Kugelrund und fit: Sport in der Schwangerschaft
Der Babybauch wächst und mit ihm oft auch das Interesse der Umwelt, wie man sich als Schwangere so im Alltag verhält. Besonders knifflig: das Thema Sport. Das erlebte auch Hertha Böhm, die bis einen Tag vor der Geburt ihrer kleinen Tochter Gewichte stemmte: „Ich hörte Kommentare von ,Hut ab, dass du noch trainierst!‘ bis ,Das kann doch nicht gut fürs Baby sein, mach doch lieber Yoga!‘“, erinnert sie sich. „Zum Glück bin ich Ergo- und Sporttherapeutin und weiß, worauf es ankommt. Etwa, dass ich als Schwangere weniger Gewicht wähle und dafür mehr Wiederholungen mache.“ Mit kritischen Bemerkungen konnte sie umgehen, weil sie es besser wusste.
Auf den eigenen Körper hören
Dr. André Motamedi, Landesvorsitzender des Berufsverbandes der Frauenärzte Hamburg, wünscht sich, dass mehr Frauen auch während der Schwangerschaft aktiv bleiben oder werden: „Entscheidend ist, dass es der Schwangeren und dem Baby während der Aktivität gut geht, die Frau auf ihren Körper hört und keine Gegenanzeigen vorliegen.“ Dazu zählen zum Beispiel Blutungen, vorzeitige Wehen oder Gesundheitsrisiken für das Kind. Risikoschwangere sollten ihr Training unbedingt mit ihrer Ärztin oder ihrem Arzt besprechen.
Von Sportarten wie Kickboxen, Fallschirmspringen oder Extrem-Bergsteigen rät Motamedi allerdings grundsätzlich ab. Auch Mountainbiken berge ein zu hohes Unfallrisiko. Weil die Bänder sich in der Schwangerschaft lockern, steigt insgesamt die Verletzungsgefahr. Deshalb: abrupte Geschwindigkeitswechsel, Sprünge oder Bremsmanöver meiden. Das wiederum heißt, dass auch Ballsportarten wie Volleyball oder Tennis ausscheiden. „Ideal, gerade für Anfängerinnen, sind Walken, Radfahren, Yoga und Schwimmen. Aber auch gegen Laufen und Krafttraining spricht nichts, wenn die Frau vorher schon aktiv war und das Training ihrem Zustand anpasst.“ Angst vor einer Fehl- oder Frühgeburt durch Aktivität sei unbegründet, so Motamedi.
Selbstvertrauen für die Geburt haben
Grundsätzlich hat regelmäßige Bewegung viele positive Effekte für Schwangere, wenn sie den Empfehlungen folgen. Motamedi: „Sportliche Schwangere nehmen seltener zu stark an Gewicht zu, sie entwickeln nicht so oft Bluthochdruck oder Krampfadern. Zudem sinkt das Risiko für Schwangerschaftsdiabetes um bis zu 50 Prozent.“ Er rät zu mindestens 30 Minuten moderater Bewegung an fünf Tagen die Woche. Auch 10.000 Schritte am Tag seien gut als Orientierungshilfe.
Stephanie Strate ist begeisterte Läuferin und joggte noch wenige Tage vor der Geburt ihrer Tochter durch den Teutoburger Wald. „Ich habe flexibel und intuitiv mein Sportprogramm angepasst. Wenn es mir richtig gut ging, bin ich gelaufen. Fühlte ich mich nicht danach, bin ich mit dem Hund eine große Runde spazieren gegangen“, erzählt die Grundschullehrerin.
Auch bei großer Hitze sollten Schwangere es ruhig angehen, da eine Überhitzung dem Ungeborenen schaden könnte. Stephanies größte Angst war, sich wochen- oder sogar monatelang gar nicht bewegen zu können. Marion Sulprizio, Psychologin und Leiterin des Arbeitskreises „Sport und Schwangerschaft“ an der Deutschen Sporthochschule Köln, bestärkt Schwangere, in Bewegung zu bleiben: „Sport ist grundsätzlich sehr gut für Körper und Seele.“ Dies gelte besonders für Schwangere. „Bewegung kann Beschwerden wie Rückenschmerzen entgegenwirken. Aktivität reduziert das Gefühl, immer unbeweglicher zu werden, und stärkt das Selbstvertrauen, der ungewohnten Situation gewachsen zu sein.“ Zudem gibt es Hinweise, dass regelmäßige Bewegung das Risiko einer Wochenbettdepression senkt.
Besser mit Pulsuhr trainieren
Ziel sollte sein, fit zu bleiben und nicht zu stark zuzunehmen. „11 bis 18 Kilo sind okay, aber viele nehmen deutlich mehr zu. Das ist weder für die Mutter noch für das Kind gut“, sagt Sulprizio. Die Expertin rät sportlichen Schwangeren, mit Pulsuhr zu trainieren und auf ihre Herzfrequenz zu achten (siehe Tabelle, Seite 23). Wer ganz sicher gehen möchte, könne sich auch sportmedizinisch untersuchen lassen. Der Basis-Check kostet 100 bis 150 Euro, die selbst bezahlt werden müssen.
Empfohlener Puls (Schläge pro Minute [bpm]) für Schwangere bei Belastung je nach Alter:
- Unter 20 Jahren: 140 bis 155 bpm
- 20 bis 29 Jahre: 135 bis 150 bpm
- 30 bis 39 Jahre: 130 bis 145 bpm
- Über 39 Jahre: 120 bis 140 bpm
Quellen:
- Korsten-Reck U, Marquardt K, Wurster KG: Vorteile von Sport in der Schwangerschaft. https://www.germanjournalsportsmedicine.com/... (Abgerufen am 26.07.2023)
- DSHS: Sport und Schwangerschaft – Das Informations- und Serviceportal. https://www.dshs-koeln.de/... (Abgerufen am 26.07.2023)
- Neztwerk Gesund ins Leben: Bewegung vor und in der Schwangerschaft : Handlungsempfehlungen. https://www.gesund-ins-leben.de/... (Abgerufen am 26.07.2023)
- Herzberger V, Bäz E, Kunze M, et al : Körperliche Aktivität in der Schwangerschaft. https://www.aerzteblatt.de/... (Abgerufen am 26.07.2023)
- Kołomańska-Bogucka D, Mazur-Bialy AI: Sport und postnatale Depression. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/... (Abgerufen am 26.07.2023)