe nicht mehr erträgt. Es kann dauern und Hilfe erfordern, das zu erforschen“, weiß Bösel.

Getrennte Betten: Eine individuelle Entscheidung

Eine pauschale Antwort auf die Frage, ob getrennt schlafen gut oder schlecht für die Beziehung ist, gibt es laut Bösel nicht: „Die einen schlafen seit 20 Jahren glücklich getrennt, zwischen die anderen passt kein Blatt Papier.“ Beziehungen ändern sich. Und wenn die Kinder ausziehen und jeder sein Zimmer bekommt, kann man ständige Verfügbarkeit durch aufregende Dates ersetzen – und fehlende Nähe in der Nacht durch neue Rituale. Wie, das entscheidet jedes Paar selbst. Wichtig ist nur, dass beide offen darüber reden. Dann können getrennte Betten sogar eine echte Chance für die Liebe sein.


Quellen:

  • Fuentes B, Kennedy K, Killgore W et al. : Bed Sharing Versus Sleeping Alone Associated with Sleep Health and Mental Health. Sleep: https://academic.oup.com/... (Abgerufen am 25.03.2024)
  • American Academy of Sleep Medicine : Over a third of Americans opt for a “sleep divorce”. Online: https://aasm.org/... (Abgerufen am 25.03.2024)
  • AOK: Sind getrennte Schlafzimmer gut für die Beziehung?. Online: https://www.aok.de/... (Abgerufen am 25.03.2024)