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Auf Partys ist es unter Teenagern ein beliebter Gag, Lachgas aus einem Ballon zu inhalieren, so die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht. Was sich nach viel Spaß anhört, bereitet inzwischen Suchtexperten und Medizinern Kopfzerbrechen. Wird das Gas als Droge exzessiv konsumiert, kann eine psychische Abhängigkeit entstehen und die Gesundheit leidet. In einigen Ländern wie den Niederlanden und Großbritannien wurde deshalb 2023 der Besitz und Verkauf von Lachgas zum Inhalieren verboten.

N₂O ist die chemische Formel, die erstmals der britische Chemiker Joseph Priestley 1774 in seinem Buchband "Experiments and Observations on Different Kinds of Air" erwähnt. Sie steht für Distickstoffmonoxid. Priestley beschrieb das Gas als „farblos, süßlich und von leicht angenehmem Geruch“. Im natürlichen Umfeld wird es bei der Oxidation von Bakterien im Meer und in Böden freigesetzt, wir machen es uns aber als Treibmittel unter anderem in Spraydosen oder Patronen für Sahnespender zunutze. Wesentlich bekannter ist es aber als schmerzstillendes Anästhetikum in der Medizin. Der amerikanische Zahnarzt Horace Wells ließ sich 1844 als erster Mensch im Selbstversuch mit Lachgas betäuben, um sich einen Weisheitszahn ziehen zu lassen. „Als Kurznarkose wurde es lange Zeit beim Zahnarzt oder bei starken Wehen eingesetzt, inzwischen gibt es aber genügend Alternativen“, erklärt Prof. Dr. Frank Erbguth, Präsident der Deutschen Hirnstiftung.

Bei einer Kurznarkose bekommt der Patient durch eine Maske zunächst reinen Sauerstoff, erst dann wird langsam die Lachgas-Zufuhr erhöht. So kann die Dosis individuell angepasst werden. Das Gas wirkt direkt auf das zentrale Nervensystem. Kurz nach dem Einatmen setzt zuerst ein wohliges Gefühl der Entspannung ein, Schmerzempfindlichkeit und Angst werden immer weniger. Man verliert auch das Zeitgefühl, bleibt aber ansprechbar und ist nur wenige Minuten nach Absetzen des Lachgases wieder klar im Kopf.

Als Partydroge wird pures Lachgas aus einer Kartusche in einen Ballon gefüllt und dann inhaliert. Ein Luftzug genügt für einen kurzen Wohlfühlrausch, der rund 30 Sekunden bis höchstens drei Minuten andauert. Ein Ballon reicht meist für mehrere kleine Rauschzustände hintereinander. Von einem „Gefühl der Losgelöstheit“ spricht die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EMCDDA). Das Gas beeinflusst auch die Sinne. „Farben und Geräusche werden intensiver wahrgenommen, manche haben ganz leichte Halluzinationen“, so der Neurologe. „Jedoch Horrortrips, wie wir es von anderen Drogen her kennen, kommen nicht vor.“

Ende des 18. Jahrhunderts experimentiere der britische Chemiker Humphry Davy als Leiter der pneumologischen Anstalt in Clifton mit Distickstoffoxid. Er war auf der Suche nach neuen Therapieansätzen zur Behandlung von Atemwegserkrankungen wie Tuberkulose. Dafür verabreichte er seinen Patienten das Gas aus Seidenbeuteln zum Inhalieren über einen Schlauch, dann befragte er sie nach ihren Empfindungen. In Davys Aufzeichnungen wird dabei erstmals von „Lachgas“ gesprochen, schilder Ernst Cohen in seiner kulturhistorischen Studie über Lachgas.

„Als Rauschmittel ist es schon seit dem 18. Jahrhundert bekannt“, erklärt der Neurologe Erbguth. Es war Humphry Davy, der das Gas zu einer Droge machte. Er dokumentierte nicht nur die berauschende Wirkung an seinen Patienten und sich selbst, sondern lud auch Freunde, Kollegen und Bekannte zu Lachgas-Abenden ein. Die Begeisterung war groß. So schrieb der britische Dichter Robert Southey in einem Brief, „dass Davy tatsächlich ein neues Vergnügen erfunden hat, für das die Sprache keinen Namen hat. Es brachte mich zum Lachen und kitzelte in jedem Zeh und jeder Fingerspitze.“ Im Laufe der kommenden Jahre wurden sogenannte „Hippie-Crack“-Partys in der britischen und amerikanischen Oberschicht beliebt.

Erst mehr als hundert Jahre später, in den 70er Jahren, wurde Lachgas als Festival- und Partydroge wiederentdeckt. „Lachgas-Challenges“ auf Social-Media-Kanälen haben besonders in den vergangenen Jahren dazu beigetragen, dass der private Konsum kontinuierlich weltweit steigt. Dabei posten Jugendliche Videos, während sie die Partydroge einnehmen. Das Verkaufsangebot ist zudem gestiegen, inzwischen werden sogar Lachgaskartuschen mit Exotik- oder Fruchtgeschmack verkauft. Das hat seine Kehrseite: „Die zunehmende Nutzung von Distickstoffmonoxid zur Aufheiterung in manchen Regionen Europas ist besorgniserregend“, erklärte erst kürzlich Alexis Goosdeel, Direktor der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EBDD).

„Zwar verursacht Lachgas keinen Suchtdruck mit körperlichen Entzugserscheinungen, aber es kann eine psychische Abhängigkeit entstehen“, warnt Neurologe Erbguth. „Gemessen an der Rauschdichte ist es zudem heftiger als Alkohol.“ Im deutschen Drogen- und Suchtbericht der Bundesregierung spielt Distickstoffmonoxid jedoch keine Rolle. Suchtexperten sind aber besorgt, weil es das Rauschmittel in großen Mengen sehr günstig zu kaufen gibt. Die Hemmschwelle liegt zudem extrem niedrig. „Lachgas hat einen starken Wohlfühlnimbus, und das Inhalieren aus bunten Ballons und die Kürze des Rausches lässt es ungefährlich erscheinen“, warnt Erbguth. Lachgas könne deshalb gerade bei Minderjährigen durchaus zu einer Einstiegsdroge werden. „Psychisch labile Jugendliche sind aber eher gefährdet, eine Abhängigkeit zu entwickeln, besonders wenn Lachgas mit anderen Drogen wie Alkohol kombiniert wird.“

Wird zu viel Lachgas eingeatmet, kann es zu Schwindel und Stürzen kommen, die Unfallgefahr insgesamt steigt, informiert die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA). „Ab einem Anteil von 90 Prozent in der Atemluft werden Konsumenten bewusstlos. Durch den Sauerstoffmangel kann das Gehirn geschädigt werden.“

Wird Lachgas exzessiv, hoch dosiert und über längere Zeit konsumiert, kann es die Blutbildung beeinträchtigen, das Rückenmark schädigen und die Isolierschicht der Nervenbahnen zerstören, denn Distickstoffmonoxid stört den Vitamin-B12-Stoffwechsel und führt so zu einem akuten Mangelzustand. Erste Symptome sind unter anderem Muskelschwäche, Kribbeln in den Armen und Beinen. „Werden diese Anzeichen ignoriert und weiterhin Lachgas inhaliert, kann es schließlich zu Gleichgewichtsstörungen und Lähmungen kommen. Manche Betroffene sind schließlich auf einen Rollstuhl angewiesen oder werden bettlägrig“, schildert Erbguth die Auswirkungen.

Auch die kognitive Leistung leidet, Konzentrationsschwäche ist die Folge. „Gerade bei jungen Menschen kann die Reifung und Entwicklung des Gehirns durch einen langfristigen Missbrauch in Mitleidenschaft gezogen werden“, warnt der Mediziner. Es gibt zwar keine Studien über Lachgaskonsum wie bei Cannabis oder anderen Drogen, „doch bei Langzeitkonsumenten werden öfters psychische Veränderungen bis hin zu Psychosen beobachtet.“

Gefährlich ist es, direkt aus der Patrone zu inhalieren. Wenn das Gas entweicht, entsteht Verdunstungskälte und „die Lippe kann an der Gasquelle festfrieren“, so die BZgA. In Einzelfällen können Experimente sogar tödlich enden. „In unserer Klinik wurde ein junger Mann eingeliefert, der mit einem selbstgebauten Einsaugstrohhalm Lachgas direkt aus einer Kartusche eingeatmet und sich dabei den Schlauch zu tief in den Rachen geschoben hatte. Der massive Kältereiz am Vagusnerv führte zum Herzstillstand“, erinnert sich Professor Frank Erbguth, der als Ärztlicher Leiter der Klinik für Neurologie im Klinikum Nürnberg gearbeitet hat.

Die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht beobachtet die Entwicklung, dabei zeigen sich regional große Unterschiede. In einigen europäischen Ländern wie den Niederlanden hatte der Missbrauch in den vergangenen Jahren drastisch zugenommen. Laut dem Gesundheitsministerium in Den Haag war Lachgas unter Schülern inzwischen die am meisten konsumierte Droge. Auch die Zahl der Jugendlichen, die wegen Nervenschädigungen in holländischen Kliniken behandelt werden mussten, nahm kontinuierlich zu. Der Gesetzgeber reagierte und seit Anfang 2023 ist der Verkauf und Besitz von Lachgas zu nicht medizinischen Zwecken in den Niederlanden verboten. Auch in Großbritannien soll Lachgas verboten werden.

Lachgas fällt in Deutschland nicht unter das Betäubungsmittelgesetz, der Besitz und Verkauf ist für den privaten Konsum legal und es gibt keine Altersbeschränkung. Ob ein gesetzliches Verbot oder Präventionsmaßnahmen für Jugendliche notwendig werden, sei abhängig von der aktuellen Situation, so die Stellungnahme des Arbeitsstabes des Beauftragten der Bundesregierung für Sucht- und Drogenfragen. „Aktuell gehen wir davon aus, dass die Problematik regional unterschiedlich ausgeprägt ist“, so der Drogenbeauftrage Burkhard Blienert.

Bundesweite Daten oder Erhebungen gibt jedoch es nicht. Alle Experten, Politiker und die BZgA beziehen auf die Drogentrendstudie der Goethe-Universität Frankfurt. Sie zeigt die Entwicklung vor Ort. Jährlich werden dafür rund 1500 Schüler zwischen 15 und 18 Jahren befragt. Die aktuellen Zahlen zeigen für 2021 einen Anstieg beim Lachgaskonsum unter den Jugendlichen. 17 Prozent der Befragten gaben an, das Rauschmittel schon einmal ausprobiert zu haben – das sind vier Prozent mehr als im Vorjahr. „Es ist wichtig, über die Risiken des Konsums aufzuklären und Jugendliche stark zu machen, nein zu sagen, wenn ihnen in der Clique Substanzen wie Lachgas angeboten werden“, erklärt Blienert.

Es fehlt der Öffentlichkeit noch das Bewusstsein, dass Lachgas ein Rauschmittel ist und süchtig machen kann, so der Neurologe Erbguth. Noch sei nicht ersichtlich, ob Aufklärung oder ein Verbot sinnvoller ist, um besonders Minderjährige vor einem Missbrauch zu schützen.


Quellen: