Logo der Apotheken Umschau

Liebe Freunde und warum sie wichtig sind

Lieber Opa! Unabhängig zu sein, war Dir immer besonders wichtig. ­Vielleicht, weil Du erlebt hast, wie schnell sich Dinge ändern können. Zum Beispiel damals, als Du als sudetendeutsches Kind Deine Heimat verlassen musstest.

Manchmal wünschte ich, Du wüsstest, dass ich es geschafft habe, jung Mutter zu werden – und trotzdem erfolgreich im Job zu sein. Dass ich einen Mann geheiratet habe, der mich unterstützt und mich machen lässt. Wie verdammt wichtig das ist, habe ich von Dir gelernt. Du, der sich ganz selbstverständlich um Kinder und Haushalt gekümmert hat, weil seine Frau es wegen ihrer Krankheit nicht ­konnte. In einer Zeit, in der das nicht selbstverständlich war.

„Du hast mich bestärkt in dem, was ich konnte, und mich gelassen, wenn ich mal zu etwas nicht in der Lage war.“

Du, der nie viel Geld hatte und trotzdem jede Zwei-Euro-Münze, die ihm in die Finger kam, für seine drei Enkel zur Seite gelegt hat. Du, der sogar mein Instrument bezahlt hat, als ich unbedingt Klarinette lernen wollte. Leider wurde die Unbedingtheit schnell we­niger. Aber als ich an Deinem 80. Geburtstag stattdessen vorgetanzt habe, warst Du trotzdem stolz auf mich. Stolz warst Du auch auf jedes Zeugnis – obwohl es oft nicht gut ausgefallen war.

Redakteurin Marisa Gold mit ihrem Opa Bruno.

Redakteurin Marisa Gold mit ihrem Opa Bruno.

Wenn am Sonntag Punkt neun das Telefon klingelte, wussten meine Geschwister und ich, dass Du es bist, der anruft. Auch wenn ich das viel zu früh fand, konnte ich nie richtig böse sein. Denn Du wolltest wirklich wissen, wie es mir geht. Was los ist und was mich beschäftigt. Du hast mich gesehen. Und hast es akzeptiert, wenn ich als Jugendliche beim sonntäglichen Besuch müde vom Feiern auf dem Sofa hing, anstatt am Tisch zu sitzen. Du hast mich bestärkt in dem, was ich konnte, und mich gelassen, wenn ich mal zu etwas nicht in der Lage war.

Viele Jahre später, als es Dir nicht gut ging und ich vorübergehend bei Dir eingezogen bin, bist Du mittags schnarchend im Klappsessel einge­schlafen. Nie mehr habe ich so gut dösen können wie an Deiner Seite auf dem Sofa mit dem kratzigen Samtbezug. Bis wir vom Klingeln des Telefons aufgeschreckt wurden. Du hattest ein riesiges Netzwerk, in dem Deine Haarschnit­te gegen Kartoffeln, Eier oder erlegte Hasen getauscht wurden. Und selbst, als es Dir nicht gut ging, warst Du für andere da. Hast ständig telefoniert: mit Freunden, ­Familie, Leuten aus der Nachbarschaft. Alles Menschen, denen Du die Haare geschnitten und deren Sorgen Du Dir dabei angehört hast. Selbst der Pflegerin im Altersheim hast Du noch einen Pony verpasst. Bei Deiner Beerdigung war die Kirche überfüllt. Einen Monat nach Deinem Tod ist mein Sohn geboren. Er heißt Levin. Das bedeutet „mein lieber Freund“.

Dank Dir weiß ich, wie wichtig das ist. Deine Marisa.

Bedingungslos lieben, ohne zu fordern

Liebe Omi! Wie oft hast Du mir nachts das Fläschchen gegeben, wenn ich nicht schlafen wollte. Wie oft hast Du mir, selbst als ich schon „groß“ war, Quarkkeulchen mit Rosinen und Apfelmus gemacht, weil ich die so liebe – immer noch.

Wie oft hast Du mich getröstet, wenn ich traurig war. Oder mich gepflegt, wenn ich krank war. Und wie oft hast Du mit Opi auf mich aufgepasst, weil Mama und Papa beruflich eingespannt waren oder eben auch mal Zeit für sich brauchten.

Redakteurin Isabelle Fabian mit ihrer Omi Renata Pfennig (92).

Redakteurin Isabelle Fabian mit ihrer Omi Renata Pfennig (92).

Ich habe in meiner Kindheit und Jugend sehr viel Zeit mit Dir verbracht, war mit Dir und Opi mehrmals im Urlaub, bin mit Euch auf Berge gekraxelt. Ich fühle mich Dir und Opi sehr nah. Umso mehr habe ich ein schlechtes Gewissen, dass ich jetzt, da Ihr mich brauchen würdet, nicht genug für Euch da sein kann. Meine drei Kinder brauchen mich und fordern mich gerade einfach zu sehr.

„Ich weiß auch, dass Du manchmal nicht mehr kannst, dass Deine Kräfte schwinden und Du am liebsten aufgeben würdest. Aber das tust Du nicht.“

Ich habe ganz viel von Dir gelernt, liebe Omi, nicht nur, wie man Quarkkeulchen zubereitet. Das Wichtigste ist: bedingungslos für andere da zu sein. Erst hast Du das mit Deinen Kindern getan, später mit mir, Deiner Enkelin, und danach hast Du Dich jahrelang um Deine Mutter gekümmert, meine Uromi, als sie nicht mehr aufstehen konnte und nur noch im Bett lag. Und seit langer Zeit umsorgst Du Opi aufopferungsvoll.

Es ist nicht immer leicht, das sehe ich. Ich weiß auch, dass Du manchmal nicht mehr kannst, dass Deine Kräfte schwinden und Du am liebsten aufgeben würdest. Aber das tust Du nicht. Weil Du Opi liebst.

Wenn ich eins von Dir gelernt habe, dann ist es das: bedingungslos zu lieben, ohne zu fordern. Und nicht aufzugeben, wenn es schwierig wird. Ich hoffe, dass ich dies meinen Kindern auch mit auf den Weg geben kann. Ich danke Dir, meine liebe Omi!

Danke, dass es Dich gibt und dass Du immer für mich da warst. Deine Isabelle

Gelassen und offen bleiben

Lieber Opa! Ein großes Privileg meiner Generation sind die vielen Möglichkeiten, die uns offenstehen. Wir können uns Zeit nehmen, können es uns leisten, das Richtige für uns zu finden. Manchmal wird die Wahl aber zur Qual, wenn die vielen Möglichkeiten überfordern.

Redakteurin Laura Patz mit ihrem Opa.

Redakteurin Laura Patz mit ihrem Opa.

Mein erstes Studium abzubrechen, war für mich damals schambehaftet. Es fiel mir schwer, zuzugeben, mit der Studienfachwahl eine falsche Entscheidung getroffen zu haben. Die Suche nach einer Alternative fühlte sich zunächst eher an wie ein Schritt zurück.

„Opa, Du warst einer derjenigen, die am entspanntesten reagiert haben – ohne Sorge, ohne Vorwürfe.“

Opa, Du warst einer derjenigen, die am entspanntesten reagiert haben – ohne Sorge, ohne Vorwürfe. Ganz kurz und knapp meintest Du nur: „Viele Wege führen nach Rom.“ Und mein Rom, mein beruf­liches Ziel, kannte ich ja zum Glück. Deine Reaktion zeugte von Vertrauen in mich und meine Fähigkeiten. Und für Vertrauen bin ich immer dankbar.

Besonders bemerkenswert erschien mir schon damals Deine gelassene Einstellung, weil Du, Jahrgang 1926, zu einer ganz anderen Genera­tion gehörtest. Das Privileg, den beruflichen Werdegang zu ändern, hatten wohl wenige von Euch – geschweige denn die Möglichkeit, überhaupt zu studieren. Dass Du mir meinen Neustart trotzdem gegönnt und ihn so leicht genommen hast, hat mein Selbstvertrauen sehr gestärkt. Heute halte ich eine berufliche Umorientierung, vor allem, wenn man noch jung ist, für normal. Und auch ich würde jedem, der mich fragt, sagen:

„Viele Wege führen nach Rom.“ Denn damit hattest Du recht, Opa. Deine Laura.